Grün, Farbe der Hoffnung

Ostharz: Geld wächst nicht auf hohen Bäumen - ein Roman in Fragmenten

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Wie die Medusa das Wasser so braucht ein Geschäft Kapital, ein Monetop zwischen roten und schwarzen Strömen, das Zahlenspiel der Monatsumsätze bildet sich ab in den Jahresringen der Bilanz... erarbeitetes, ererbtes, versprochenes Kapital, geklaubtes oder geraubtes, flüssiges oder festes Vermögen, damit es vermag... ein guter Monat treibt den Pegel aus dem Soll in’s Haben.

Guten Tag, hier ist Frantz, Dr. Frantz, Frantz und Söhne, können Sie mir bitte Dr. Freundsam geben, den Leiter Ihrer Kreditabteilung.... bei mir ist heute der Geschäftsführer der Bauprojekt Quedlinburg, er will die Firma übernehmen, ich hatte es ihm schon erzählt.... wir möchten gerne einen Termin bei Herrn Freundsam machen....

....er ist nicht da? Einen Vertreter können Sie mir nicht nennen? Sie wissen nicht, wann er wieder im Haus ist?

Nein, mit der Bank von Dr. Frantz ist nicht gut Freund zu werden, zu viele Lecks hat der Konzern, die flinken Mäuse entwischen den eifrigen Controllern der Landesbank und tragen nicht einmal die Zinsen.... die Welt wird enger mit jedem Tag, sagt die Maus in der Fabel von Franz Kafka....

Wir können den Übergang auch anders lösen, sagt Dr. Frantz nachdenklich, Sie könnten zunächst einen Anteil übernehmen, zwanzig Prozent zum Beispiel.... Sie sollten mir allmählich sagen, was die Firma Ihnen wert ist....

Die Firma ist wert, was sie in Zukunft einbringt, aber Du hast keinen Pfennig, ruft die kleine Maus in seinem Kopf, willst Du etwa mit der Katze den Futternapf teilen...?

Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Dr. Frantz, sagt er zögerlich, aber es ist bestimmt einfacher, wenn wir einen klaren Schnitt machen...


Grün ist die Farbe der Hoffnung, so wende man sich hoffnungsvoll an die GruenBank, Niederlassung Quedlinburg: Aktuelle Umsatzzahlen, Monatsergebnisse, Gewinne der Vorjahre..... Frau Radomsky kennt die meisten Zahlen auswendig, sie führt Listen, auch über die Umsatzerwartungen der nächsten Monate: Obermeyer muss in zwei Wochen mit der Ausführungsplanung fertig werden, damit wir bei der WoBauGe abrechnen können, vier Wochen später rechen wir dann die Leistungsphase sechs ab, Grau muss bald die Leistungsverzeichnisse rauschicken, der Controllingauftrag wird monatlich abgerechnet, bringt aber nicht viel...

Nach zehn Tagen meldet sich eine freundliche Frauenstimme von der GruenBank und vereinbart einen Termin: Nein, das Gespräch führen wir nicht bei uns in der Bank... wir kommen zu Ihnen!

Frau Radomsky ist beunruhigt: In diesem Quartal haben wir nur hundertdreißigtausend Umsatz, das ist doch zu wenig... Im letzten Jahr war der Jahresumsatz über sechshunderttausend, wie wollen Sie das der Frau von der Bank erklären? fragt sie den Geschäftsführer spitz.

Den Bauantrag für die Werkstatterweiterung können wir bald in Rechnung stellen, sagt der Chef, außerdem erwarte ich jeden Tag den Vertrag aus Magdeburg.... ein Vorentwurf ist schnell gemacht, den kann man gleich abrechnen... und der Kindergarten Thale fehlt noch in Ihrer Liste, in zwei Wochen machen wir die ersten Präsentation beim Vorstand, vielleicht gefällt ihnen unser Vorentwurf....

Wer wird uns den Auftrag geben? fragt Frau Radomsky, der Verein in Thale oder Bohr? Auch den Geschäftsführer der Bau Union nennt sie nur kurz beim Nachnamen, wenn sie über den Baubetrieb des Landkreises redet, bei dem sie früher alle angestellt waren.... Bauausführung und Planung mussten getrennt werden, als Wettbewerbs- und Privatisierungsregeln aus dem Westen durchgesetzt werden sollten.

Die Anfrage kam von der Bau Union, sagt der Geschäftsführer, übrigens arbeiten wir doch an den Plänen für Alexisbad, auch für Herrn Rohr, dafür steht ebenfalls noch kein Honorar in Ihrer Liste!

Frau Radomsky verkneift sich eine Bemerkung, soviel kann er inzwischen bereits erkennen, aber er weiß auch, dass sie ihm niemals verraten wird, was sie in diesem Moment denkt. Wieviel soll ich eintragen? fragt sie mit gespielter Gleichgültigkeit, aber etwas zu spitz. Die Sparkasse hat doch schon abgelehnt, ein Darlehen zu geben, denkt sie noch...


