Zur Hauptversammlung der Deutschen Bank 2013

Christoph Rinneberg: Eine Rede auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank AG am 23.05.2013. Der Redner stellt uns den Text seiner Rede zur Verfügung.

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Sehr geehrte Gastgeber, sehr geehrte Gäste dieser Hauptversammlung,
wer von Ihnen heute Morgen über den Haupteingang in diese Festhallen-Versammlung gelangt ist, wird deren Vorprogramm, die "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel" mitbekommen haben. Sie wird von einem breiten Bündnis friedensbewegter Organisationen getragen, unter ihnen die deutsche Sektion der katholischen Friedensbewegung pax christi.

Ich spreche hier für die "Initiative Ordensleute für den Frieden" (IOF), die seit fast einem Vierteljahrhundert allmonatlich vor der Zentrale der Deutschen Bank Mahnwache gegen das herrschende Wirtschafts- und Finanzsystem hält. Diese Bank hat sich auf dieses System so perfekt eingelassen, dass man sie mit zu den Stützen und Beherrschern des Systems rechnen muß.

Nach wie vor ist die Deutsche Bank in der Finanzierung der Herstellung und des Handels von Rüstungsgütern engagiert, die gegebenenfalls über Umwege auch in Krisengebiete gelangen. Sie töten dort und anderswo auch ohne Krieg, wenn für die Beseitigung der Ursachen von Hunger nicht mehr genug Geld da ist.

Im umstrittenen Deal mit den Diktatoren Saudi-Arabiens stellt der Leo-2-Panzer gar ein Sondermodell dar, das eigens für urbane Räume ausgelegt ist, also für Straßenkämpfe, in denen sich die Bevölkerung gegen die Verweigerung demokratischer Rechte wehrt.

Zumindest die etwas Älteren unter Ihnen werden sich des alten Studentenlieds erinnern: "O alte Banker-Herrlichkeit, wohin bist du entschwunden?" Ich erinnere an Alfred Herrhausen, der Ende der 80er Jahre bis zu seiner Ermordung 1989 Vorstandssprecher der Deutschen Bank war. Aus tiefer Kenntnis der Triebkräfte des herrschenden Systems hat er vor den negativen Folgen der Globalisierung gewarnt. Er hat – ähnlich wie Gorbatschow – für mehr Transparenz und Offenheit, für Glasnost im Bankensektor plädiert, sehr wohl wissend, dass mit der Glaubwürdigkeit bankenwirtschaftlichen Handelns alles steht oder fällt.

So hat er sich seinerzeit insbesondere für den Erlaß der Schulden eingesetzt, die vielen Entwicklungsländern durch Geschäftsinteressen der sogenannten Ersten Welt eingebrockt worden sind. Was alles hat spätestens seit jener Zeit die Deutsche Bank da an Soll auf ihrem Konto Glaubwürdigkeit angesammelt!? Gibt es angesichts all der laufenden Ermittlungsverfahren dort überhaupt noch ein Haben, kann sich die Bank bei ihren Anteilseignern und Kunden überhaupt noch ehrlich blicken lassen?

Der Vorstandssprecher Jürgen Fitschen ist seit 2012 wegen des Verdachts des Umsatzsteuerbetrugs in ein Ermittlungsverfahren verwickelt, gegen das er sich beim hessischen Ministerpräsidenten beschwert hat. Trotz aller auch sonst laufenden Verfahren gegen die Bank ist er vor einem Monat zum Präsidenten des Bundesverbands der deutschen Banken gekürt worden. Man könnte fast meinen, als seien die entdeckten – höflich ausgedrückt – Unregelmäßigkeiten geradezu so etwas wie Einstellungsvoraussetzungen für so eine Tätigkeit.

Gegen Vorstandssprecher Anshu Jain sind seit 2008 Vorwürfe in Zusammenhang mit der in den USA ausgelösten weltweiten Subprime-Krise laut geworden. Er wird für Betrügereien beim Verbriefen riskanter Hypotheken verantwortlich gemacht. Gebüßt dafür haben 1,4 Millionen Familien in den USA: Die dortige Deutsche Bank-Tochter hatte durch ihre Zwangsvollstreckungen die Familien aus ihren Häusern vertrieben. In hochriskanten Wettgeschäften hat Ihre Bank dafür "gesorgt", dass kommunale Finanzen etwa von Würzburg und Mailand sowie der Region Toskana zum Teil ruiniert worden sind.

Für Sie, Herr Jain, habe ich als kleines Gastgeschenk eine von Ihrem Landsmann Prof. Mohan Razu verfasste Broschüre mit dem Titel "Boom, Bubbles & Burst" mitgebracht, in der er die inneren Widersprüche des höchst virulenten Kapitalismus aufzeigt. Vielleicht erinnert Sie diese kleine Schrift daran, dass Ihre Religion des Jainismus – die Namensgleichheit ist frappant – jegliche Form von Gewalt ablehnt. Das könnte-sollte-müßte Folgen mindestens für den Ausstieg aus jedweder Rüstungsfinanzierung haben.

Der einstige Baulöwe Jürgen Schneider ist geradezu ein Kronzeuge für das Unwesen, was damals die Banken getrieben haben. Im Urteil des Landgerichts Frankfurt kann man nachlesen, dass Banken dem Baulöwen die Türen eingerannt haben, um reichlich vorhandenes Geld in renditestarke Kredite zu verwandeln. Auch hier waren es wieder aufgeblähte Kalkulationen, mit deren Hilfe die Banken versorgt und das Kapital bedient wurden.

Das Ergebnis ist ebenso bekannt wie die nach gängigem Rechtsempfinden viel zu milde Strafe, die Herr Schneider auch der fragwürdigen Rolle der Banken zu verdanken hat. Natürlich sind es im konkreten Fall immer Menschen, die da nicht nur bei den Banken so handeln, dass sie Verantwortung vorgeben, sie für das Einstehen aber weitgehend unkenntlich machen. Anders ausgedrückt, wir haben es mit einer organisierten Verantwortungslosigkeit auch deshalb zu tun, weil konkrete, tiefgreifende Maßnahmen im Grunde oft nicht verantwortet werden können, wie man am Beispiel der Atomwirtschaft sieht. Deren Risiken werden von keiner Versicherung getragen und sind daher seinerzeit hinterlistig dem Staat und damit der ganzen Gesellschaft aufgebürdet worden.

Es gehört zur Systemrelevanz, dass Korrekturen am System nur wie Kosmetik wirken. In der Welt der Finanzen hat sich die Geldwirtschaft längst von der Realwirtschaft abgekoppelt, wie man am dominant hohen Anteil an den täglichen Geldströmen sieht. Leistungslos werden in der Geldwirtschaft hohe Gewinne erzielt. Diese üben ihrerseits Druck auf die deutlich niedrigeren Renditen aus, die realwirtschaftlich zu erzielen sind.

Dieser Druck lastet auf den der Finanzierung bedürfenden Unternehmen. Und die geben diesen Druck wiederum an die werteschaffende Belegschaft weiter. Sie wird entweder durch Outsourcing entlassen oder muß schlechtere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen hinnehmen. Die Auswirkungen auf die unmittelbar Betroffenen und die Beschäftigten insgesamt sind bekannt: In nur sieben Jahren hat sich die Zahl der Krankheitstage durch Burnout von 6 auf 90 Tage je 1000 Krankenkassenmitglieder im Jahr 2011 verfünfzehnfacht. Die Eskalation des systembedingten modus operandi wirkt kontraproduktiv und birgt ruinierende Gefahren für die Wirtschaft der Betriebe und des Landes.

Sollten wir es mit einem Mechanismus zu tun haben, dem nicht beizukommen ist? Viele Menschen sind wohl dieser Meinung und zucken die Achseln, nichts dagegen tun zu können. Diese Aussage bestätigt doch nichts anderes als ein Be- und Gefangensein in so einem System, also das krasse Gegenteil von Freiheit. Was halten wir überhaupt von dem hohen Gut der grundgesetzlich verankerten Freiheit, der allgemeinen Menschenrechte und der dazugehörenden Rechtspflege?

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht scheint hier vorgeprescht zu sein, indem sie die Ablösung Richard Walkers, des Chefjustiziars der Deutschen Bank fordert. Das ist schon ein starkes Stück, das Bände spricht, weil dieser unmittelbare Durchgriff in den Herrschaftsbereich der Bank eigentlich nicht vorgesehen ist. Die Aufsicht legt sogar Wert auf einen deutschsprachigen Nachfolger, weil sie offensichtlich nur ihm die Fähigkeit zutraut, den Wertorientierungen unseres Rechtssystems zu folgen. Die Vermutung ist naheliegend, dass die Aufsicht kein Vertrauen in die Geschäftsführung der Bank hat.

Aus dem Gesagten ergeben sich für mich vor allem folgende Fragen an den Vorstand:

  1. Wann werden Sie eindeutig die Geschäftsbereiche Real- und Geldwirtschaft so getrennt haben, dass sie unabhängig voneinander operieren und Risiken verantworten?
  2. Wann werden Sie den Werte-Kodex der Bank so in Form gebracht haben, dass er auf alle Bankaktivitäten angewendet und damit Verfehlungen bekannter Art zukünftig verhindert?
  3. Wann werden Sie Ihren Chefjustiziar Walker suspendieren?
  4. Wann werden Sie Ihre finanzielle Beteiligung an jedweden Rüstungsgeschäften beenden?
  5. Wann werden Sie mit Ihrer Finanzmacht für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der gesamten Produktionskette sorgen, für die Sie Kredite bereitstellen?

Zum Autoren:

Christoph Rinneberg gehört zur "Initiative Ordensleute für den Frieden" (IOF) , die seit vielen Jahren vor der Deutschen Bank demonstriert. Er ist außerdem aktiv bei den Kritischen Aktionären. Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 23. Mai 2013 in Frankfurt am Main hielt er wie schon im Vorjahr eine Rede, deren Text hier abgedruckt ist.

BIG Business Crime ist eine Dreimonatszeitschrift des gemeinnützigen Vereins Business Crime Control e.V.
Herausgeber: Business Crime Control e.V., vertreten durch den Vorstand Erich Schöndorf, Stephan Hessler, Wolf Wetzel, Wolfgang Patzner, Hildegard Waltemate
Mitherausgeber: Jürgen Roth, Hans See, Manfred Such, Otmar Wassermann, Jean Ziegler
Verantwortliche Redakteurin: Victoria Knopp
Redakteure: Hans See, Gerd Bedszent, Reiner Diederich, Stephan Hessler

An dieser Stelle veröffentlichen wir ausgewählte Artikel aus der Zeitschrift BIG Business Crime online.

Beiträge in BIG Business Crime 03/2013 u.A.:

Stephan Hessler: Raus aus der Euro-Phobie!

Hans Scharpf: Das heutige Geld- und Finanzssystem ist verfassungswidrig

Herbert Stelz: Schrott im Körper - Patienten als Versuchskaninchen

Christoph Rinneberg: Rede auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank AG am 23.05.2013

Horst Seiffert: Die Finanzkrise - ein kalkulierter Kollateralschaden?

Gitta Düperthal: Wie sich die Kirchen beim Staat bedienen

Hans See: Buchbesprechung "Ego - das Spiel des Lebens" von Frank Schirrmacher

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

BIG Business Crime

BIG Business Crime ist eine Drei-Monats-Zeitschrift des Vereins Business Crime Control e.V. Seit Ende 2018 online unter: big.businesscrime.de

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