Mehrheit links der Mitte?Rechts wird gewählt!

Rechtsruck Im Bundestag sitzt eine erwählte linke Mehrheit, aber bei den Wählern herrscht der Rechtsdrall. Die Chancen links der Mitte schwinden zukünftig, ohne Erfolgserlebnis

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Mehrheit links der Mitte?Rechts wird gewählt!

Foto: ODD ANDERSEN/ AFP/ Getty Images

Keine Mehrheit links der Mitte? Rechts wird gewählt!

Der Angie-Effekt

Angela Merkel ist schöner als die Nike von Samothrake, sie kann die Hände sauber zur Raute falten, aber richtige Flügel sind der Siegerin trotzdem nicht gewachsen. Ihr grandioser Wahlsieg, blieb auf den letzten Metern unvollendet, weil „Mutti“, so ruft sie nun halb Europa, für ein paar Zehntelprozente zu wenig Vertrauen bei jenen erzeugte, die noch an Wahlurnen treten. Das ist der bundesrepublikanische Futurismus pur, der so verdächtig nach alten Zeiten aus den Anfängen der Republik aussieht. Das Land wendet sich nach Rechts und die Medien glauben, da, wo die CDU/CSU sei, müsse die Mitte liegen.

Die Deklassierten

An dieser Bundestagswahl nahmen 28,5% der Wahlberechtigten nicht teil, das sind 17,6 Millionen Nichtwähler, bei 61,9 Millionen Wahlberechtigten.

Auch wenn sich öffentlich-rechtliche Moderatoren und Erklärjournalisten abmühen, die geringe Aufwärtsbewegung bei der Wahlbeteiligung als Trendwende gegenüber der letzten gesamtdeutschen Wahl zu verkaufen, bleibt ein schaler Geschmack.

Denn anders als verkündet, wählen diese Menschen nicht etwa weil sie alles toll finden nicht mehr, sondern weil sie sich keine Änderung versprechen, von einer demokratischen Wahl. Es ist nicht unbegründet, davon auszugehen, dass es sich mehrheitlich um ehemalige SPD-Wählerschichten handelt, die diese Partei, ohne charismatische Führungspersönlichkeit und ohne wirklich erkennbaren Machtwillen, der zu deutlichen Änderungen führen würde, längst verloren hat.

1,3% der Wähler machten ihre Zweitstimme ungültig. - Wenn juckt es? - Es kratzt weder die Parteien, noch die Wähler, die sich nun gezählt und geschätzt wähnten.

Entschieden wählen, aber trotzdem nicht repräsentiert sein, das schafften dieses Mal, die FDP-Wähler mit 4,8 Prozent, sowie die der AfD mit 4,7%, die 2,2% der Piraten, 1,3% die tatsächlich immer noch NPD wählten, 1,0% Freie Wähler, 0,3% für die Tierschützer, 0,3% deren Herz immer noch an der ÖDP hängt, 0,2% die immer noch REP wählen, 0,2 % pro Deutschland, 0,2% für die Partei. Rentner, BP, MLPD,Volksabstimmung und Partei der Vernunft bekamen je 0,1%.

Nach den Zweitstimmenergebnissen bleiben also zusätzlich 15,8 % der Sonntagswähler ohne Repräsentanten und damit politisch bedeutungslos. Das sind immerhin weitere ca. 7.000 000 Millionen Stimmen.

Diese Zahlen zu den nicht wirksamen Stimmen sind vor allem auch deshalb höchst interessant, weil sie belegen, dass längst eine Mehrheit und stille Reserve rechts von der Mitte vorhanden ist, die sich nur noch nicht in Abgeordnetenmandaten niederschlägt. Sie kann aktiviert werden, steht es einmal Spitz auf Knopf.

Wie nun die Landtagswahlen in Bayern und erneut die Bundestagswahlen bestätigen, wählen allenfalls noch Hochschulabsolventen, Abiturienten und Jungwähler irgendwie Links, obzwar auch bei diesen Kategorien die einstige linke Vormacht immer mehr dahin schmilzt. In Bayern wählt auch die Jugend am liebsten CSU.

Hopfen und Malz sind für irgendwie Linke bei der Generation 60 Plus längst schon verloren. Hier herrscht Schwarz von Nord bis Süd.

Fast alle anderen demografischen Einteilungskategorien erbringen ebenfalls satte oder ausreichende Stimmmehrheiten für Konservative und rechts der Mitte liegende Parteien.

Besonders bitter für Linke ist jedoch die Aufteilung der Wählerschaft nach Bildungsabschlüssen. Bei den Wählern mit Mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss liegen die Unionsfraktionen weit vorne dran. 47% aller Hauptschüler und 44% aller Abgänger mit Mittlerer Reife wählten CDU/CSU. Das ist das einstige Urland, die Klientel der SPD. Hier reicht die Vereinigung aller Prozente der irgendwie Linken, einschließlich der Partei die Linke, maximal noch, um nahe an das Unionsergebnis heran zu kommen.

Sehr bedenkenswert auch, dass die CDU/CSU bei Frauen deutlich mehr Ansehen genießt, als die SPD oder die Grünen, obwohl diese doch Frauenpolitik als ihr Kernthema betrachten, das von beiden Parteien über die sogenannte Gender-Politik und allerhand Gremienarbeit immer betont wird.

Wähler ticken anders

Medienleute und Journalisten, aber auch Politologen wollen das alles aber gar nicht so gerne zur Kenntnis nehmen und sprechen davon, die CDU/CSU sei längst auch sozialdemokratisiert und angegrünt, gerade diese Dinge habe die Pragmatikerin und Zentristin Angela Merkel voran getrieben.

Man täusche sich nicht. Zum Beispiel hat die Merkel Art der Energiewende, vertreten von einem gemütlich-dicken Umweltminister, so gar nichts mit dem ursprünglich gemeinten Sachverhalt zu tun. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Union sind nicht mittig oder links, sie sind neokonservativ und an den großen Monopolkonzernen bei Kraftstoffen, Heizstoffen und Elektrizität orientiert. - Noch viele weitere Beispiele aus anderen Politikfeldern ließen sich nennen.

Trotzdem: Die Direktmandate der CDU/CSU wachsen, die neue Gewichtung der Zweitstimmen dämpft das Stimmensplitting, nicht das Steuersplitting, so, dass auch hier die CDU und die CSU das Land schwarz streichen und jederzeit ein anderes Liedchen pfeifen könnten. Die SPD ist strukturell kaum noch in der Lage, außer in ihren absoluten Hochburgen, solche Mandate zu erringen. Nunmehr ist klar, dass die Union mit dem großen CSU-Potenzial auch jederzeit die Möglichkeit hat, nationalkonservativ und ein wenig ausländerfeindlich aufzutreten, wenn es für die Wahlen, für die innere Sicherheit oder einfach für die Stimmung im Lande gebraucht wird. Die Reservearmee der passenden Wähler steht bereit.

Wer immer noch davon reden möchte, es gäbe auch zukünftig noch ein Fenster für Mehrheiten links der Mitte, der muss sich doch fragen lassen, ob er die Zeichen der Zeit nicht recht zu deuten vermag. Wir haben doch die Zeitzeugenschaft dafür angetreten, dass die SPD, die Grünen und die Linke mehrfach eine linke Mehrheit schlichtweg ablehnten und sich eher gegenseitig nieder machten, als den eigentlichen, politischen Hauptgegner aus der Regierung zu drängen. - Vielleicht ist diese Wahl eine der letzten Möglichkeiten, es anders zu machen.

Jedes Mal frisst eine solche Verweigerung wieder ein Stückchen Glaubwürdigkeit, die linken Parteien könnten politisch was ändern, statt immer nur davon zu reden, sie würden etwas für Nichtwähler und Wähler aus den unteren Schichten tun und das auch wirklich wollen. Wer faktisch am Wahlabend immer Zweiter wird, der bestimmt nicht wirklich die Leitlinien der Politik. So macht sich eine rosarote Volkspartei durch vielfältige politische Sackgassen, auch bei der eigenen Kandidatenauswahl, selbst kaputt. Sie wird zum eingefärbten und kupierten Schwanz am großen schwarzen Hund. Das sieht modisch aus und gefällt sicher der Kanzlerin, aber es zerstört auch die Möglichkeit, auf absehbare Zeit die Trends umzukehren.