In der nächsten Woche begrüßt der Geschäftsführer die Frau von der GruenBank, sie dankt zunächst für die Unterlagen, die sie bekommen hat. Aufmerksam schaut sie sich im Flur um, aber eine Führung durch die Räume möchte sie nicht.... Ich bin nicht hier, um die Computer zu zählen, wehrt sie lächelnd ab, wir wollen über Ihren Darlehensantrag reden!

Dann sollten wir in mein Büro gehen, schlägt er vor,und als sie am Schreibtisch von Frau Radomsky vorbeigehen, sagt er: Frau Radomsky hat die Unterlagen zusammengestellt, sie ist schon seit vierzehn Jahren bei der Bauprojekt, vor neunundachtzig im Projektierungsbüro des Baubetriebs... und er wendet sich jetzt direkt an sie: Können Sie bitte gleich mit dazu kommen? Unsere Auszubildende kann solange das Telefon übernehmen...

Frau Radomskys Züge erstarren, sehr langsam dreht sie den Kopf, halb offen den Mund kurz, bis sie Worte findet: Wieso.... ich bin doch hier nicht die Geschäftsführung! Das geht mich doch gar nichts an!

Aber Sie haben die Zahlen für die Bank zusammengestellt, nur keine Angst... Sie können am besten erklären, wie die Zahlen entstanden sind!

Was er nicht sagt: Die Frau von der Bank wird mir nur das glauben, was sie auch in Ihren Augen lesen kann, Frau Radomsky.....

Jetzt wird sie rot, vor Aufregung, aber auch vor Ärger: gerade heute hat sie ihren ältesten Pulli an... Hätte er nicht früher sagen können, dass sie bei dem Gespräch dabei sein soll? Plötzlich ist sie sogar wütend auf sich selbst.... warum hat sie beim Sommerfest mit ihm getanzt?! Er ist keiner von uns, sagen alle...

Keine Angst, ich beiße nicht, lacht die Frau von der Bank freundlich, bevor sie mit dem Geschäftsführer in sein Büro weitergeht.

Frau Radomsky schwankt zwischen Verweigerung und Misstrauen, schließlich siegt die Neugier.... sie folgt und schließt die Tür.

Die Eckdaten werden besprochen: Für den Erwerb der Firma soll ein Geschäftsdarlehen mit günstigen Zinsen beantragt werden... Da kann ich Ihnen einen Zinssatz von fünf-komma-acht Prozent anbieten, lächelt die Frau von der Bank.

Zur Absicherung der zukünftigen Arbeit wird ein Kreditrahmen in Höhen von drei Monatsumsätzen ausreichen.... Ihren Geschäftskredit richten wir am besten als Kontokorrent ein, sagt die Frau von der Bank, Zinsen fallen nur an, solange der Rahmen tatsächlich beansprucht wird!

Die freundliche Frau von der Bank beginnt, zwei Anträge auszufüllen: Wie sind Ihre Sicherheiten?

Das Stammkapital für die neue Gesellschaft kann ich aufbringen, sagt er und denkt kurz daran, dass es nicht sein eigenes Geld ist: Das entspricht etwa einem Monatsumsatz....

Das Geld fließt doch in diese Firma, stellt sie fest und fragt: Wertpapiere, Immobilien?

Frau Radomsky hält den Atem an.

Aber es geht auch ohne Sicherheiten, fährt die Frau von der Bank nach einer kurzen Pause fort: Wir können für die Firma eine Ausfallbürgschaft beantragen, diese Bürgschaften werden vom Land gefördert, um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen.... Sie holt einen neuen Formularsatz aus der Tasche und die Zahlen, die Frau Radomsky ihr schon geschickt hatte, ein paar Stellen hat sie farbig markiert.

Warum gibt Frantz den Laden nicht einfach ab, wenn er unsere Gewinne nicht mehr einstreichen will.... denkt Frau Radomsky in diesem Moment, hat sich doch nie um uns kümmern müssen, wir machen einfach weiter wie bisher....

Persönlich haften Sie natürlich auch noch, so sind unsere Vorschriften, sagt die Frau von der Bank, aber wenn die Firma die Gewinne nicht mehr an den Frantz-Konzern abführen muss, sind Sie ja bald aus dem Schneider... wichtig ist nur, dass Ihre Umsatzzahlen stabil bleiben..... dann brauchen Sie den Kontokorrent gar nicht in Anspruch zu nehmen...

Danach reden sie noch über die Ziele der nächsten Zeit, insbesondere über die Anfragen aus den Nachbarlandkreisen und aus der Landeshauptstadt Magdeburg. Schließlich verabschiedet sich der Gast.

Sie hören noch von uns, aber es sieht gut aus! lacht Frau Bank fröhlich.

Zehn-komma-fünf Prozent für den Kontokorrent, denkt Frau Radomsky bitter, das ist fast ein Prozent pro Monat!


Pecunia non olet: Geld stinkt nicht, sagten die alten Römer.... wir sollten nicht vergessen, dass der homo sapiens kein natürliches Sensorium für die Wirkung von gewissen Strömungen hat... weswegen wir unsere Kinder lehren müssen, mit Steckdosen vorsichtig umzugehen...



Hier endet der 314. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

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