Materie & Geist

Mensch spielt Gott gibt es künstliches Bewußtsein: Spekulation

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Ich nenne Bewußtsein, Psyche, Gedächtnis und verwandte Vorgänge geistig, im Unterschied zu materiellen.

Wir haben intuitives Wissen über solche Verhältnisse: wir schützen den Kopf. Die Gehirnmasse wird als Sitz des Geistes behandelt. Inzwischen kann man die aktiven Areale bei geistigen Tätigkeiten bestimmen.

Es gibt sehr genaue bekannte Abhängigkeiten von geistigen Funktionen und Nervenstrukturen. Rauschgifte etwa erzeugen starke geistige Auswirkungen jeder Art, sie wurden im wesentlichen als natürliche Transmitterstoffe identifiziert, die mit unserer Gehirntätigkeit einhergehen.

Früher gaben Schädelverletzungen Aufschluß über recht exakte Zusammenhänge. Besonder eklatant war der Fall eines Herrn, bei dem eine schmale Verbindung zwischen den Hirnhälften geschädigt war: er hatte die Fähigkeit verloren, den Zeitlauf zu erkennen. Für ihn war, bis zu seinem kürzlichen Ableben, immer der gleiche Augenblick an einem bestimmten Tag. Man konnte mit ihm sprechen, er war freundlich und aufmerksam, hatte aber kaum Minuten später alles vergessen, was gesagt wurde und geschah, in einer endlosen Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden konserviert.

Solche Teilausfälle der Gesamtleistung, also die Lokalisierung geistiger Teilaspekte an genau bestimmte Areale lassen eine sehr starke Bindung geistiger Tätigkeit an Materie vermuten.

Genauso die verschiedenen Stufen der Entwicklung im Tierreich. Vom Wurm über Amphibien zu immer komplexeren Verhaltensstrukturen, begleitet von ebenso kompleseren Hirnen srärken diese Annahme. Wir haben die Summe dieser Steuermechanismen: unsere Neigung zu Tierhaltung kommt auch daher, weil bei uns die ähnlichen Vorgänge geschehen, die wir in ihnen erkennen. Natürlich haben wir immer die bewußten Zusatzfunktionen, aber auch die Hunde erkennen in uns die ihnen adäquaten Verhalten, sonst würden sie ganz anders reagieren.

Gibt es geistige Aktivität ohne Materie ?

In den Anfängen der Geschichte nahm man Götter als Auslöser von Naturvorgängen an. Später wurde es bescheidener: Geister und Dämonen trieben ihr Unwesen. Einerseits gab es zunehmende Abstraktion: Monotheismus und Schöpfergott, aber Engel und Teufel ergänzen das Modell. Ich glaube nicht daran, insbesonder an keinen Schöpfergott.

Tibetanische Mönche meditierten in Tomographen. Sie hatten sehr starke Thetawellen, für den Normalmenschen unerreichbar.

Im Hirn überlagern sich drei verschiedene Wellenfrequenzen. Vor Jahrzehnten wurde die Wirbelbildung in Flüssigkeiten untersucht. Zwischen zwei Platten wurde eine Wasserschicht verschieden stark erhitzt. Bei geringem Temperaturunterschied bildete sich eine Welle, langgestreckte Rollen. Dann kam die zweite hinzu, es bildeten sich Quadrate, in denen das Waseser strömte. Die dritte Welle brachte prinzipiell neues Geschehen: das Chaos. Die geordnete Form verlor sich, es bildeten sich unvorhersehbare Wirbel. Es ergab sich folgende Theorie: das schwache Ursache-Wirkungs-Gesetz blieb weiterhin: eine Ursache, eine Wirkung. Das starke galt nicht mehr: ähnliche Ursachen zeigen ähnliche Wirkung. Das Modell zeigte, daß sich beliebig kleine Unterschiede nach kurzer Zeit so stark auswirkten, daß eine Vorhersage unmöglich war. Man müßte es unendlich genau messen, und das geht wegen der Unbestimmtheit der kleinsten Elementarteilchen nicht.

