Kannibal Sarrazin

Desperate Despoten: In diesem Blog treibt ein bäriger Despot sein listenreiches Unwesen, hier der Prolog

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Ein Gerücht aus der Zeit bevor die Piraten kamen. 18.08.20?? Im Logbuch des archinaut: ist eine wahre Lügengeschichte einzutragen:


Sehr beliebt war der Berliner Despot Wow I. (Wow der Erste). Die Bürger, Handwerker und Fischer der Spreeinseln freuten sich über seine Großzügigkeit. Wow I. war ein freigiebiger Despot und pflegte sein gemütvolles Image mit ausufernden Gelagen in seiner Roten Residenz.

Glanz, Geist und Freiheit auf den Berliner Inseln zogen viele Menschen aus allen Ländern des Erdenrunds an. Bevölkerungswachstum war ein erprobtes Programm gegen Vergreisung und Altersarmut, das die weitsichtigen Herrscher in den brandenburgischen Steppen seit vielen hundert Jahren pflegten. So lebte der Despot glücklich mit seiner huldvollen Herzensfreundin Marie-Antoinette.

Eines Tages nun kam die liebreizende Marie-Antoinette zu ihrem Anbeter: „Größter Wow aller Preußen, der Kuchen ist alle, Deine Insulaner leiden Hunger. Seit Monaten gab es kein Fleisch mehr auf dem Markt zu kaufen. Das Meer trieb fort, damit auch der Fisch. Und die Ernten fraß der Waldbrand!“

Sie sprach die Wahrheit: Kartoffeln mit Quark war aus, Sushi, das Glück der Meere, zog nur noch durch die duftenden Träume der Landeskinder, und die Asche unter den geflammten Drehspießen blieb kalt: der letzte Kebab irrlichterte als verblassende Erinnerung durch die Berliner Herzen.

Der Despot rief einen Hexenmeister aus der Ferne. Kannibal Sarrazin war sein Name, und ihm eilte der Ruf voraus, er könne Asche in Fleisch verwandeln. Eines kalten Morgens stand er im Foyer der Roten Residenz mit einem schmalen Lächeln: „Gebt mir Gedankenfreiheit, Sire!“ Der Despot ernannte ihn zum Senator für Fleisch, und Kannibalbegann zügig sein Werk.

Als erstes schied er die Menschen in zwei Kasten, er nannte sie Fleischnehmer und Fleischgeber. Die reichsten Bürger durften sich fortan Fleischnehmer nennen, die große Mehrzahl der Bürger und Handwerker fand sich allerdings in der Kaste der Fleischgeber wieder. Verständlicherweise kam Unruhe auf, aber Senator Kannibal zog klare Grenzen: Verurteilte Diebe und Täuscher konnten ihre Freiheit erkaufen durch Abgabe ihres linken Arms als Spende in die verwaisten städtischen Fleischlager.

Nur die Fleischnehmer hatten das Recht, die Ware aufzukaufen, sie durch Zugabe anderer Nährstoffe zu veredeln und in ihren Kontoren zu feilzubieten.

Unter den Linden feuerten die Fleischer die ersten Drehspieße an, und die Hungrigen gewöhnten sich an das neue Aroma. Geächtet waren die Einarmigen, obwohl sie doch ihr Opfer für die Gemeinschaft gegeben hatten. Von den Fleischtheken hat man sie verjagt.

Zur besseren Versorgung der Berliner Insulaner gab der großzügigeKannibal auch den Fahnenflüchtigen und Menschenschindern die Freiheit zurück, wenn sie ihr linkes Bein opferten. Mörderfleisch wurde zu jener Zeit bereits an die Lachse und Aale verfüttert, die von den Fischern in den flachen, sumpfigen Havelbuchten herangezogen wurden.

Sushi, Kebab und Bulette überflutete die Mägen und Därme der Landeskinder wie eine große Woge vormenschlichen Glücks. Die Haifische wurden wieder heimisch vor Berliner Strandpromenaden. Immer üppiger drehten sich die Spieße, die Holzkohlefeuer erloschen nicht mehr auf den Inseln von Wow I.

Der aber war ein kluger und weiser Despot. Eines Morgens besprach er sich mit seiner Herzensfreundin Marie-Antoinette und bestellte seinen Senator für Fleisch dann in die Rote Residenz.

„Ein wackerer, furchtloser Mann bist Du, Senator Kannibal, Du bist für höhere Aufgaben geboren: Wir wollen Dich in den Rat der Weisen entsenden, heute werden wir Dein Gewicht mit Gold aufwiegen, das wird Dein Abschiedsgeschenk, damit Du immer gern an unsere Inseln zurückdenken kannst und uns wohl gesonnen bleibst.“

Kannibal Sarrazin wurde in die Kapitalschlacht auf den internationalen Finanzmärkten entsandt, wo er verwesende Geld- und Buchwerte mit morgenländischen Prinzen und abendländischen Repräsentanten verhandeln soll.

Auf den fleischreichen Inseln im Berliner Atoll aber beginnt man sich zu wundern, wo die Kinder geblieben sind. Gestern haben sie noch am Strand gespielt.

Die Zwergkaninchen schütteln sich. Sie haben immer gewusst, dass bei manchen Menschen eine Seerose im Kopf wächst. Zum Glück ist es ja nur eine alte Lügengeschichte, denken sie. Sie hoffen auf die Weisheit des Nussbaums.



Hier endet der 24. Eintrag: Dieser Blog ist fiktiv und getrieben von automatischer Niederschrift. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

Nachtrag: zu diesem Blog gibt es eine Fußnote

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Hier die Chronik der Peinlichkeiten:

Prolog: Kannibal Sarrazin

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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