Dortmund soll "Inter-tabac ASIA" absagen

Petition Eine Tochter der Stadt Dortmund organisiert eine Tabakmesse in Indonesien. Es wird angeprangert, man fördere damit indirekt die Tabakvermarktung.

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Rauchen ist ungesund. Rauchen kann töten. Heutzutage bestreiten das wohl nicht einmal schwer nikotinsüchtige Mitmenschen. Gewiss auch die Stadt Dortmund nicht. Es gibt das Nichtraucherschutzgesetz auf deren Einhaltung mehr oder weniger geachtet wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrollieren im Stadtgebiet. Treffen sie Kinder und Jugendliche beim Rauchen an, konfiszieren sie die Zigaretten und informieren die Eltern.

Yosef aus Indonesien und Max aus Dortmund fordern: Stadt Dortmund muss "Inter-tabac ASIA" absagen

Wie aber ist es zu erklären, dass eine Tochter der Stadt Dortmund mit dem Tabakhandel in Indonesien - vorsichtig ausgedrückt - in Verbindung gebracht werden könnte, während zuhause gegen das Nikotin gekämpft wird? Noch dazu, wo Zigaretten in Indonesien an Kinder legal verkauft werden dürfen!

Es hat vielleicht damit zutun, dass der Kapitalismus vielfach janusköpfig daher zu kommen pflegt. Die Stadt Dortmund hat eine Tochter, die Westfalenhallen Dortmund GmbH. Das Messeunternehmen organisiert am 27. und 29. Februar 2014 erstmalig die Tabakmesse "Inter-tabac ASIA" im fernen Indonesien.

Yosef Rabindanata Nugraha (22) aus Bogor (Indonesien) und der Dortmunder Max Vollmer (27) vom Deutschen Jugendschutzverband meinen, damit fördere die Stadt Dortmund "indirekt die Tabakvermarktung in einem Land, in dem Kinder nicht vor den Gefahren des Rauchens geschützt werden". Die Forderung der jungen Männer lautet deshalb: Die Stadt muss die Tabakmesse "Inter-tabac ASIA" absagen. Zur Information: Die Tabakmesse in Indonesien ist keine Verbrauchermesse.

Verbündeten via Internet gefunden

"Mich", erklärt Yosef Rabindanata Nugraha aus Indonesien, "haben sie gekriegt, als ich 12 Jahre alt war. Ich habe es zum Glück geschafft, mit 19 Jahren wieder mit dem Rauchen aufzuhören, aber viele meiner Freunde nicht. Ich möchte nicht, dass mein Land eine Zielscheibe für die Zigarettenindustrie ist."

Max Vollmer aus Dortmund ist entsetzt darüber, "dass sich meine Heimatstadt so unverantwortlich am Tabakgeschäft beteiligt.Der Oberbürgermeister ", beklagt Vollmer "und die Stadtratsfraktionen sind bisher nicht bereit, etwas an der Situation zu ändern. Sie entziehen sich einfach ihrer Verantwortung. Als ich erfahren habe, dass Dortmund diese Tabakmesse in Indonesien organisiert, wollte ich sofort etwas dagegen tun. Ich habe im Internet nach Verbündeten in Indonesien gesucht und dabei Yosef und seine Organisation Indonesia Bebas Rokok gefunden. Wir haben uns sofort verstanden.

Es ist so schwierig, etwas gegen die globale Tabakindustrie zu tun. Jetzt gibt es eine konkrete Möglichkeit, die eine große Wirkung hat. Wenn viele Menschen unterschreiben, kann die Stadt keine Investitionen gegen den Willen ihrer Bürger tätigen."

Zur Petition geht es hier. Sie wurde über das Portal Change.org gestartet. Darin wird von "Ullrich Sierau, Oberbürgermeister Dortmund, und Friedhelm Sohn, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Westfalenhallen GmbH" gefordert:

"1.) Stoppen Sie die Inter-tabac ASIA 2014.

2.) Weisen Sie die Westfalenhallen Dortmund GmbH an, keine Tabakmessen mehr in Entwicklungs- und Schwellenländern zu organisieren.

