Geistesbrüder: "Dr." Schürholt und "Dr." Guttenberg

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Gemeinsam ist beiden, dass sie mit einem Doktortitel, der ihnen nicht zustand, glänzen wollten und ihn zum Triebmittel ihrer politischen Karriere nutzten. Kai Schürholt wollte 2007 in Landau (Rheinland-Pfalz) zum Oberbürgermeister gewählt werden, Karl-Theodor Guttenberg wollte Kanzler werden.

Schürholt wurde im fernen Berlin als OB-Kandidat für die südpfälzer CDU entdeckt. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag und der Kreisvorsitzende der Südpfalz waren stolz auf ihren Kandidaten. Damals, 36 Jahre alt, schien er der ideale Kandidat für die Nachfolge des Parteifreundes Dr. Wolff zu sein, der den Ruhestand anstrebte: 1,90 Meter groß, blond, ledig, dynamisch und gebildet wirkend, angestellt beim Deutschen Brauereibund. Seiner Vita nach sei er zuvor im Bundestag als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt gewesen und nebenbei habe er in Heidelberg an der theologischen Fakultät den Doktorgrad erworben. Altbundeskanzler Helmut Kohl empfing "Dr." Kai Schürholt in seinem Berliner Büro und versprach persönliche Hilfe im Wahlkampf um den OB-Sessel. Fest eingeplant und mit dem Konterfei der Beiden plakatiert war eine Großveranstaltung in der Festhalle Landaus.

Als mitten im Wahlkampf erste Zweifel am Lebenslauf des "Dr." Kai Schürholt aufkamen, setzte dieser sich plötzlich nach Berlin ab. Von dort aus ließ er verlauten, er sei an einem Gehirntumor erkrankt und könne derzeit nicht in das Wahlkampfgeschehen eingreifen. In Landau war man schockiert. Dutzende, wenn nicht hunderte Genesungswünsche erreichten ihn. Die Wahlkampfaktivitäten der Kandidaten wurden auf Sparflamme gesetzt. Zweimal erhielt Schürholt Besuch des südpfälzischen Kreisvorsitzenden. Im Detail verkaufte Schürholt seine Krankheit, sprach von Bestrahlungen, Schwindelanfällen, Kopfschmerzen und Sehstörungen. Aber Heilung sei in Sicht. Der Kreisvorstand und die Wahlkommission beschlossen daraufhin, den Wahlkampf fortzusetzen, auch weil ein Wechsel des Kandidaten kurz vor der Wahl nicht mehr möglich war.

Eine ältere fast 70-jährige Landauerin wollte es genau wissen und verlangte von der CDU die Vorlage der Promotionsurkunde. Man stellte fest, dass in Heidelberg ein Doktorand Schürholt eingeschrieben, aber eine Promotionsurkunde nie ausgestellt worden sei. Das Lügengebäude des falschen Doktors brach zusammen. Der gesamte CDU-Kreisvorstand trat geschlossen zurück. Bei der Wahl schaffte er mehr als fünf Prozent, weil Briefwähler ihre Stimmzettel schon verschickt hatten. Die SPD gewann nach Jahrzehnten der CDU-Herrschaft mit 62,5 Prozent den OB-Sessel.

Kurz nach der Wahl wurde Schürholt wegen Tragens eines falschen Doktortitels verurteilt: 5.000 Euro Strafzahlung, zwei Monate Gefängnis auf Bewährung und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Nicht geahndet wurden weitere Falschangaben: Schürholt war nicht ledig sondern geschieden, er war kein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundetages sondern Mitarbeiter eines Abgeordneten. In einem Widerspruchsverfahren wurde die Buße etwas abgemildert, weil er durch die Begleitumstände nach dem Verfahren, z.B. Verlust von Freunden, bestraft worden sei.

Schürholt begab sich in Therapie und wurde anscheinend geheilt. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit ist er beruflich fest verankert: Kai Schürholt ist jetzt Direktor eines Klosterhotels in Norddeutschland, das mit dem Slogan wirbt: "Erholung für Geist und Seele."

"Dr." Kai Schürholt ist den Weg gegangen, den "Dr." Karl-Theodor Guttenberg noch zu gehen hat. Nach einer Therapiemaßnahme ist die Sozialprognose sicher günstig, da die materiellen Lebensumstände als gesichert gelten.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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