Faustrecht

Ostharz: Streit im Büro - ein Roman in Fragmenten

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Frau Keyser glüht vor Entrüstung: Der ist doch frisch von der Uni! Hat überhaupt keine Erfahrung in der Bauleitung! Das können wir dem Bauherrn nicht zumuten!

Kristin Radomsky pflichtet mit drohendem Unterton bei: ....sein Abschlusszeugnis habe ich bis heute nicht gesehen, angeblich hat die Uni es noch nicht ausgestellt, weil der Prüfer der Diplomarbeit ein Urlaubssemester eingelegt hat... pah, wer das glaubt!

Beide haben sich vor dem Schreibtisch des Chefs aufgebaut, weibliche Intuition geladen mit dem Faustrecht der Mehrheit... Bauleiter Grau ist in den Urlaub gefahren, Maik Peters soll ihn vertreten, die Architektin Keyser will das verhindern:

Grau ist zwar kein Bauingenieur... vor der Wende ist er Elektroingenieur in leitender Funktion gewesen, kam irgendwie zum Kreisbaubetrieb, warum weiß niemand.... aber er hat die ganzen Jahre seit der Wende nach den neuen Normen und Vergaberichtlinien gebaut, er muss doch für die Bauleitung verantwortlich bleiben!

Früher hatten Sie hier ja zwei Bauleiter, ich weiß, sagt der Chef müde, und er nennt den Namen des anderen nicht: Herr Grau muss doch Urlaub machen können wie alle anderen, selbst wenn er krank wäre, müssten unsre Baustellen weiter betreut werden... der neue Kollege muss die Möglichkeit haben, Erfahrung zu gewinnen...

Aber nicht auf unsere Kosten! schnappt Frau Keyser.

Bei unserer Bauherrin habe ich schon angerufen, sagt der Chef jetzt, Frau Bernstein war sehr verständnisvoll, zwei Wochen Urlaubsvertretung, habe ich gesagt, die Baustelle ist doch gut angelaufen, der Verein braucht das Werkstattgebäude dringend.... der Verein Lebensweg e.V. betreut Behinderte, sie wohnen unter Betreuung des Vereins und sind tagsüber in verschiedenen Werkstätten auf dem weitläufigen Gelände des Vereins beschäftigt, es gibt eine Wäscherei für die Hotels der Stadt, eine Druckerei, eine Tischlerei.... ein aufstrebender Stern am schüchternen Wirtschaftshorizont der Region.

Frau Bernstein hat übrigens die Rechnung für die Ausführungsplanung jetzt angewiesen, sagt er noch schnell zu Kristin Radomsky, um ihren Furor zu besänftigen, außerdem hat sie nach dem Kantinengebäude gefragt, das Sie vor zwei Jahren geplant haben, Frau Keyser.... sie möchte wissen, ob wir es auch etwas kleiner und preiswerter machen können, der Verein kann es vielleicht im Herbst bauen, Frau Bernstein möchte einen Förderantrag stellen....

Die Kantine hat Frau Mantey geplant, damit hatte ich nur wenig zu tun, es soll ja eine Großküche für achthundert Essen werden, sie hatten sogar einen Küchenplaner aus Halberstadt dabei ... sagt Frau Keyser, und ihre Stimme flattert etwas.... die Architektin Mantey hat sich mit einem anderen ehemaligen Kollegen selbständig gemacht, inzwischen haben sie einige Bauherren abwerben können, man kennt sich schon aus der Schulzeit...

Wissen Sie, Frau Keyser, ich bin ganz froh, dass Frau Bernstein uns fragt und nicht gleich zu Helmdeck & Mantey geht.... Frau Mantey war damals hier angestellt, der Entwurf muss überarbeitet werden, und wir brauchen neue Aufgaben!

Jetzt ist er doch raus, der Name des ehemaligen Bauleiters, Frau Keyser zuckt kurz zusammen: Ich habe keine Zeit, sagt sie schnell, ich muss den Bebauungsplan für den Biopark in Gatersleben bald abgeben!

Ja, das verstehe ich, geht der Chef auf sie ein, Sie müssen es auch nicht machen, eigentlich dachte ich an den jungen Kollegen Peters, er will gerne was Neues entwerfen, aber es wäre gut, wenn Sie Ihre Erfahrung und Ihr Wissen aus dem letzten Entwurf einbringen... übrigens denke ich auch, dass Maik Peters die Bauberatungen für die Werkstatt nicht allein bestreiten sollte, Sie als verantwortliche Planerin sollten da ebenfalls anwesend sein.....

Hier endet der 331. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

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