Ich möchte, dass jeder in der Stadt teilnimmt

Porträt Julia Lohmann Garcia traf achtung berlin-Festivalleiter Sebastian Brose und stellt uns den filmverrückten Lokalpatrioten sowie sein Festival ein wenig genauer vor

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Ich möchte, dass jeder in der Stadt teilnimmt

Bild: Yvonne Szallies-Dicks

Der fast zwei Meter große Sebastian Brose lässt sich locker auf einem Sofa im Eingang des Büros fallen. In wenigen Tagen geht es los und man erkennt bei ihm keine Anspannung oder Unruhe. Brose wurde in Wolfsburg geboren und studierte in Gießen und Bremen Literatur und Kunstwissenschaften. 2001 zog er in die Hauptstadt und arbeitete erstmals bei der Literaturwerkstadt Berlin. Dort leitete er unterschiedliche Projekte wie z.B. eine Ausstellung für digitale Poesie, die Produktion einer deutsch-arabischen Lyrik-CD oder das Poesiefestival, das jährlich im Juni stattfindet und Künstler aus aller Welt zusammenbringt, um die neuen Strömungen der Dichtkunst vorzustellen. Das war aber nur der Beginn. Wenige Jahre später gründete er mit Hajo Schäfer „achtung berlin“. „Unsere Grundidee war die Liebe zum Film. In meinem Kunstwissenschaftsstudium haben wir uns viel mit der Filmanalyse beschäftigt und es ist schon immer meine Leidenschaft gewesen.“, erklärt er.

Berlin brauchte ein Filmfestival, das stand für Hajo und Sebastian 2004 fest. Außer der internationalen Berlinale und den Festivals über Kurzfilme, jüdische Filme oder unter anderem Fußball, hatte die Hauptstadt keine große Veranstaltung, die dem deutschem Kino und der in Berlin entstandenen Filme gewidmet war. „Auf der Berlinale findet man nicht so viele deutsche Filme und es ist heutzutage schwer Deutsches ins Kino zu bringen, wenn Til Schweiger oder Bully Herbig nicht mitspielen.“, meint Sebastian.

Viele Filme, die in der folgenden Woche ausgestrahlt werden, haben die Großstadt als Bühne. Der Gründer des Festivals begründet, warum hier eine unvergleichlich produktive Atmosphäre herrscht: „Was in Berlin alles an Aufbruch und an Umbruch passiert ist! Berlin hat viel Geschichte und außerdem eine wichtige Sonderstellung: Hier war schon in den 90ern sehr viel möglich, es entstand ein großer Freiraum.“ Sebastian erzählt uns von den guten Bedingungen der Stadt bei der Filmherstellung. Man bekommt schnell Drehgenehmigungen und es entsteht auch kein großes Problem beim Absperren von Straßen oder wenn man spontan die Polizei bittet, im Hintergrund vorbeizufahren. „Außerdem sind hier viele Filmhochschulen und es gibt ein reiches Angebot, um sich filmisch auszubilden“, fügt er hinzu.

Für den Nachwuchs der Filmbranche ist „achtung berlin“ auch ein wichtiger Termin im Kalender. Die Branchentage sind eine verlockende Einladung für diejenigen, die sich informieren, austauschen, vernetzen und Kontakte knüpfen wollen. Sebastian hebt hervor, dass diese nicht nur für Filminteressierte, sondern primär für Leute, die in der Filmbranche arbeiten, stattfinden. Ein Dokumentarfilmtag mit Analysen und Diskussionen soll das Interesse für dieses Genre vergrößern. „Im Foto Workshop bieten wir eine Vorstellung der neuen Technologien an. In diesem Bereich gab es einen enormen Fortschritt im Vergleich zu den Filmen der 90er Jahre. Mittlerweile kann man Filme mit ziemlich kleinen Kameras drehen“, sagt Sebastian.

Wie wir feststellen können, steckt hinter dieser Festivalorganisation viel Zeit und Aufwand. Obwohl die Veranstaltung erst im April erfolgt, geht es schon im Sommer mit einem Wettbewerb los, für den sich alle mit ihren Filmen bewerben können. „Wir fahren auf viele andere deutsche Festivals in München, Hof oder Leipzig, wo explizit Premieren gezeigt werden. Wir fragen auch oft nach, wenn wir erfahren, dass jemand gerade in Berlin dreht und Interesse an unserem Festival bestehen könnte“, erklärt uns der Festivalleiter.

In Hinsicht auf die Entwicklung der Organisation hat Sebastian wenig zu bemängeln. „Es ist schon anstrengender als vor 10 Jahren - jetzt bieten wir mehr Filme an und auch das generelle Internetangebot ist umfangreicher geworden. achtung berlin hat aber mittlerweile auch viel mehr Mitarbeiter und wir lernen immer von den neuen Erfahrungen“, erzählt er mit einem breiten Lächeln.

Zuletzt fragen wir das Geburtstagskind was es sich beim Pusten der Kerzen wünschen wird und auch hier erhalten wir eine anregende Antwort: „Die nächsten 10 Jahre sollen erfolgreich weitergehen. achtung berlin soll bekannter werden: mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuschauer! Es wäre schön, wenn jeder in der Stadt teilnimmt und es an weniger Leuten vorbeigeht.“

Julia Lohmann Garcia / im Rahmen des Studiengangs Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation – MHMK, Standort Berlin.
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Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

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