Die letzte Zwangsbekehrung

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In der vergangenen Woche meldeten und kommentierten mehrere Redaktionen die Entlassung der 28jährigen Vikarin Carmen Häcker aus Crailsheim, die im Sommer den Muslim Md Monir Khan geheiratet hatte. Zuletzt nahm sich Benedikt Angermeier unter der Überschrift "Skandal in der Evangelischen Kirche: Christsein als Ehepflicht" in der taz des Themas an. Die Entscheidung gegen das unbeugsame Paar, das eine Pro-Forma-Bekehrung auf dem Papier als Ausweg nach wie vor ablehnt, ist innerhalb der Evangelischen Kirche in Württemberg und deutschlandweit umstritten. Wo das technisch möglich war, habe ich aus Berliner Sicht Stellung bezogen, ohne dabei für die Ev. Kirche oder den Pfarrverein (Berufsverband) zu sprechen.

Persönliche Stellungnahme aus dem Berliner Blickwinkel

Auf EKD-Ebene und in Berlin-Brandenburg wurde die dienstrechtliche Regelung, die in Württemberg zur Entlassung einer Vikarin führte, schon vor Jahren abgeschafft. Hier kann eine Pfarrerin oder ein Pfarrer mit mit einem Muslim oder einer Muslima verheiratet sein, ohne Nachteile oder gar die Entlassung fürchten zu müssen. Ein stadtbekanntes Beispiel sind zum Beispiel Mona und Andreas Fuhr aus Schöneberg (12-Apostel), er evangelischer Geistlicher, sie muslimische Pfarrfrau und Seele der Gemeinde, vor allem in der Kiezarbeit.

(vgl. www.tagesspiegel.de/berlin/der-kampf-um-die-seelen-der-junkies-vom-strich/458052.html)

In der Württembergischen Schwesterkirche kann man das anders sehen, da ist jede Landeskirche autonom, und das ist gut so. Was ich aber nicht verstehe: Warum konnten die Württembergische Pfarrvertretung oder der Pfarrverein der Vikarin nicht helfen, wenigstens ihre Ausbildung zu beenden und das 2. Examen zu machen? Wenn sie sich sonst eignet, hätte Berlin sie danach vermutlich mit Kusshand genommen. Seit drei Jahren übernehmen wir hier immer wieder gern fertig ausgebildete junge Theologinnen oder Theologen aus anderen Landeskirchen, weil wir in Zukunft mehr theologischen Nachwuchs benötigen, als wir im Moment selbst ausbilden können.

Vielleicht war das nur ein Kommunikationsproblem, dann wäre darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das wäre meine erste und wichtigste Frage.

Wenn sich das noch regeln lässt, hätte die Härte, die der jungen Kollegin dann nur angetan worden wäre, am Ende mehr Gutes als Schlechtes bewirkt, denn dadurch wurde das Thema medienrelevant. Jetzt bekommt es auch der Berufsverband der ca. 24.0000 ev. Pfarrinnen und Pfarrer auf den Radarschirm, in dem deutschlandweit immerhin 21.000 Kolleginnen und Kollegen organisiert sind. Bei der in den meisten Gliedkirchen der EKD gerade abgeschlossenen Einführung des neuen Pfarrdienstgesetzes wurde hier der Reformbedarf glatt übersehen. Religionsverschiedene Ehen und Lebenspartnerschaften werden infolge von Migration und Integration tendenziell zunehmen und im Alltag der Gemeinden eine wachsende Rolle spielen. Auch Theologinnen und Theologen können nicht auf Dauer davon verschont bleiben, dass der Gott der Liebe auch über Religionsgrenzen hinweg segensreiche Verbindungen schafft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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