Caritas versus Cash

Protz Verschwendung unterscheidet uns vom Tier. Sie ist ein Zeichen von Macht. Man sollte sich deswegen nicht sonderlich über den „Protz-Bischof“ aufregen
Ausgabe 43/2013

Wie nennt man es, wenn jemand bei Ebay 188.938,88 Euro für einen sechs Jahre alten Golf hinblättert? Wahnsinn? Oder handelt es sich am Ende um ein profanes Beispiel religiösen Mehrwertes? Schließlich ging es um den letzten Wagen, den Kardinal Ratzinger gefahren ist, bevor er zu Papst Benedikt wurde. Das Geld zahlte ein ganz normaler Mensch, für den seine verschwenderische Tat auch ein göttliches Bekenntnis war.

Leonardo da Vinci hat für sein Mailänder Abendmahl nicht einmal einen Bruchteil von 31 Millionen bekommen – heute ist es unbezahlbar! Aber die Geschichte der Kirche ist eben auch die Geschichte des Protzens. Und der Protz – das lernen wir – verwandelt sich nach Jahren zu einem Wert an sich. Zugegeben, Franz-Peter Tebartz-van Elst ist Bischof und kein Papst. Und seine Chancen, es jemals zu werden, sind, gelinde gesagt, klein. Aber was, wenn in, sagen wir 500 Jahren, die Designerbadewanne mit zwei komfortablen Nackenstützen aus Limburg auf Ebay versteigert wird? Wer weiß, was dann herauskommt? Zugegeben, derzeit scheint es so, dass der Bischof Kohle in überflüssigen Luxus verwandelt. Aber ist es nicht auch so, dass Verschwendung in göttlichen Sphären grenzenlos zu sein hat und die Verpulverung des Überschusses erst die göttliche Souveränität behauptet?

Verschwendung als Massenversprechen

Im Sinne des Philosophen Georges Bataille sollten wir bei Tebartz-van Elst also nicht vom „Protz-Bischof“, sondern vom Bischof der Verschwendung reden. Und die ist nach Bataille ein Urprivileg der Religion und ein archaischer Ausdruck menschlichen Daseins – denn die Verschwendung unterscheidet uns vom Tier. Und sie ist immer Zeichen der Macht. Zu sehen nicht nur in Limburg, sondern auch in der profanen Welt von Elbphilharmonie und Berliner Flughafen. Verschwendung ist hier sogar zu einem Versprechen für die Massen geworden: Unsere Gesellschaft strebt die Verschwendung als Ausdruck individueller Göttlichkeit an. Letztlich aber ist sie die Freiheit des Unnützen, gegen die Zweckrationalität Gerichteten. Und sie kann vom Ende eines Systems künden. Bataille, der in den dreißiger Jahren einer kommunistischen Splitterpartei in Frankreich angehörte, erklärt das so: „Überschüssige Energie kann zum Wachstum eines Systems verwendet werden. Wenn das System jedoch nicht mehr wachsen und der Energieüberschuss nicht gänzlich vom Wachstum absorbiert werden kann, muss er notwendig ohne Gewinn verlorengehen und verschwendet werden, willentlich oder nicht – in glorioser oder in katastrophischer Form.“

Allein Papst Franziskus scheint all das noch nicht begriffen zu haben. Er ist einer der wenigen Würdenträger, die daran zu glauben scheinen, dass der Erfolg des Christentums genau darin liegt, dass es die erste Religion war, die das verschwenderische Opfer (Kinderopfer, Tieropfer) abschaffte, den Tod Jesu als ultimatives Opfer begriff und damit jede Form des Überflusses auflöste. Stattdessen sollten überschüssige Energien nun in Wohltaten münden – in die Caritas.

Heute sind der Papst, der sich nach dem Bettler Franziskus nennt, und der Verschwender-Bischof Tebartz-van Elst die archetypischen Gegenpole einer Religion, die ihrem Ende entgegenzustreben scheint. Der eine reagiert mit Caritas, der andere mit Cash. Es sieht aus, als würde der Papst glorios siegen und sein Bischof kläglich scheitern. Aber das letzte Wort wird gesprochen, wenn der Limburger Bischofssitz bei Ebay versteigert wird.

Axel Brüggemann ist Publizist

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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