Ungarns Moral

Kulturkommentar Homosexualität soll in Ungarn künftig mit Gefängnis- und Geldstrafen geahndet werden. Wenn es nach dem Abgeordneten der rechtsradikalen Jobbik-Partei Ádám Mirkóczi ginge

"Ich bin schwul und das ist auch gut so", ist ein Satz, den man sich in Ungarn nur als zynische Kabarett­szene oder als zur Provokation gedachte liberale Hetzrede vorstellen kann. Mit Homosexualität darf und kann man kaum offen umgehen.

Dass es sie natürlich gibt, zeigt sich einmal im Jahr in Budapests Straßen: am Tag der Gay Parade. Diesen „Schwulen Marsch der Würde“, wie er wörtlich aus dem Ungarischen übersetzt heißt, gibt es seit 1997; bis 2009 war er bunter Bestandteil der hauptstädtischen Kulturszene.

Dann begannen die Attacken auf die Teilnehmer, sie wurden mit Flaschen, Steinen und Eiern beworfen, es gab über 50 Verletzte. Letztes Jahr musste der Zug von der Polizei über den prächtigen Andrássy-Boulevard eskortiert, später umgeleitet werden. In diesem Jahr drohte der Parade das Aus: Anfänglich hatte die Polizeidirektion die Genehmigung für die Parade verweigert mit der Begründung, dass der Umzug zu Verkehrsproblemen führe und die Stadt vor enorme Herausforderungen stelle. Daraufhin zogen die Organisatoren vor Gericht, letzte Woche musste die Polizei das Verbot aufheben.


Der Rest an Würde ist damit noch nicht gerettet. Ein Abgeordneter der rechtsradikalen Jobbik-Partei steuert einen neuen Tiefpunkt auf dem Sinkflug der ungarischen Demokratie an: Ádám Mirkóczi hat einen Gesetzentwurf eingereicht, in dem das Homosexuelle als amoralische Verhaltensform gegeißelt wird. Ziel des Entwurfs ist eine Änderung im bürgerlichen Gesetzbuch, die Homosexualität unter Strafe von bis zu drei Jahren Gefängnis stellt.

Personen und Medien, die Homo­sexualität in Schrift, Bild oder Werbung verbreiteten, wird ebenfalls mit Haft gedroht. Händchenhalten oder Küssen in der Öffentlichkeit würde nach Mirkóczis Katalog eine Buße von 300 Euro nach sich ziehen. Und nebenher würde dieses Gesetz die Gay Parade unterbinden.

Es ist nicht die erste Kampagne aus dem ungarischen Parlament, die sich gegen Homosexuelle richtet. Ilona Ékes, die bis heute Mitglied im Komitee für Menschenrechte des Hauses ist, forderte 2009 schon einmal ein Verbot mit der stereotyp-mittelalterlichen Begründung, Kinder könnten in ihrer mentalen und moralischen Ent­wicklung Schaden nehmen, wenn sie Schwule und Lesben nur sähen. Frau Ékes hält Homosexualität auch für eine Krankheit, die mit Medizin und Therapie zu behandeln wäre.

Was soll man dazu sagen? Ein Land, in dem solche Haltungen staatstragend sind, ist nicht einmal arm, sondern armselig. Und natürlich nicht sexy.

Ágnes Szabó ist ungarische Stipendiatinim Programm Medienmittler der Robert-Bosch-Stiftung

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Geschrieben von

Agnes Szabo

Hospitantin, Medienmittlerin

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