Nun setzt Heulen und Zähneklappern ein, denn langsam bekommt auch der hintertupfigste Parteifunktionär der linken Parteien mit, wie weit die SPD davon entfernt ist, mit ihrer derzeitigen programmatischen Aufstellung und dem derzeitigen Personal auf absehbare Zeit die Minderheitenrolle zu überwinden. Ihre beiden linken Halbschwestern liefern nicht mehr unbedingt das fehlende Fett an Wählerstimmen, sie kompensieren nichts mehr und geben eher kleine, aber entscheidende Stimmenanteile an konservative Kräfte ab! So geschah das dieses Mal mit der AfD, die erstaunlich viele Stimmen von der Linken einfing.

Das so überwältigende, aber eben nicht mehrheitsfähige Wahlergebnis für die CDU/CSU schuf aber nun noch einmal eine paradoxe Situation. Die FDP wurde zu einem Nichts verkleinert und die rechte Partei, die als Mehrheitsbeschaffer hätte dienen können, kam gar nicht ins Parlament. Auch weitere rechte Kleinparteien brachten dafür nichts.

Es reicht aber nicht mehr lange für Links, um die Leitlinien der Politik zu bestimmen und die Demografie spricht ebenso hart gegen eine Erholung, wenn nicht bald einmal ein positives Ausrufezeichen, nämlich die Führung einer Regierung, für die verbliebene Anhängerschaft kommt, zumal sich, um eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, die SPD von einem weiteren, mehr oder minder großen Teil ihrer Anhänger und Funktionäre, möglichst stillschweigend, wird trennen müssen.

Silent majority

Die allerwichtigste Überlegung gilt aber dem Wahlverhalten der sogenannten einfachen Leute. Das spricht gegen eine glorreiche Wiederauferstehung der irgendwie Linken, weil diese Menschen von keiner Partei und schon gar nicht von der SPD noch etwas erwarten. Eher machen sie gleich bei der CDU/CSU ihr Kreuz, die manchmal was vom Gabentisch fallen lässt, wenn sie sich sehr stark fühlt und nicht das Gefühl hat, als einzige, kontinuierliche Staatspartei abgelöst zu werden.

Sie entsprechen damit auch ihren inneren Wünschen, wenigstens zu Wahlen bei den starken Siegern zu sein, auch wenn die weitere vier Jahre kaum an sie denken werden, weil sie in einem schwer fassbaren Nichts aus Nichtwahl, Nichtrepräsentanz und Nörgelei auf allen Medienkanälen verschwinden und in dem nun existierenden Parteiengefüge nur noch schwächelnde Vertreter auf ihrer Seite haben. Schwächeln ist aber genau das, was diese Menschen nicht auch noch bei ihren politischen Vertretern sehen wollen! Die einfachen Leute, eine moderne Silent majority, wollen sich da stark fühlen.

Ob aus den neuen Verhältnissen, die in der Projektion auf die Zukunft einer so ganz anderen Richtung als ausgerechnet einer strukturellen Mehrheit für Links entgegen zu streben scheint, dereinst eine Art neue zentristische Bewegung einmal den Nutzen ziehen wird, oder ob bei der kommenden Wirtschafts- und Finanzkrise die gesamte Gesellschaft nach Rechts driftet, wie das unter ökonomisch schwieriger werdenden Verhältnissen bisher die Regel in der deutschen Politik gewesen ist, wird sich noch zeigen. Aber eine Regierung Links von der Mitte geht vielleicht in Zukunft gar nicht mehr, denn ihr fehlt der Auf- und Nachwuchs aus den Reihen der jungen Wähler, die lieber zu 6 ½ Millionen im Dirndl-Look und in der Krachledernen zur Wiesn eilen und schon FC Bayern und Borussia Dortmund für eine Parteientscheidung halten. Oazoapft is!

Ganz peinlich wurde es am Wahlabend, als sich für die SPD jene Herren am lautesten gleich wieder in der Öffentlichkeit zeigten, die seit 1998 die Geschicke der SPD nicht nur maßgeblich mitprägten, sondern nach jeder verlorenen Wahl persönlich sofort Führungsansprüche anmeldeten. Es sind die Herren, die auch ohne Schwierigkeiten neben Angela Merkel sitzen können, denn sie trugen deren Politik, ob in Koalitionen oder als Opposition, immer mit.

Christoph Leusch

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