Dortmunder Antifa-Camp soll nicht sein

Protest gegen Nazis In Dortmund war ein Antifa-Camp mit zahlreichen über Nazi-Terror aufklärenden Veranstaltungen geplant. Es wurde verboten. Nun wurde aus Protest der Friedensplatz besetzt.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://www.readers-edition.de/wp-content/uploads/2012/08/2012-08-23-17.38.51-225x300.jpg"Ulla Jelpke überbrachte eine gute Nachricht, aber auch eine Hiobsbotschaft, Photo: privat"

Vor einer Wahlkampfveranstaltung der Partei DIE LINKE auf Alten Markt in Dortmund informierte die Bundestagsabgeordnete dieser Partei, Ulla Jelpke, über das erfreuliche Verbot des sogenannten Nationalen Widerstands. Bei einer polizeilichen Razzia am gestrigen Morgen waren etliche Wohnungen von Neonazis u.a. in Dortmund durchsucht worden (die Medien berichteten). Jelpke kam direkt mit Informationen aus dem Bundeskriminalamt auf den Alten Markt. Bei Bedarf, informierte sie, könne man entsprechendes Material über ihr Büro erhalten. Bei der Razzia u.a. in Dortmund-Dorstfeld (einer Hochburg der Neonaziszene) seien neben Waffen auch Informationsmaterial der NPD gefunden wurde. Was, Jelpke meinte, Vermutungen zu bestätigen scheine, dass der Nationale Widerstand Verbindungen zur NPD unterhält. Jelpke forderte abermals ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten. In Dortmund sind laut Portal „derwesten.de“ u.a. „zwei scharfe Schusswaffen, über 1000 Schuss Munition , eine Hitlerbüste, 68 Handys und 52 PCs als mögliche Beweismittel sichergestellt worden.“

Die Autonomen Nationalisten oder die Skinheadfront Dortmund, die man unter dem Begriff Nationaler Widerstand Dortmund zusammenfasst, waren kein eingetragener Verein.

Die Hiobsbotschaft

So weit so gut. Nach dem Ende der Wahlveranstaltung trat Ulla Jelpke abermals auf die Bühne. Diesmal mit einer Hiobsbotschaft. Ein gegen die Naziademo am 1. September geplantes Camp der Antifa sei verboten worden. Zunächst hatte es betreffs diesen Camps ein Gezerre zwischen Organisation, Stadt und Polizei gegeben. Nun war eine Lösung in Sicht. Und ein Platz für das Camp gefunden worden: Statt dem Stadtteil Dorsteld der Tremoniapark. Dort waren für einen Zeitraum von zehn Tagen Vorträgen, Workshops und Aktionen gegen die Dortmunder Neonaziszene geplant. Es sollte auch zu einer Diskussionsrunde zum Mord am Dortmunder Mehmet Kubasik kommen. Des Weiteren hatte man sich vorgenommen über die Morde der rechten Terroristengruppe NSU zu diskutieren. Jetzt kam also das Verbot. Lautstarke Empörung machte sich nach dieser negativen Mitteilung auf dem Alten Markt Luft. Buh-Rufe waren zu hören.

Zur Verbotsbegründung

Heute wurde Näheres über die Verbotsbegründung bekannt. Unter anderen hieß es in der Verbotsmitteilung: "Zudem ist davon auszugehen, dass es auch von außen zu erheblichen Provokationen kommen wird, die im Ergebnis zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen werden, u.a. hat die rechte Szene für den kommenden Freitag bereits einen Aufzug im Bereich des Tremoniaparks gegen das Antifa-Camp angemeldet."

Es gibt eine Erklärung des Auschwitz-Komitees zum Verbot des Antifa-Camps in Dortmund, datiert vom 23. August 2012:

Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, ist empört über das Verbot: "Das ist eine unsägliche, unverzeihliche und folgenschwere Provokation durch die Dortmunder Polizei und die Sicherheitsbehörden. Und eine Kapitulation vor der braunen Suppe. Die Antifas werden mal wieder mit den Nazis auf eine Stufe gestellt. Das sind unglaubliche Zustände hier im Deutschland des Jahres 2012!"

Nach wochenlangem Tauziehen mit den Dortmunder Behörden stand erst am 21. August als neuer Ort für das Antifa-Camp der Dortmunder Tremoniapark fest. Ursprünglich war es in Dortmund-Dorstfeld geplant.

