Frank Schirrmacher- eine Nachbetrachtung

Medizin im Alltag Schirrmacher weilt nicht mehr unter uns Lebenden. Neben der Trauer um den frühen Tod drängt sich die Frage auf: Welche Medizin hätte ihn weiterleben lassen?

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Nun hat er sich fortgemacht, und allen Fünfzig-Plussern ( ich bin auch ü50) setzt sich wegen des nachdrücklichen memento mori-Menetekels, das sich an einem "Mann im besten Alter" zeigt, die Offensichtlichkeit der eigenen Sterblichkeit kalt in den Nacken.

Plötzlicher Herztod, Herzversagen, Herzinfarkt wie immer man das auch nennt, Schirrmachers Tod ist kein Einzelfall. Auch der Herztod von Prominenten wie Nestor Kirchner, dem ehemaligen argentinischen Staatspräsidenten, dem italienischen Tycoon Pietro Ferrero oder dem Filmproduzenten Bernd Eichinger erfolgte weit vor dem statistisch wahrscheinlichen Sterbealter und zeigt, dass medizinische Betreuung trotz bester finanzieller Voraussetzungen mitunter unzureichend sein kann. Sogar intensiv betreute junge Leistungssportler sterben an akutem Herztod, wie z. B. der Österreicher Besian Idrizay im Alter von 22 Jahren oder der mexikanische Fußball-Nationalspieler Antonio de Nigris mit 31 Jahren.

Dies, obwohl die Studiendaten z. B. der Interheart-Studie (Yusuf S, et al: Effect of potentially modifiable risk factors associated with myocardial infarction in 52 countries (the INTERHEART study): case-control study. Lancet. 2004 Sep 11–17;364(9438):937–52. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15364185) als Beleg gesehen werden, dass die meisten Fälle von frühzeitigem Herzinfarkt durch geeignete Vorsorge vermieden werden könnten, weil mit einem einfachen Risikofaktorenmanagement in der klinischen Praxis mehr als 90 % der Infarkte vorausgesagt werden könnten.

Nach der Interheart-Studie (die Prozentzahlen beziehen sich auf den Bevölkerungsanteil) sind Lipidstoffwechselstörungen (49,2 %), Rauchen (35,7 %), psychosoziale Faktoren (32,5 %), abdominelle Fettsucht (20,1 %), Hypertonie (17,9 %) und Diabetes mellitus (9,9 %) Risiken für eine kardiovaskuläre Erkrankung. Eine obst- und gemüsereiche Ernährung (13,7 %), regelmäßige Bewegung (12,2 %) und leichter Alkoholkonsum (6,7 %) sind Schutzfaktoren, die jedoch nur bei einem verhältnismäßig geringen Bevölkerungsteil als Gegenstrategien angezeigt seien.

Die Vorbeugung gegen Herzversagen scheint ganz einfach zu sein, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schreibt:

"Die n-3 Fettsäuren werden als die präventiv wirksamste Fettsäurengruppe in Bezug auf das Risiko für koronare Herzkrankheiten (KHK) angesehen. Zahlreiche Studien, sowohl zur primären als auch zur sekundären Prävention, stützen die Hypothese, dass der Verzehr langkettiger n-3 Fettsäuren, wie sie in Fisch oder Fischöl-Supplementen enthalten sind, die Gesamtsterblichkeit und das Auftreten verschiedener Herz-Kreislauf-Krankheiten reduziert."(http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=603)

"Empfehlenswert sind 250 bis 500 Milligramm langkettige Omega-3-Fettsäuren pro Tag, das entspricht zwei bis drei Portionen Kaltwasserfisch pro Woche", sagt Birgit Niemann. ( ...) Die Menge von 1500 Milligramm Omega-3-Fettsäuren pro Tag sollte auf Dauer nicht überschritten werden. " (http://www.t-online.de/lifestyle/gesundheit/ernaehrung/id_41931078/omega-3-fettsaeuren-nicht-so-gesund-wie-gedacht-.html)

Eine halbe Wahrheit wie diese ist irreführender als eine vollständige Lüge: Es kommt nämlich auf des Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3-Fettsäuren an. Laut DGE sollte das Verhältnis zwischen 3:1 und 15:1 betragen. (http://www.gesundheit.com/gc_detail_7_vitumin31_7.html)

Wir wissen aber von Inuit und japanischen Fischern, die keinen Herzinfarkt kennen, dass sie mit ihrer Ernährung ein Verhältnis von 1:1 erreichen. Die Realität bei uns sieht anders aus: 10:1 bis 50:1 beträgt der Überschuss an Omega-6-Fettsäuren, der die positiven Eigenschaften der Omega-3-Fettsäuren zunichte macht. Und wo steckt das Omega 6-Übel? -- In der Wurst, und im Steak.

