Rat an SPD: Blick zurück nach vorn

#GroKo Stolpert die SPD in die #GroKo? Nein: erstmal in Koalitionsverhandlungen. Doch schon erscheint #GroKo wie ein Menetekel. Hat die SPD aus früheren Fehlern gelernt?

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Schöne Erinnerungen an die Große Koalition? Geht so. Angela Markel und Franz Müntefering 2007
Schöne Erinnerungen an die Große Koalition? Geht so. Angela Markel und Franz Müntefering 2007

Foto: Andreas Rentz/ AFP/ Getty Images

Irgendwie verströmt dem Hashtag #GroKo – abkürzend für Große Koalition gesetzt – einen Hauch von Niedlichkeit. Jedenfalls können Freundinnen und Freunde von Twitter zunächst diesem Eindruck verfallen, wenn sie Meldungen mit diesem Hashtag versehen in ihrer Timeline aufflackern sehen. Nachdenklicher werden diejenigen Twitter-Nutzer, welche ihren Hirnskästen auf höchste Empfindlichkeit getrimmt und die neuesten Updates dazu verarbeitet haben. Dann hat nämlich dieser Hashtag nichts, was scheinbar auf ein niedlich anmutende Etwas hinweist. Und so überhaupt nichts von einer Art, was einen an ein putziges, süßes Tierchen denken lassen mag. #GroKo erscheint einen dann bei näherer Beschäftigung mit dem Dahinter schon eher wie ein an die Wand (Timeline!) projiziertes Menetekel. Und schon gar nicht mehr als etwas, das Putzigkeit verströmen könnte, sondern eben eher wie eine unheilverkündende Warnung!

Zweifel angebracht

Doch sind nun auch die führenden Genossen der SPD in der Lage dieses Vorzeichen zu lesen, vielmehr: das Dahinter zu erkennen und ihre Schlüsse daraus zu ziehen? Aus Erfahrung, so heißt es, wird man klug. Die SPD auch? Na, da darf der leidgeprüfte Demokrat und Bürger angesichts der gar nicht einmal so weit zurückliegenden Vergangenheit des Tuns der Genossen in der letzten Großen Koalition wohl so seine (berechtigten!) Zweifel haben.

Ist die SPD schon so gut wie eingemacht?

Klein, schmetterte einst einmal die damals von Claudia Roth gemanagte Band TON STEINE SCHERBEN, machen sie dich ein. Dessen eingedenk: Ist die SPD-Führung schon so gut wie eingemacht von Machtpolitikerin Angela Merkel? Oder macht sie sich schon vorauseilend ein und somit in die Hose, wenn sie nur daran denkt, wie Union und bestimmte Medien kübelweise Schimpf und Schande über sie gießen werden, wenn sie sich "staatspolitischer Verantwortung" durch ein Nein zur #GroKo entzöge und die Genossen wieder einmal vaterlandslose Gesellen geziehen würden? Die SPD hat ist vielleicht prädistiert dafür. Dieter Hildebrandt sagte einmal sinngemäß: Die SPD macht in jede Hose, die man ihr hinhält.

Den Mindestlohn und dann Schluss?

Sind die Genossinnen und Genossen an der SPD-Spitze vielleicht sogar schon jetzt dazu bereit ihre eingenässten Hosen aus- und damit trocken zu sitzen, wenn sie von der Union zwei Ministerpöstchen als Trostpflästerchen bekämen? Keck, konnten man lesen, habe die SPD für das Mittun in der #GroKo das Finanzressort und den Posten des Arbeits- und Sozialministeriums gefordert. Generös, wurde ebenfalls koportiert, sei die SPD bereit der Union den Außenminister zu überlassen. Nichts wahr daran, dementierte SPD-Chef Sigmar Gabriel sogleich. Na ja ...

Heute war in den Nachrichten von Funkhaus Europa etwa zu hören, die SPD wolle gar Steuererhöhungen abschwören und – ich übersetze es mal für mich so – bis 2017 der Köchin Merkel den Kellner machen. Was aber gedenkt die SPD durchzusetzen in dieser #GroKo, so die denn käme? Den Mindestlohn und dann Schluss?

Eine Rückschau von Christoph Butterwegge

Um die Gegenwart zu verstehen und in die Zukunft zu blicken kann ein Blick zurück hilfreich sein. Gestern fragten die NachDenkSeiten beispielsweise: "Wird die SPD aus Fehlern lernen? – Ein Rückblick auf die Große Koalition von 2005 – 2009"

Und veröffentlichte einen von Professor Christoph Butterwegge (Universität zu Köln) verfasste Rückschau unter folgender Überschrift: "Großzügig und kleinkariert. Rückblick auf die Regierungspolitik der letzten CDU/CSU/SPD-Koalition (2005-2009)"

Diesen Rückblick selbst ins Auge fassen empfehle ich den verehrten Leserinnen und Lesern. Erst recht denjenigen, welche irgendwie dem eigenen – oder von bestimmten Medien meinungsgemachten – Gefühl nach eine #GroKo für das im Monent Beste halten. Aber im Besonderen gilt diese Empfehlung freilich allen SPD-Genossen. In erster Linie aber der SPD-Führung selbst.

