Nicht in meinem Namen

Ostharz: Kreativität und Urheberei - ein Roman in Fragmenten

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Wollen Sie den Kammerbeitrag für Herrn Obermeyer weiter bezahlen? fragt Frau Radomsky, sie sitzt gerade an der Monatsabrechnung und hat Einsparpotential entdeckt: Wir müssen doch sparen! Der neue Chef fragt zurück: Den Beitrag für die Architektenkammer?

Wer bei der Kammer registriert ist, darf die Berufsbezeichnung führen. Mit der Bezeichnung Architekt oder Architektin ist der oder die Eingetragene berechtigt, als Entwurfsverfasser die Bauvorlagen für einen Antrag auf Baugenehmigung zu unterzeichnen. Die Kammer vergibt den Stempel mit Eintragungsnummer und Landeswappen.

Unterzeichnet Herr Obermeyer die Bauanträge seiner Projekte? fragt der Chef nach. Nein, die Unterschrift kommt immer vom Geschäftsführer, sagt Frau Radomsky bestimmt, Herr Kobold war deswegen bei der Ingenieur- und bei der Architektenkammer eingetragen, er hat alle Bauanträge unterschrieben! Dann werden wir für Obermeyer in Zukunft nicht zahlen, oder? Sie selbst stehen doch auch in der Liste!

Aber der neue Chef sieht es anders: Die Entwurfsverfasser sollen ihren Entwurf selbst unterschreiben, sagt er. Sie müssen vertreten, was sie entwerfen. Bei mehreren erfahrenen Architekten in der Firma gibt es eben unterschiedliche Handschriften! Er muss jetzt an die Diskussionen hier im Büro denken.Er will seinen Namen nicht unter jeden Entwurf setzen.

Frau Radomsky zieht die Brauen so hoch es geht: Das geht doch nicht! Soll Obermeyer dann auch das Honorar bekommen?

Nein, Bauprojekt schließt den Vertrag mit dem Auftraggeber, aber eine juristische Person, also eine Firma, kann gar nicht entwerfen, ...... nur natürliche Personen können kreativ sein, sagt er, dafür zahlt die Firma das Gehalt! Sie straft ihn mit einem vernichtenden Blick: Bauprojekt ist eine Firma, da muss der Geschäftsführer alles unterschreiben!

Nicht jede Idee ist gut, die der neue Geschäftsführer einbringt, denkt sie wütend, typisch Wessi, und spitzt ihre letzte Waffe: Frau Keyser ist auch Architektin! Die zahlt ihren Beitrag aber selbst!

Ja, mit Frau Keyser muss er jetzt reden. Als er ihr Büro betritt, findet er sie vertieft in den Entwurf für ein Lagergebäude, angespannt starrt sie auf den Bildschirm.

Frau Keyser, Sie sind in der Liste der Architektenkammer, habe ich gehört, beginnt er das Gespräch. Sie wird rot im Gesicht und unruhig in allen Gliedern, nervös antwortet sie: Ja, ich war zwei Jahre lang selbständig, aber es hat nicht geklappt, ich hatte nicht genug Aufträge..... seitdem bin ich eingetragen, aber es hat nichts zu bedeuten, ein Büro will ich nie wieder aufmachen, ich kann jederzeit austreten....

Warum, sagt er, es ist doch gut, dass Sie eingetragen sind.... ich möchte, dass Sie in Zukunft als Entwurfsverfasserin selbst unterschreiben, wenn Sie Ihren Entwurf zur Genehmigung an die Bauaufsicht geben!

Die Architektin rollt mit den Augen und beginnt zu hyperventilieren: Das geht doch nicht, der Geschäftsführer muss alle Anträge unterschreiben! Herr Kobold hat das immer gemacht!

Nein, sagt der neue Chef, der Geschäftsführer unterschreibt den Vertrag mit dem Bauherrn, er haftet auch dafür. Der Auftraggeber kann sich darauf verlassen, dass alle Leistungen vollständig und mängelfrei erbracht werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Geschäftsführer jeden Entwurf selber zeichnet. Sie selbst haben mir oft vorgehalten, dass ich nicht weiß, was die Auftraggeber hier in Quedlinburg sehen wollen, auch bei diesem Lagergebäude, an dem Sie gerade arbeiten, waren Sie anderer Meinung als ich. Wir müssen uns über die Gestaltung nicht länger streiten, Frau Keyser.... Inzwischen sind Sie ja beim Auftraggeber bekannt, vertreten Ihr Vorhaben und besprechen alles direkt mit ihm, auch fachlich beherrschen Sie alles, was für die Planung notwendig ist.... daher möchte ich, dass Sie in Zukunft Ihre Entwürfe selbst unterzeichnen!

Frau Keyserwollte ihn mehrfach unterbrechen, jetzt ist sie viel zu aufgeregt, nur noch ein empörtes: Das haben wir noch nie so gemacht! entfährt ihrer bebenden Unruhe.

Dafür zahlt die Firma natürlich in Zukunft Ihren Kammerbeitrag, sagt er, ebenso wie bei Herrn Obermeyer auch!

Durch die letzte Bemerkung des neuen Chefs wächst die unbestimmte Angst der angestellten Architektin zu einer finsteren Zornwolke des Misstrauens: Da muss ich erst meinen Mann fragen, der ist Anwalt! Zu Ihrer Idee sage ich jetzt gar nichts mehr!

Vielleicht kann es auch Entwürfe geben, die wir gemeinsam als Entwurfsverfasser unterzeichen, Frau Keyser, wenn wir uns irgendwann zusammengerauft haben und über die Häuser einig sind, die wir unseren Bauherrn präsentieren wollen....

Aber Frau Keyser bearbeitet ihre Tastatur mit nervöser Inbrunst und schaut nicht mehr auf.

Hier endet der 250. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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