Mir schien es naheliegend, in diesen Vorgängen die Grundlage für manche Kreativität zu sehen: durch intensives Nachdenken könnten Wellen zu einem Chaos zusammengeführt werden, das eine ganz neue Kombination generiert. Nur eine Idee.

Selbst wenn man anhand der gemessenen Wellentätigkeit unsere Gedanken genau bestimmen könnte, wäre es trotzdem unverständlich, wieso gewisse Wellen mit geistigem Erleben verbunden sind, und andere nicht. Das gilt genauso für die gesamte Materie, aus denen unser Hirn besteht: durch deren Organisation entsteht etwas, das wir an ihr in keiner Weise erkennen, weder orangisiert noch ungeordnet. Das ist ein echtes Problem. Andereseits bleibt uns nichts übrig, als diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Daraus folgt aber, daß bei genügend genauer Erkenntnis dieser Zuordnungen es eines Tages möglich sein müßte, künstliches Bewußtsein zu erschaffen. Hier scheinen gewisse Spekulationen vernünftig.

Zunächst muß es auch über solche Wellen geschehen. Die Träger müßten nicht unbedingt organisch sein, aber die Flexibilität und Komplexität usnerers Gehirns müßte gewährt sein.

Unsere jetztige Computertechnik scheidet vollkommen aus. Hier werden einfache Elektronenströme herumgeschoben, damit zwar feine, aber lange nicht so komplexe und geordnete Strukturen erzeugt. Es müßten, wie oben erwähnt, ebenso subtile Wellenvorgänge wie in unseren Neuronen ablaufen. Die SF-Filme, in denen komplexe Software plötzlich Gefühle entwickelt, wie in diesem aktuellen Film „her“ sind Unsinn und reines Wunschdenken.

Unser Gehirn ist sehr funktionstüchtig, hat aber, wie unser Körper, starke Einschränkungen, die aus der evolutionären Entwicklung stammen. Alte Mechanismen, die mit anderer Technik für andere Zwecke entwickelt wurden, konnten nicht einfach ersetzt werden, sondern mußten umgestaltet werden, da die erzeugenden Gene nicht einfach unwirksam werden. Ein Hinweis ist unsere schwach entwickelte Logik: es gibt doch diese Rätsel: der Koch hat eine rote Hose und benutzt das Auto, der mit der blauen Jacke fährt Fahrad, und mit einigen weiteren Sätzen kann man die Gesamtlage erschließen. Die fallen uns aber sehr schwer, bedeuten aber eine simple logische Struktur.

Weiterhin unser Hang zu unrationalen Entscheidungen, hier vor allem aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen Massaker zu veranstalten.

Aber weiter: wichtig zu verstehen ist, daß es sich dann um echtes Bewußtsein handeln müßte, kein technischer Ersatz, der nur so tut. Also müßte es Liebe und Mitgefühl empfinden. Man könnte es auch als Haß gestalten, aber sobald es flexibel und komplex genug ist, kann es auf so spezielle Funktionen nicht mehr reduziert werden.

Ich blätterte mal in einem Buch über tibetanischen Buddhismus rum. Da wurde ein Ritual beschrieben: ein 11 oder 12 jähriger Junge, der schon Jahre lang diverse Übungen hinter sich hatte, wurde dazu speziell vorbeireitet: ich weiß nicht mehr wie. Und dann kam die scharfe, fordernde Frage des Meisters: was ist Bewußtsein ? Dadurch gelang es dem Jungen, für einen Augenblick den ständigen Strom anzuhalten, und er spürte die Grundlage: Mitgefühl.

Daraus spekuliere ich, daß bei komplexer Organisation, wenn Bewußtsein erscheint, dieses Mitgefühl die wesentliche geistige Manifestation ist, die es braucht, damit die Teile alle schön zusammen funktionieren können. Schmerz, starke Emotionen und solche Dinge sind Ausdruck der primitiven Technik, mit der die Evolution zu Beginn arbeiten muß.


Ich könnte es wohl weiter verfeinern, aber fürs erste reichts: ich will erst mal Meinungen lesen. Ist lang genug: für Genießer und Unermüdliche.

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Geschrieben von

alalue

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alalue

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