Anna Prohaska als Artist in Residence

Konzertkritik Saisonstart 2020/21 mit dem Konzerthausorchester Berlin (Dirigent: Christoph Eschenbach)

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Alles bleibt anders, lautet die Devise des Konzerthauses Berlin, das sein 200jähriges Bestehen in der gestern Abend offiziell begonnenen Saison 2020/21 feiern wird - die Pläne waren ursprünglich natürlich etwas anders und v.a. deutlich "größer" als sie jetzt, arg aktualisert wegen dieser pandemischen Globaleinschränkungen, einsehbar sind.

Nur zum Vergleich:

Im letzten Jahr zur gleichen Zeit eröffnete das Konzerthausorchester Berlin unter seinem neuen Chefdirigenten Christoph Eschenbach brachial mit Mahlers Sinfonie der Tausend!

In dieser Dimensionalität auf unabsehbare Dauer so nicht/ nicht mehr vorstellbar.

Aber was soll's.

Eingebetteter Medieninhalt

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Stücke von Weber, Schumann, Haydn, Strawinsky und Beethoven (als Zugabe) standen zur Debatte. Zwei von fünf bzw. sechs Programmpunkten waren der neuen Artist in Residence zum exklusiven Vortrag vorbehalten, und so wurde es vorrangig auch der Abend von Anna Prohaska, die seit Jahren schon als hoffnungsvolle Nachwuchsgröße allerorts "gehandelt" wird - und man vergisst sehr schnell, dass sie sich längst im internationalen Star-Modus befindet, und obgleich sie (gottlob!) nicht zu diesen auffälligen Zicken zählt, die einen solchen Status permanent als duftstarke Monstranz vor ihren Selbstigkeiten herzutragen trachten; Anna die Normale! bitte bleib' so wie du bist!!

Als erstes sang sie die relativ langweilige Gretchen-Passage ("Ach neige, du Schmerzensreiche") aus Schumanns nicht minder langweiligen Faust-Szenen, einem Opus, das den Zwickauer nicht halb so adeln sollte wie z.B. seine bis heute immer noch sträflichst vernachlässigte Oper Genoveva oder dessen Oratorium Das Paradies und die Peri; auch verstand man leider kaum ein Wort.

Bei der großen Ann-Arie aus der Strawinsky-Oper The Rake's Proogress konnte die Prohaska demonstrieren, was für stimmtechnische Höhenflüge sie so drauf hat; hierfür heimste sie den größten Beifall des Konzertes ein.

Die Haydn-Sinfonie in Eschenbachs "Gesichtung" tat sich als Betäubungsmittel mitteilen - so einen lahmen Papa Haydn hatte ich noch nie vernommen, und da hätte Ivàn Fischer höchstwahrscheinlich etwas besser und vor allem leidenschaftlicher und inspirierter dirigiert, vermute ich.

Die beiden Weber-Ouvertüren machten allerdings den lauen Binneneindruck wieder wett, und sowieso hatte ich Rübezahl bisher noch nie gehört.

Den dicksten Pluspunkt hatten sich die MusikerInnen um Christoph Eschenbach beim Beethoven (Die Geschöpfe des Prometheus?) verdient.

Alles in allem:

Etwaig gediegen, völlig unspektakulär.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 28.08.2020.]

KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN (Konzerthaus Berlin, 27.08.2020)
Carl Maria von Weber: Der Beherrscher der Geister (Rübezahl) - Ouvertüre d-Moll op. 27
Robert Schumann: „Ach neige, du Schmerzensreiche“ aus den Szenen aus Goethes Faust
Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 39 g-Moll Hob I:39
Igor Strawinsky: „No word from Tom ... I will go to him“ - Arie der Ann aus der Oper The Rake's Progress
Weber: Ouvertüre zur Oper Der Freischütz
Anna Prohaska, Sopran
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Christoph Eschenbach

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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