Jetzt wurde das gesamte Camp kurzfristig verboten. Geradezu zynisch hört es sich an, dass "die zu den Themen Information und Bildung geplanten camp-begleitenden Maßnahmen […] aus Sicht der Stadt Dortmund durchaus durchgeführt werden" können. Akteure in Dortmund aber sind Antifaschist_innen, "ehrenamtlich" und freiwillig agierende Menschen, denen das "Nie wieder!" eine Herzensangelegenheit ist. Die nicht zulassen wollen, dass Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Andersseins stigmatisiert, verfolgt oder gar ermordet werden. Und die brauchen das Camp als Ort der Begegnung, des Austauschs und Unterstützung. Wir fordern vom Oberbürgermeister der Stadt Dortmund und seinen bedenkentragenden Vertretern der Polizei, des Ordnungsamts und der Feuerwehr DIE SOFORTIGE UND BEDINGUNGSLOSE RÜCKNAHME DES VERBOTS!

Mit Entsetzen haben wir vom heutigen Verbot des Antifa-Camps in Dortmund Kenntnis genommen. Das Camp ist schon langfristig vom 24.8. bis zum 2.9.2012 geplant. Da werden in der Neonaziszene in um um Dortmund heute große Waffenarsenale entdeckt, aber "im Interesse des städtischen Friedens", wie es heißt, wird daraufhin das Antifa-Camp verboten.

Die Polizei befürchtet Gewalt und bleibt beim Verbot. Die Antifa will bleiben

Die Nazi-Demonstration, die laut Polizei einer der Gründe für die Absage an das Antifacamp war, wurde am Freitagnachmittag durch die Polizei verboten. Die Polizei begründet ihr Verbot mit der Tatsache, dass die Anmelder der Demo Mitglied einer der am Donnerstag verbotenen Nazi-Organisationen war.

Die Polizei hält wohl damit die Sache für erledigt. Die Antifa und Linke dagegen nicht. Gerade der Zivilcourage vereinter Kräfte der Bürgerschaft sei es doch letztlich zu verdanken, dass endlich etwas gegen die braune Brut unternommen werde. Es bestehe nach wie vor Gesprächsbedarf. Schon deshalb, weil die Aufarbeitung der von der NSU begangenen Morde einige Fragen aufwerfe. Die Polizei befürchtet offenbar, wenn das Antifa-Camp stattfinde, anreisende gewaltbereite Linksautonome oder Provokationen von Seiten der Neonazis.

Die Lage stellt sich nun ziemlich verzwickt dar. Wie örtliche Medien berichten haben sich heute nachmittag ca. hundert Linke zu einer Spontandemonstration vor dem Dortmunder Rathaus eingefunden. Sie protestieren gegen das Verbot des Camps durch die Stadt. Die Lage sei friedlich, wird berichtet.

Ein Sprecher der Antifa habe verkündet: "Wir wollen hier bleiben.“

Alternative Veranstaltungsorte gesucht

Die Organisatoren des Camps rufen über ihre Webseite dazu auf, alternative Veranstaltungsorte vorzuschlagen: „Ob Bauer, Pfarrer, Jugendzentrum – Wer uns einen Platz anbieten möchte, der möge auf dem Friedensplatz vorbei kommen und mit uns ins Gespräch treten. Der schönste Platz gewinnt.“

Pfarrer Friedrich Stiller könnte vermitteln

Nun ist guter Rat gefragt. Beide Seiten sind auf die eine oder andere Art zu verstehen. Nur kann die derzeitige Situation – obzwar wie es scheint bislang friedlich – auch zu neuen Aufschaukelungen Anlass sein. Und es drängt sich einem der Eindruck auf, dass hier wieder einmal die Nazigegner mit den Nazis selbst gleichgesetzt werden. Was Ursache und Wirkung verwechseln hieß. Jedenfalls dann wenn man die Demonstrationen der einen mit denen der anderen quasi gleichsetzt. Das darf nicht geschehen. Das Neonazi-Problem ist akut. Was die NSU-Morde und die gestrigen Waffenfunde in Dortmund zeigen. Nun ist ein Zugehen der Stadtverantwortlichen sowie der Vertreter der demokratischen Parteien in Dortmund auf die Organisation des Antifa-Camps nötig. Zeitnah. Welcher Platz wäre dafür geeigneter, als der Friedensplatz, wohin sie ihren Protest gegen das Camp-Verbot in ihrer Not hin verlagert haben. Als Vermitler böte sich der engagierte Pfarrer Friedrich Stiller an, der in der Szene Vertrauen genießen dürfte.

Ein Lifeticker via "Ruhrbarone" informiert über das aktuelle Geschehen in Dortmund

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden