Familienbande – mal allzu eng, mal allzu lose

Eindrücke Unsere Blogautoren Julia und Carim berichten ihre Eindrücke über „Schwarzer Panther” und „Meine Zunge dreht sich nicht“.

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„Schwarzer Panther”

Sexuelle Beziehungen zwischen Bruder und Schwester sind falsch. In Deutschland und vielen andern Ländern ist das Gesetz, sowohl juristisch, als auch gesellschaftlich. Dementsprechend tabuisiert ist das Thema, an das sich der Schweizer Regisseur Samuel Perriard mit seinem Film „Schwarzer Panther” herantraut.

Darin treffen sich die Geschwister Emilie (Lucy Wirth) und Jakob (Ole Jacobs) wieder, nachdem sie sich für einige Zeit auseinander gelebt haben. Der Grund für ihr Wiedersehen ist allerdings kein sentimentaler, zumindest vorerst. Emilie will gemeinsam mit ihrem Ehemann Andreas (Jonas Hien) das Ferienhaus ihrer beim Bergsteigen tödlich verunglückten Eltern verkaufen, um Schulden zu begleichen und so das Geschäft, das Emilie von ihren Eltern übernommen hat, zu retten. Dafür brauchen sie jedoch Jakobs Unterschrift. Doch schon bald, nachdem Andreas die beiden allein lässt, drängen alte Gefühle an die Oberfläche, die die beiden lange versteckt haben. Sie fühlen sich zunehmend körperlich zueinander hingezogen und geben diesen Gefühlen schließlich nach.

“Schwarzer Panther” erhebt weder warnend den moralischen Zeigefinger, noch stellt er das Verbot von Sex innerhalb der Familie infrage. Stattdessen konzentriert sich Perriard, der auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat, allein darauf, seinen Charakteren emotionale Tiefe zu verleihen und ihre Liebe zu einander zu beleuchten. Dafür arbeitet er am wenigsten mit Dialogen. Er lässt vielmehr Bilder und Musik die Geschichte erzählen. Immer wieder zeigt er mit der Kamera die grünen Täler, imposanten Bergzüge und romantischen Dörfer der Schweizer Alpen, untermalt von den verträumten Songs der Band JJ & Palin. Dagegen schneidet Perriard immer wieder Nahaufnahmen der beiden Hauptcharaktere, in deren Gesichtern und Blicken sich das Gefühlskarussell, das sie erleben, lesen lässt. Geschuldet ist das den Hauptdarstellern Lucy Wirth und Ole Jacobs, deren Chemie ihren Figuren Leben einhaucht. Sie lassen den Zuschauer durch ihren zärtlichen Umgang miteinander streckenweise vergessen, dass Emilie und Jakob Geschwister und kein gewöhnliches Liebespaar sind.

Genau das ist die größte Stärke von “Schwarzer Panther”. Der Film vermeidet gängige Klischees im Zusammenhang mit Inzest oder Familiendramen. Er lässt die Zuschauer entscheiden, wie sie über das Verhältnis von Emilie und Jakob denken und was sie sich für die beiden wünschen.

Von Carim Soliman

„Dilim Dönmüyor – Meine Zunge dreht sich nicht“

Doppelter Auftritt bei „achtung berlin“ für Serpil Turhan: Als Schauspielerin war sie in der Retrospektive als junge Türkin im Spielfilm „Geschwister – Kardesler“ von Regisseur Thomas Arslan zu sehen. Und Sonntag und Dienstag lief ihr Debütfilm als frischgebackene Dokumentarfilmregisseurin: „Dilim Dönmüyor – Meine Zunge dreht sich nicht“

Turhans Vater und Mutter begleiteten die schwangere Serpil zur Premiere – nicht nur als stolze Eltern, sondern auch als Hauptdarsteller des Dokumentarfilms.Die in Berlin geborene Regisseurin zeigt in ihrem neuen Film den Alltag, die Erinnerungen und die Herkunft ihrer kurdisch-türkischen Familie. Dafür reiste Serpil Tuhran, die in Spielfilmen von Thomas Arslan, Rudolf Thomé und Neco Çelik Bekanntheit erlangte, mit ihrer Kamera in den verlassenen Heimatort ihrer Eltern, ein Bergdorf in der Provinz von Erzincan, im Osten der Türkei. Serpil verbrachte dort viel Zeit mit ihrer Großmutter, die ihr mit Humor über heimliche Jugendlieben und folgenschwere Zwangsheiraten erzählt. Sie gehört zu den wenigen in der Familie, die noch kurdisch spricht und ärgert damit scherzhaft ihre Enkelin.

Zurück in Berlin stellt die 34- jährige ihre Eltern bei familiären Situationen und in intimen Gesprächen dar. Ihre Mutter emigrierte 1973 mit ihrem Vater nach Berlin und hat seit 30 Jahren nicht mehr ihr Dorf besucht. Jeden Sommer wird die Reise erneut verschoben - die Rückkehr zu ihren Wurzeln und der verlorenen kurdischen Identität scheint ihr schwer zu fallen.

Ein informativer und zugleich intimer Dokumentarfilm, der mit elegischen Bildern von Landschaften oder Kameraschwenks in engen Wohnungen die Vergangenheit und Gegenwart einer- durch Emigration getrennten- Familie illustriert.

Von Julia Lohmann Garcia

im Rahmen des Studiengangs Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation – MHMK, Standort Berlin.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

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