Es gäbe noch etliches zu sagen über weitere Möglichkeiten, den Herztod mit natürlichen Mitteln zu vermeiden, wie z. B. mit einer suffizienten Q10-Zufuhr, Vitamin B3 etc. (vgl. Dr. Klante: Mir geht's gut! Was Vitamine & Co wirklich leisten, Marburg 2011).

Fakt ist: Die DGE-Empfehlungen gehen an der bundesdeutschen Realität vorbei. Ich halte die DGE-Empfehlungen für verantwortungslos, das ist fahrlässig-massenmörderische Pseudofürsorglichkeit, die damit betrieben wird. Unter dem Gesichtspunkt präventiver und therapeutischer Effizinez reicht es nicht "zur Vorbeugung eines Herzinfarktes 6 g Omega-3-Fettsäuren pro Woche zuzuführen, zur Senkung der Triglyzeride sogar das Doppelte." (http://www.jameda.de/naehrstoffe/omega-3-fettsaeuren/) wenn andere erachten sogar ein Minimum an EPA/DHA von 4,5 Gramm pro Tag als notwendig.

Wenn Seeßlen formuliert: "Aber man trauert auch um eine Kultur des Streits, der Einmischung, der rhetorischen Eleganz, des Gedankenexperiments, der Analyse diesseits des wissenschaftlichen Diskurses und der Polemik jenseits des modischen Krawallfeuilletonismus. (...) Deswegen ging es in seinen Büchern oft weniger um eine Tiefenanalyse, sondern um die Frage, wie man denn nun richtig leben könne." (http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/feuilleton-fuer-freie-buerger) und Angele mit Schirrmacher ein Aussehen "wie Helmut Kohl[,] dem er in seiner Leibesfülle damals ähnlich sah" (http://www.freitag.de/autoren/michael-angele/zum-tod-von-frank-schirrmacher) assoziiert, wenn Schirrmacher Anzeichen von Risikofaktoren zeigte, sogar die Offenheit des Verblichenen dies andeutet "Schirrmacher gesteht, er fühle sich oft unkonzentriert, er sei vergesslich, überfordert, er wisse gar nicht mehr recht, welche der Informationen, die er beständig über allerlei Informationskanäle erhalte, relevant seien und welche nicht." http://www.freitag.de/autoren/anne-monen/ohne-worte (http://www.zeit.de/2009/48/L-S-Schirrmacher/komplettansicht ), konstatiere ich, dass die Frage des richtigen Lebens in erster Linie eine Frage des vorsorglichen Verhaltens ist, eine Frage der rechtzeitigen Risikobewertung von auffälligen Symptomen. Je weniger dies stattfindet, umso mehr ist einer Medizin die Kompetenz abzusprechen, die zwar viel weiß und kann, jedoch nicht fähig ist, das Wissen in präventives Handeln umzusetzen und gerne erst dann aktiv wird, wenn schon schwere Erkrankungen vorliegen.

Der Umstand, dass die Erkrankungs- und Sterberate an Herzerkrankungen nur wenig zurückgegangen ist (http://www.bruckenberger.de/pdf/hzb22_09auszug.pdf ) in Österreich/Deutschland treten etwa 300 Infarkte jährlich pro 100.000 Einwohner auf. Die absolute Anzahl der Sterbefälle als auch die relative Häufigkeit sind in Deutschland von 2000 bis 2008 um 15,6 % zurückgegangen, liegt aber viel höher als z. B. in Japan), illustriert das Elend und den mangelnden medizinischen Fortschritt in unserer Gesellschaft, in der fast jeder zweite an einer Herz-Kreislauf-Krankheit stirbt. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Todesursache)

)

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Geschrieben von

bertamberg

Xundheit! Salut! o! genese! Aufs Ganze gehen, bei Erkennen & Tun, Diagnose & Therapie. Alles ist vollkommen, "wenn das nötige gemacht ist." (Goethe)

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