New Yorker Geschichten

Web-Serie "High Maintenance" ist nicht nur ausgesprochen komisch. Die DIY-Serie um einen Fahrradkurier, der Marihuana ins Haus liefert, kann sich qualitativ mit TV-Serien messen
Ausgabe 27/2014
Ben Sinclair hat sich mit seiner Frau Katja Blichfeld die Serie ausgedacht. Außerdem spielt er den Fahrradkurier, den alle nur "The Guy" nennen
Ben Sinclair hat sich mit seiner Frau Katja Blichfeld die Serie ausgedacht. Außerdem spielt er den Fahrradkurier, den alle nur "The Guy" nennen

Foto: Zack Dezon

Die beste komische TV-Serie, die ich kenne, heißt Bored to Death. Jason Schwartzman, der in allen Wes-Anderson-Filmen mitgespielt hat, verkörpert in dieser Serie einen Jungautor mit Schreibblockade, der bei Craigslist eine Anzeige als Privatdetektiv aufgibt. Angeblich zur Ideenfindung, aber es ist natürlich reine Prokrastination. Jede Folge von Bored to Death ist nur 25 Minuten lang, und dass die Serie so gut und komisch ist, liegt womöglich auch an dieser Verknappung. Die dritte und leider letzte Staffel ist von 2011.

Die beste komische Web-Serie, die ich kürzlich kennenlernte, heißt High Maintenance, und sie geht zum Glück gerade erst so richtig los. Die Schauspieler, die darin New Yorker Paare, WG-Genossen, Vorzeigesöhne und so manches mehr spielen, haben keine nennenswerte Kinokarriere gemacht. Das Besondere ist, dass jede der bislang 13 Episoden so lang ist wie eben nötig, um die jeweilige Geschichte zu erzählen. Die kürzeste dauert fünf Minuten, die längste 15. Im Fernsehen, wo die Sendeplätze fest formatiert sind, wäre das undenkbar.

High Maintenance kann nur im Netz so gut funktionieren, weil der Alltag zweier Hipster nun mal schneller erzählt ist als der einer krebskranken Frau. Oder die Geschichte des Paars, das es für eine gute Idee hielt, die Abstellkammer an Airbnb-Touristen unterzuvermieten – die erfordert eben mehr Zeit als die der beiden Occupy-Sympathisantinnen, denen eine Maus in die Klebefalle in der Küche gegangen ist.

Was diese Episoden zusammenhält, ist eine Telefonnummer, die alle diese New Yorker im Handy haben. Sie gehört einem Fahrradkurier, der Marihuana ins Haus liefert. Machmal raucht er mit, manchmal beschränkt er den Kontakt auf den Austausch von Ware und Geld. Wenn es sein muss, erledigt er die Maus. Seine Kunden nennen ihn nur „the Guy“, den Typen also. Von seinen hässlichen Zehenschuhen einmal abgesehen, ist er ein smarter New Yorker. Er sieht nicht viel anders aus als Ben Sinclair, der Schauspieler, der ihn verkörpert. Sinclair ist definitiv ein smarter New Yorker, denn er hat sich mit seiner Frau Katja Blichfeld die Serie ausgedacht. Blichfeld hat als Casting-Direktorin schon einmal für eine TV-Serie einen Emmy gewonnen, den Oscar der Fernsehbranche. Vor gut einem Jahr haben sie die ersten drei Folgen auf dem Videoportal Vimeo online gestellt, inzwischen sind es 13. Anfang Juni gab Vimeo bekannt, fortan in die Serie zu investieren, um ein Video-on-Demand-Angebot nach dem Vorbild von Netflix zu etablieren. Die nächsten Folgen wird es nicht mehr kostenfrei geben.

Das Faszinierendste an High Maintenance ist aber: Man sieht den bisherigen Episoden nicht an, dass sie selbstfinanziert sind. Kamera, Setting und Schauspieler wirken absolut professionell. Was auch dem klugen Format des Kammerstücks geschuldet ist. Außenaufnahmen gibt es nur selten.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass TV-Serien erstmals attestiert wurde, Kinofilmen qualitativ ebenbürtig zu sein. High Maintenance könnte die erste DIY-Web-Serie sein, die das Niveau einer professionellen TV-Serie von HBO hat. Mit Dan Stevens aus der britischen Adelsserie Downton Abbey ist in der 13. Folge sogar ein Fernsehstar dabei. Er hat eine sehr gute und sehr komische Rolle bekommen, er spielt einen Autor, der eine Schreibblockade hat.

High Maintenance // Rachel from Janky Clown Productions on Vimeo.

Was nicht heißt, dass Bored to Death nicht die beste komische Serie bliebe, die ich kenne.

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

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