Schräg, Schräger, Lemke!

Filme Schrääg („Art Girls“) – Schräääger („Jens oda Janich“) – Lemke! Unsere Festivalgastautoren Ortwin, Laura und Max-Peter besuchten Filme, die ihr Publikum herausfordern

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Klaus Lemke mit Team
Klaus Lemke mit Team

Foto: Christine Kisorsy

Kein großes Ding

Die Berlinale verschmäht ihn, doch bei „achtung berlin“ findet der legendäre Münchener Kultregisseur Klaus Lemke eine Heimstatt und läuft im Spielfilmwettbewerb. Passend in einer Spätvorstellung um 22 Uhr wurde Lemkes zweiter Berlinfilm auf großer Leinwand im Babylon 1 präsentiert: „Kein großes Ding“ erzählt die Geschichte zweier schräger Typen, die versuchen auf chaotische und verrückte Weise eben ihr Ding durchzuziehen. Mahmoud (Thomas Mahmoud) denkt, er sei der neue James Braun, und Henning (Henning Gronkowski) strebt ein Karriere als strippender Pirat an, will aber seinen Schlüpfer nicht ausziehen. Gewisse Schwierigkeiten sind vorprogrammiert und schließlich geht irgendwie alles schief, was die beiden anfassen. Vor allem Mahmoud, der gerade aus dem Knast entlassen wurde, muss aufpassen, dass er nicht gleich wieder einfährt.

Andere Filmemacher lieben Landschaften. Lemke jedoch liebt die Stadt. Hohe und dreckige Betonfassaden, in denen er das Leben erforscht. Hier in Berlin sind die Underdogs die Guten, die Frauen sexy und die Hauptstadt wird zum Berlin der Träumer, der Fantasien und zu der Stadt mit endlosen Möglichkeiten und Chancen. Die beiden typischen Lemke-Loser sind viel interessanter, ja sogar wichtiger als die Kulisse, und versuchen gekonnt, sich irgendwie durchzuboxen. Henning Gronkowski steigt vom Marihuana-Pflanzer zum Agenten seines Freundes auf und gibt den coolen Macher von heute. Der schon aggressiv aufdringlich wirkende Mahmoud verkörpert die Person eines Möchtegerngangsters, der oftmals genau so dämlich wie anstrengend ist. Eine Quasselstrippe durch und durch, von der sich Henning jedoch nicht beeindrucken lässt.

Bei dieser Low-Budget Produktion wird a la Klaus Lemke nicht gewertet, erklärt oder begründet. Der wohl älteste Jungfilmer versprüht immer noch das Feuer wie in den 60er Jahren. Mit sparsamen Mittel wurde hier eine geheimnisvolle Atmosphäre erzeugt, mittels der Kunst der improvisierten Imperfektion, die Klaus Lemke – mittlerweile 74-jährig – beherrscht wie kaum ein anderer.

Von Laura Alsleben


Jens oda Janich

Am Abend des 6. Tages sahen die Besucher des Babylon I in der Reihe „Berlin Highlights“ eine Komödie der etwas anderen Art: „Jens oda Janich“ - eine eigenwillige No-Budget-Komödie um den diktatorisch über den Berliner Bezirk Pankow (!) herrschenden Jens-Uwe Jensen. In der vor anarchischem Witz überquellenden Handlung geht es unter anderem um eine Hippiekommune, die unbeobachtet von Vater Staat den Übernahmeversuchen der Jens’schen Regierung trotzt - denn soeben wurde die zweihunderttausendste Wohnung „auf Eigenbedarf“ geräumt. Dazu spielen noch eine Wahrsagerin, ein 200.000 Mark teurer Pelzmantel und das selbstproduzierte, „garantiert jensenfreie“ Erfrischungsgetränk „Pippinade“ eine Rolle.

Der laut Regisseur „einzige Berlinfilm im Wettbewerb“ (das komplette Team besteht aus gebürtigen Pankowern, die sich bereits seit der dritten Klasse kennen), ist gleichzeitig inszenatorisch eine Besonderheit, denn im Unterschied zu anderen, geringfinanzierten Wettbewerbsbeiträgen gibt sich dieser Film nicht einmal Mühe, gut auszusehen. Das ist aber auch gar nicht schlimm, denn „Jens oda Janich“ ist trotz Konsumkritik und den zahlreichen Referenzen zu realen Diktaturen in erster Linie eine sehr anarchische Trashkomödie, die ihren Witz auch immer wieder aus dem ganz offensichtlich fehlenden Budget zieht. Immerhin wurde an über 30 Drehmotiven mit viel Aufwand und Liebe zum Detail fast ausschließlich an Wochenenden gedreht, wenn es die Freizeit erlaubte.

Laut dem Regisseur war die ursprüngliche Intention des Filmes, das Zeitgeschehen ad absurdum zu führen, gar nicht möglich - denn die Wirklichkeit ist schon absurd genug. Eine klassische Dramaturgie sucht der Zuschauer daher vergebens, denn der zwölfte (oder dreizehnte? So genau weiß es keiner mehr.) Teil einer Serie, die in den Neunzigern begonnen wurde, ist vor allem ein Schaufenster für die absurden Ideen des Produktionsteams, die durch die amateurhafte Machart nur an Glaubwürdigkeit gewinnen – und sich jeder Kritik entziehen.

Von Ortwin Bader-Iskraut


Art Girls

Manche Filme sind buchstäblich unbeschreiblich und der neue Spielfilm des ehemaligen Dokumentarfilmregisseurs Robert Bramkamp, „Art Girls“, der bei „achtung berlin“ im Spielfilmwettbewerb läuft, gehört definitiv zu solchen aberwitzigen Werken. Man muss es schon selber sehen, um eine genaue Vorstellung von Bramkamps Tour-de-Force durch die verschiedene Genres (Satire, Science-Fiction, Mystery, Kunstkino) zu bekommen. In die ohnehin zick-zack-mäßige, fragile Dramaturgie hat Bramkamp so viele Themen hineingestopft, dass es für zehn Filme gereicht hätte! Viele zentrale Aspekte, vor allem die Verhöhnung der teils aufgeblasenen Kunstszene Berlins und ihrer MacherInnen, Galeristen und Käufer, drohen durch Subplots und visuelle Spielereien aus dem Blick zu geraten.

Letzteres sorgt allerdings immer wieder für originelle, ach was: unvergleichliche Momente. Höhepunkt: Ein aus Berliner Gerüstbauten bestehender, stählerner King Kong klettert den Fernsehturm hinauf, der daraufhin gen Neptunbrunnen umknickt und fortan als dekorativer Riesenwurm der Hauptstadtmitte ein verändertes Wahrzeichen beschert. Und dies ist nur eine der Folgen, die (weibliche) Kunst verursacht, wenn sie direkt wirkt. Dies wiederum gelingt dank der Unterstützung eines ominösen Biotechnologiekonzerns, der von einem ungleichen Zwillingspaar geleitet wird. Peter Lohmeyer in einer Doppelrolle und seine charmanten Filmpartnerinnen Inga Busch und Megan Gay – die auch Premierengäste waren – sorgen für etwas Erdung in diesem originellen, verspielten, vom Ideenreichtum seines Regisseurs ungebändigten Werk.

Max-Peter Heyne

im Rahmen des Studiengangs Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation – MHMK, Standort Berlin.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

achtung berlin

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden