Facebook - Die Zivilgesellschaft ist gefragt

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Am Wochenende sollte ich bei Facebook sensible Daten bestätigen, die angeblich angebliche Freunde über meinen Wohnort und meinen Arbeitsplatz angegeben haben: Arbeitest du dort? Bestätige! Wohnst du dort? Bestätige! Selbst eine angebliche politische Betätigung sollte ich bestätigen. Es reicht.

Ich habe nichts gegen Soziale Netzwerke, sondern finde sie sehr praktisch. Das Problem ist die zentralisierte Datensammlung. Und die Monopolisierung. 90% der Zeit in Sozialen Netzwerken wird bei Facebook verbracht. Und Zuckerberg hat diese Woche angekündigt, dass die Datensammlung bei Facebook jetzt erst richtig losgeht.

Mein Problem ist dabei nicht nur, dass Facebook Daten über mich sammelt, sondern auch eine zunehmende Abhängigkeit von Facebook. Nicht bei Facebook zu sein, kommt zunehmend einem sozialen Ausschluss gleich, vor allem, wenn man viel im Internet unterwegs ist. Was passiert, wenn Facebook weiterhin ungebrochen an Gewicht gewinnt, wenn seine "Schwerkraft" zunimmt und immer weitere Menschen und Teile der Gesellschaft in seinen Orbit "saugt"? Was passiert, wenn man dann bei Facebook seinen Account verliert? Es ist dann nicht nur problematisch, bei Facebook registriert zu sein, sondern es könnte sich irgendwann als problematisch erweisen, nicht bei Facebook registriert zu sein.

Wie dem auch sei: Dieses Wochenende hat Facebook für meinen Geschmack eine Grenze zuviel überschritten. Ich möchte nicht mit echten oder angeblichen Freunden in einen Konflikt geraten, weil sie über Facebook Daten über mich veröffentlichen. Das Problem sehe ich nicht allein im "bösen Facebook", sondern in der Monopoliserung, die mit Sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Xing, StudiVZ, etc. einhergeht. Daher wäre Google+ auch keine Alternative zu Facebook. Die Alternative besteht in Projekten wie Diaspora*, welche Open-Source-Programme entwickeln, die es ermöglichen, "eigene" Soziale Netzwerke zu betreiben, die kompatibel sind mit Sozialen Netzwerken auf anderen Servern.

Aber um diese Idee der dezentralen, kompatiblen und auf Open-Source basierenden Netzwerken voranzubringen, müssen nun kompetente Organisationen, Gruppierungen und Institutionen dazu gebracht werden, diese Sozialen Netzwerke zu installieren und ihre Communities dazu zu ermuntern, diese auch zu nutzen.

Ich habe daher einen Aufruf an Hochschulen aufgesetzt, der unterschrieben werden kann:

Aufruf an die Hochschulen:
Schafft kompatible dezentrale Soziale Netzwerke!

Studierende und Hochschulen hatten bislang eine Vorreiterrolle bei der Etablierung internetgestützter Sozialer Netzwerke.
Soziale Netzwerke (Facebook, Xing, StudiVZ, Google+, etc.) sind untereinander nicht in der Weise kompatibel, wie wir dies von Telefonen und E-Mails kennen.
Mit Sorgen beobachten wir eine Monopolisierung, die mit der zentralen Sammlung individueller Daten einhergeht.
Wir fordern die Hochschulen auf, dezentralisiert kompatible Soziale Netzwerke für die eigene Hochschul-Community zu etablieren und die Studierenden und Beschäftigten der Hochschule mit einem entsprechenden Zugang in der Weise auszustatten, wie sie auch bereits E-Mail-Accounts erhalten. Diese Sozialen Netzwerke sollten auf frei zugänglichen Programmen (wie bspw. Diaspora*) beruhen, die eine Kompatibilität auch über den Hochschulbereich hinaus ermöglichen.

Diesen Aufruf findet ihr hier: Aufruf an die Hochschulen

Die Idee hinter diesem Aufruf ist, dass Soziale Netzwerke wie Facebook und StudiVZ ihren Anfang auch an Hochschulen nahmen und Hochschulen in besonderer Weise geeignet sind, Soziale Netzwerke zu generieren. Wenn Hochschulen an ihre Studierenden und Beschäftigen Accounts für die je eigenen Sozialen Netzwerke ausgeben und über diese Netzwerke relevante und interessante Informationen weitergeben, dann könnte genau die kritische Masse an Teilnehmern und Teilnehmerinnen geschaffen werden, die sich derzeit nicht bilden lässt für ein dezentrales Netzwerk wie Diaspora*.

Aber auch andere Institutionen der Zivilgesellschaft sind gefordert. Jede größere NGO müsste dazu imstande sein, ein eigenes Netzwerk mit dem Diaspora*-Programm zu installieren. Und auch Verlage und Zeitschriften wären dazu in der Lage, ebenso Kirchen und Parteien. Soweit ich weiß, hat aber noch nicht einmal die Piraten-Partei ein dezentral-kompatibles Soziales Netzwerk. Daher ist es kein Wunder, dass Facebook immer mehr an Gewicht gewinnt und die Verärgerten bestenfalls zu Google+ abwandern.

Wir können dafür sorgen, dass die Zivilgesellschaft sich ihre eigenen miteinander vernetzten Sozialen Netzwerke schafft, statt nur darüber zu jammern, dass Facebook schon wieder neue Maßstäbe in der Datensammlung setzt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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