3.) Distanzieren Sie sich in einem öffentlichen Statement von der Tabakindustrie."

Tabakindustrie sucht nach neuen Absatzmärkten

Ein Grund für das Engagement der Zigarrettenindustrie könnte der Rückgang der Zahlen von Raucherinnen und Rauchern in den westlichen Industrieländern sein. Nun ist Tabakindustrie offenbar auf der Suche nach neuen Absatzmärkten in Entwicklungs- und Schwellenländern.

In Indonesien kann die Tabakindustrie noch zügellos agieren

"Indonesien", so erfahren wir durch die Petenten, "gilt unter Zigarettenfirmen als tabakfreundlich und rasch wachsender Absatzmarkt. Das Land gehört zu den weltweit ganz wenigen Staaten, in denen die Tabakindustrie noch zügellos agieren kann. Es gibt nahezu keine durchsetzbaren Gesetze, um die Bevölkerung vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen." Viele Jungen im Alter von 13 bis 15 Jahren sollen dort rauchen.

Förderung des Tabakverkaufs verstärkt Armut

Tabakkonsum gilt als Armutsproblem. "In Indonesien leben über 40% der 247 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner von weniger als 1,50 Euro am Tag (45 Euro/Monat). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt an, dass Raucherinnen und Raucher in Indonesien im Durchschnitt monatlich 28 Euro für Zigaretten ausgeben. Eine Förderung des Tabakverkaufs verstärkt folglich die Armut.

Dilemma bleibt Dilemma

Rauchen ist ungesund und kann töten. Die Stadt Dortmund und auch deren Oberbürgermeister Ullrich Sierau werden das sicher nicht anders sehen. Dadurch jedoch, dass eine Stadttochter aber nun eine Tabakmesse im fernen Indonesien organisiert, steckt man quasi in einem Dilemma. Die WHO gibt an, dass das Rauchen jährlich weltweit 6 Millionen Menschen den Tod bringt. Die alleinige Gesellschafterin der Westfalenhallen Dortmund GmbH, die Stadt Dortmund, tut unbestritten viel im Kampf gegen die schädliche Nikotinsucht. Andererseits trägt sie Verantwortung dafür, dass in ihrem Namen, sozusagen am andern Ende der Welt ein Produkt beworben wird, das eben diese Nikotinsucht fördert. Die Petenten kritieren das. Ärtze sind erbost. Nun hat man im Dortmunder Rathaus wohl ein schlechtes Gewissen. Weder war man dort bereit von Max Vollmer Unterschriften in Empfang zu nehmen, noch auf eine entprechende Nachfrage einen Vertreter der Stadt ins WDR-Landesstudio Dortmund zu entsenden, wo man sich am gestrigen Abend mit dem Thema beschäftigte. Der Kapitalismus kommt eben anusköpfig daher. Wie wäre der Zwiespalt, in welchen man sich vielleicht unbedacht hineinmanövriert hat, zu überbügeln gewesen?

Dass die Stadt sich nicht äußern möchte und auch alle Stadtratsfraktionen zurückhalten bleiben dürfte, ist bis zu einem gewissen Maße verständlich: Niemand will sich dafür stark machen, dass den Westfalenhallen Einnahmeeinbußen in zweistelliger Millionenhöhe entstehen. Weil klar ist, dass die Millionen eben dann an anderer Stelle wieder weggekürzt werden müssen. Das Dilemma bleibt ein Dilemma. Die Hoffnungen der Petenten, dass die Dortmunder Verantwortlichen die Messe in Indonesien abblasen, dürften sich indes kaum erfüllen. Aber liegen sie mit ihrem Anliegen völlig falsch? Drüber nachdenken sollte erlaubt bleiben.

Die Petenten werden unterstützt von der Kampagne Dortmund Kills und wird organisiert von Forum Rauchfrei, Deutscher Jugendschutzverband, Indonesia Bebas Rokok, Unfairtobacco.org und Stiftung rauchfrei leben.

WDR-Lokalzeit Dortmund vom 15.1.2014 mit einem Beitrag zum Thema.

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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