Wie Swoboda "Vierte Gewalt" versteht

Ukraine Ukrainische Swoboda-Leute zwangen TV-Direktor mit Gewalt Rücktrittserklärung zu unterschreiben. Ihr Anführer ist im Parlamentsausschuss für Pressefreiheit (sic!).

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Die ukrainischen "Revolutionäre" haben ihre Lektion gelernt. Sie wissen wie nach einer Revolution zu verfahren ist. Haben sie etwa bei Wladimir Iljitsch Lenin gespickt? Jedenfalls ist ihnen klar welche wichtigen Institutionen nach der Machtübernahme zuerst unter Kontrolle zu bringen sind. Wichtige Gouverneursposten im Lande sind inzwischen mit von eigenen Parteigängern besetzt. Post- und Telegraphenämter sowie Bahnhöfe dürften ebenfalls einigermaßen unter Kontrolle sein. Heutzutage sind freilich auch elektronischen Massenmedien ordentlich auf Linie zu bringen.

Beim Nachkommen der Informationspflicht dachte sich der ukrainische TV-Direktor Alexander Panteleymonow nichts Böses

Ein Programmdirektor des staatlichen Fernsehsenders NTKU, Alexander Panteleymonow, sah sich offenbar von den neuen demokratischen Verhältnissen durchaus bestärkt. Demnach hatte er sich entschlossen seiner Informationspflicht ordentlich nachzukommen. Und zwar selbst im Fall des Falles, der seinem Heimatland mehr als nur schwere Bauchschmerzen verursacht: Den Verlust der Krim. So hob der TV-Direktor die Fernsehübertragung der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putins sowie die Unterzeichnung des Vertrages über die Eingliederung der Krim in die russische Föderation ins Programm. So wie es andere Fernsehanstalten in Europa oder anderswo eben auch taten. Nicht, weil sie Putin besonders mögen oder die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation befürworten - sondern um ihrer Informationspflicht nachzukommen.

So dachte sich der verantwortliche TV-Direktor offenbar auch nichts Böses dabei. Er hatte aber die Rechnung sozusagen ohne den Wirt - die neuen (illegitimen) Machthaber in Kiew gemacht. So erhielt der Fernsehdirektor umgehend Besuch von Mitgliedern der rechtspopulistischen ukrainischen Swoboda-Partei. Swoboda heißt übrigens Freiheit. Und infolgedessen nahmen sich einige dieser Parteimitglieder dann eben auch die Freiheit dem TV-Direktor in Sachen Swoboda eine Lektion zu erteilen. Die Übertragung der Rede des russischen Präsidenten zur Eingliederung der Krim in die Russische Föderation passte augenscheinlich für sie nicht zur neuen ukrainischen Freiheit. Sie warfen dem TV-Direktor vor russische Propaganda betrieben zu haben.

Unter den "Delegierten" welche den TV-Direktor "besuchten", stach besonders ein Herr mit Zopf ins Auge, dessen Physiognomie an Typen aus Mafia-Filmen, Vertreter eines Inkassobüros oder auch Zuhältergestalten aus westlichen Filmen erinnerte. Üble Burschen, die arme ukrainische Prostituierte in Deutschland oder anderswo in diversen Bordellen für sich auf der Matratze rackern lassen.

Wer zahlt, bestimmt auch die "Musik"

Die Herren waren jedoch weder das Eine noch das Andere, sondern Mitglieder des - wie der Westen glaubt - demokratisch gewählten ukrainischen Parlaments (sic!) sind. Zunächst brachten die Männer ihre "Programmkritik" verbal vor. Aber bereits sichtlich aggressiv. Dann schubste man Alexander Panteleymonow durch sein Büro und gegen dessen Schreibtischsessel. Panteleymonow arbeitete immerhin beim staatlichen Fernsehen. Und der Staat hat eine neue Führung. Wie heißt es doch so schön: Wer zahlt, bestimmt auch die Musik. Und nun wird eben fortan eine andere "Musik" gespielt. Was also wollten die Freiheitsapostel vom TV-Direktor? Nichts weniger als dessen Demission. Die war von den feinen neuen Demokraten praktischerweise schon vorbereitet und ausgedruckt. Wir kennen das aus Kriminal- oder Mafiafilmen. Noch zögerte Alexander Panteleymonow. Aber bald schon verpasste die Swoboda-Leute ihm weitere Püffe und "überzeugten" ihn schließlich so die Unterzeichnung seiner Rücktrittserklärung vorzunehmen.

Nebenbei bemerkt: Da kann Markus Lanz aber froh sein, dass er beim ZDF arbeiten darf! Er kam für die unwürdige Behandlung der LINKE-Politikerin Sahra Wagenknecht mit einem Shitstorm und einer Petition gegen ihn davon.

Und auch Alexander Panteleymonow kann gewissermaßen von Glück reden. Der gewesene TV-Direktor dürfte zwar fürderhin arbeitslos sein; aber wie wäre es ihm zu Zeiten der Französischen Revolution ergangen? Da gab es freilich noch kein Fernsehen. Aber ebenfalls Leute, die nicht mehr in die neue Zeit passten. Die Guillotinen hatten damals gut zu tun ...

Auch das ist anders als zu Zeiten von Robespierre und Co.: Die feinen Swoboda-Demokraten filmten ihren "Besuch". So ist überliefert und im Netzt abrufbar, wie ein ukrainischer TV-Direktor "überzeugt" wurde, die Konsequenzen aus einem "Fehler" zu ziehen. (Hier das Video vom Besuch der Freiheitsapostel.)

Den Bock zum Gärtner gemacht

Nachzutragen wäre noch eine nicht unwichtige Kleinigkeit, die allerdings das Bild sozusagen abrundet: Der Anführer der Attacke auf den TV-Direktor (der mit dem Zopf), der die Putin-Rede über den Sender gehen ließ, Igor Miroschnitschenko, ist Mitglied des Parlamentsausschusses für Pressefreiheit. Noch Fragen? Nun wurde offenbart und in Tat, Bild und Ton eindrucksvoll verdeutlicht, was die Swoboda-Partei unter Pressefreiheit versteht. Dass dabei mit Miroschnitschenko der Bock zum Gärtner gemacht wurde ist offensichtlich. Und reicht. Da will man erst garnicht die restlichen Mitglieder des Parlaments für Pressefreiheit kennenlernen. Aber die neuen ukrainischen "Demokraten" üben ja noch. Womöglich haben sie den Begriff Vierte Gewalt nur falsch verstanden. Wie geht es weiter in der Ukraine? Man hört schon munkeln es seien in der Ukraine neue härtere Gesetze angedacht. Etwa gegen "Verräter". Vielleicht gar die Todesstrafe?

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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