Butterwegges Rückschau – wir selbst sehen beim Durchlesen manches selbst wieder klarer und somit kritischer vor Augen – gibt wenig Anlass dafür sich eine Neuauflage von Schwarz-Rot zu wünschen. Aber kann die SPD nicht vielleicht doch aus den früheren Fehlern gelernt haben? Chistoph Butterwegge selbst schließt seinen Rückblick diesbezüglich eher skeptisch: "Die neue Bundesregierung wird höchstwahrscheinlich ebenfalls der Versuchung erliegen, Wahlversprechen zu brechen und Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen, wo die Lobbymacht der Betroffenen gering ist. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir am Vorabend einer "Agenda 2020", die den Bismarck’schen Sozial(versicherungs)staat in einen bloßen Fürsorge-, Almosen- und Suppenküchenstaat verwandeln kann. Die staatliche Unterstützung wird sich noch stärker auf die "wirklich Bedürftigen" konzentrieren, auf die Gewährleistung des Existenzminimums beschränken und auf eine "Gegenleistung" ihrer Nutznießer dringen. Dass sich der Sozialstaat darauf beschränkt, das Verhungern seiner Bürger/innen zu verhindern, dürfte allerdings weder im Sinne des Grundgesetzes noch in einer so wohlhabenden Gesellschaft wie unserer ethisch verantwortbar sein."

Schon wird zurückgeschossen

Die SPD ist also sehr gut beraten, vor einer Zustimmung zu einer Großen Koalition gut zurück- und nachzudenken. Denn schon wird gegen die Einführung des Mindeslohns miese Stimmung gemacht. Quasi: zurückgeschossen. Dafür hergeben sich auch nach dem Motto "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" handelnde, gar nicht so unabhängige Wirtschaftsinstitute. Die NachDenkseiten titelten: "Pünktlich zu den Sondierungsgesprächen: Herbstgutachten gibt Kanzlerin Schützenhilfe gegen Mindestlohn und Steuererhöhungen" Und die Springerpresse gibt sich auch wieder besorgt. Ein Mindeslohn von 8, 50 Euro malt sie ein weiteres Mal als ersten Schritt zum Untergang Deutschlands, weil angeblich Auslöser von erhöhter Arbeitslosigkeit, an die Wand. Dass Untersuchungen zu den Auswirkungen eines Mindestlohnes, auch aus anderen Ländern, keinerlei Beweise dafür liefen, ficht die Springerschmierfinken nicht an.

Und der schlimme Finger INSM (Initiative Neue Soziale Markwirtschaft) läßt einen gewissen Wolfgang Clement, einen nicht weniger schlimmer Finger, der einst einmal Sozialdemokrat gewesen sein will, für eine "Agenda 2020" klingeln.

Bereits jetzt könnte die SPD den Kanzler stellen

Gute Zeiten für einen Eintritt der SPD in eine Große Koalition? Man darf skeptisch sein. Natürlich ist noch nichts entschieden, ich weiß. Aber werden die Signale in Richtung #GroKo nicht dennoch bald hochschnellen? Nicht nur der wie ein Menetekel in den Twitter-Timelines auflackernde Hashtag #GroKo nähert diesbezügliche Befürchtungen.

Indessen lassen diverse SPD- und Grüne-Strategen sachte gucken, dass sie 2017 doch andere Koaltionskonstellationen in Betracht zu ziehen bereit sein werden.

Macht jetzt aber die SPD erst einmal in die Hose, respektive in die Große Koalition? Was wird dann nach vier Jahren noch von ihr übrig sein? An der Basis grummelt es gewaltig, hört und liest man. Sigmar Gabriel ist schon jetzt Beschimpfungen von den Genossen da unten ausgesetzt. Shit-Stürme sind nicht ausgeschlossen für den Fall, die Führung kippt um und in Mutti Merkels #GroKo-Bett. Dabei hätte bereits jetzt alles geritzt sein und die SPD den Bundeskanzler stellen können! Hätte, hätte, Fahrradkette. Wollen die Genossen vielleicht überhaupt nicht regieren? Und noch eine Frage: Möchte die SPD nicht wieder sozialdemokratisch werden? Fragen über Fragen. Na denn, liebe SPD in diesem Sinne: Vorwärts (wohin?) und nicht(s) vergessen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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