Europa als christliche Vision

Europa-Wahl Ehemalige Protagonisten der Friedensbewegung der 80er warnen vor Europaskepsis und verlangen die Fortsetzung der EU als sozialem und partizipatorischem Friedensprojekt

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Zu den Unterzeichnern eines am gesterigen Montag veröffentlichten Aufrufes zur Europa-Wahl am 25. Mai 2014 gehören neben dem ehemalige Generalsekretär des Ökumenischen Weltrats der Kirchen, Dr. Konrad Raiser, dem Ehrenvorsitzenden der Bündnisgrünen in Sachsen-Anhalt und Vater des Rot-Rot-Grünen Tolerierungsbündisses von 1994 Jochen Tschiche und seinem Parteifreund Heiko Lietz, ehemaliger Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, auch der frühere Erfurter Propst Heino Falcke sowie Ruth und Hans Misselwitz, Joachim Garstecki und Gerhard Rein.

Die Verfasser sehen die Zunkuft Europas bedroht wie bei keiner Wahl zuvor:

"Im Kontext der aktuellen Krise um die Ukraine kommt es nun am 25. Mai 2014 zur Europa­wahl. Sie kann zu einer Richtungsentscheidung für die weitere Entwicklung Europas wer­den. In einer Reihe von Mitgliedsstaaten nutzen euroskeptische, rechtspopulistische und nationalistische Parteien die schon vorhandene Kritik an der Europäischen Union für ihre Ablehnung des Projekts einer europäi­schen Einigung. Sollten sie mit einem starken Votum aus der Wahl hervorgehen, könnten sie die Ar­beit des Parlaments blockieren."

Diesem Worst-Case-Szenario stellen sie ihre Vision von Europa gegenüber:

"Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt. Es entstand durch den Willen zur Versöh­nung zwi­schen ehemals verfeindeten Staaten und Nationen. Europa möchte als eine Ge­meinschaft wahrge­nommen werden, die für Freiheit, die Verwirklichung der Menschenrech­te, für solidarischen Abbau von Ungleichheit und die demokratische Partizipation seiner Bürger eintritt."

Diese Projekt sehen die Autorinnen und Autoren nicht nur durch die Europa-Skeptiker bedroht, sondern auch durch den sträflichen Marktoptimismus der Jahrtausendwendegeneration europäischer Staatenlenker, der für die Bankenkrise, deren Umwandlung in eine Staatschuldenkrise und den mit dieser Krise begründeten Sozialabbau verantwortlich ist, was zusammen erst die jetzt entstandene Europa-Skepsis auf den Plan gerufen hat.

"Die Hoffnung, dass die soziale Ungleichheit in Europa durch Stärkung der Wettbewerbsfä­higkeit, d.h. innerhalb der marktwirtschaftlichen Logik, überwunden werden könne, hat sich schon in den 80er Jahren als Illusion erwiesen. Wir sollten inzwischen begriffen haben, dass als „Reformen“ de­klarierte Programme der Strukturanpassung, wie sie von der so genann­ten „Troika“ den südeuropäi­schen Ländern auferlegt worden sind, allein die Probleme nicht lösen sondern verschärfen."

Europa und der Frieden haben deshalb nur eine Chance, wenn die Bürger und Politiker der EU durch eine "Neubestimmung" zur ursprünglichen europäischen Vision zurückkehren, bei der innerhalb der Union, aber auch in deren Verhältnis zu Nicht-Europäern Solidarität Vorrang vor Wettbewerb hat.

"Nach unserer Einschätzung befinden wir uns in einer Situati­on, wo die ausschließliche Orientierung an der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Krisenbewäl­tigung dazu führt, dass die Grundlagen der europäischen Eini­gung untergraben werden. Deshalb halten wir ein Umsteuern in der Europapolitik für vor­dringlich, und sind überzeugt, dass eine Neu­bestimmung der langfristigen Ziele im Sinne der Formel 'Solidargemeinschaft statt Staaten-Wettbewerb' notwendig ist. Diese Neube­stimmung der Ziele muss insbesondere auch die europäischen Positionen im Blick auf die Klimakrise und die Revision der bisherigen Flüchtlings- und Asylpolitik umfassen."

Die politisch und publizistisch nach wie vor aktiven Ruheständler bitten um die Weiterverbreitung ihres Aufrufes.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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