Otto-Normalverbraucher, der billige Sünder

Konsumdemokratie? Konsum ist Freiheit, lautet das Credo des Marktes. Bei Fleisch und Wurst geht es ums demokratisch Eingemachte. Betrogene Billigkonsumenten sollen selbst Schuld sein

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Otto-Normalverbraucher, der billige Sünder

Foto: Philippe Huguen/ AFP/ Getty Images


Die Pferdefleischmetamorphose ist wie die Meinung im Journalismus

Nach der ersten, ganz hellen Aufregung um das Pferdefleisch in der Tiefkühllasagne, kam nun, parallel zur Ausweitung des Skandals, unerbittlich die zweite Welle der journalistischen Themenerschließung. Dieser zweite mediale Blick kommt nicht ohne eine gewisse Spitzfindigkeit daher. Das derzeit virale Argument, hundertfach kopiert und variiert, Meinungsgrippe sozusagen, lautet: Wer billig einkauft, der müsse mit Quälitätsmängeln und Täuschungen rechnen. Wer so shoppe, der wisse doch, dass im niedrigen Preis der Betrug bereits enthalten sein müsse.

Der Konsument, Erbsündiger des Marktes, für den doch trotzdem bis zum Umfallen in den Wurstfabriken und an den Computertastaturen der Einzelhandelslogistik malocht werde, er trüge seine Konsumenten-Verantwortung nicht. Er verweigere einen gerechten und notwendigen Preis für die zu über 90 % in Supermärkten gekaufte Ware. Kurz, das Volk gebe zu wenig von seinem Nettoeinkommen für Ernährung aus und werde trotzdem fett. - Das ist alles nur ein großer Nebel!

Fällt auf, wie bekannt dieses Argument mittlerweile klingt? - Ihr wollt gesünder essen? Gut! Das kostet deutlich mehr Geld. - Ich denke immer noch, es müsste eher welches einsparen. Ihr wollt nachhaltige Energie, also solche die nicht aus Öl – und Gasschiefern mühevoll ausgetrieben werden muss oder atomar lecken könnte? Sehr schön, das kostet aber deutlich mehr! - Ich meine, allein schon aus physikalischen Gründen, müsste die nachhaltige Energie billiger sein. Ihr wollt sparsame und haltbare Autos, - sie könnten längst billiger, leichter, sparsamer gebaut werden, gäbe es ein allgemeines Tempolimit -, dann kostet euch das ebenfalls viel mehr Geld! - Ich weiß, solche Autos müssten günstiger sein, nicht teurer. Ihr wollt langlebige und recyclebare Industrieprodukte und Konsumgüter? Sehr wohl, das kostet euch auch mehr....

Die endlose Litanei nervt, weil sie gegen jede rationale ökonomische und technologische Betrachtung spricht. - Dieser Salbaderton für die Dummen, täglich aufgesagt und aufgeschrieben, wirkt auf Prominentenhirne die talken und sogar auf die der politischen Grünen, die da mitreden. Bei der vierten Gewalt krümmen sich nur wenige Finger und kaum ein TV-Gesicht redet sich darob in Hassknechtsche Wutanfälle. Überall nur credo, credo, ja, wir glauben es, ganz tief und fest.

Wie aus dem Lindwurm ein Schmetterwurm und aus dem Schmetterling ein Lindling wurde

Wie sieht es nun beim Pferdefleisch aus, das per se erst einmal von guter oder von schlechter Qualität sein kann, das meist genießbar ist, dem eine gewisse gesündere Fleischzusammensetzung nachgesagt wird?

Es ist hier ganz einfach: Die Lebensmittelindustriellen, die uns in ihrer TK-Lasagne Pferdefleisch statt Rindfleisch anboten, wollten am Markt einen Preis für Rindfleischlasagne erzielen, aber gewiss nicht den niedrigeren, sachlich gar nicht begründbar geringeren, für ein undefinierbares Pferdefleisch-Granulat zwischen Nudelschichten und Béchamel-Soßenimitat. Eine Pferdehack-Lasagne schmeckte gewiss, denn abgewürzt ist sie ununterscheidbar von der rindfleischernen Variante. - Dieser geschmacklich-ästhetische Skandal gehörte auf ein anderes Blogger-Blatt oder als Essay ins Gastro-Feuilleton.

Nun, nach all´ der Aufregung, könnte jemand auf die Geschäftsidee kommen, die echte Pferdefleischlasagne endlich auf den Markt zu werfen. Jetzt wäre sie prominent und hätte den Nimbus der Gesundheitsförderlichkeit.

Zum heiligen Schirrmacher! Erleben wir hier nicht gerade den Auftritt des völlig freien, ökonomischen Superegohomunkulus, jenes tumben, aber geschäftstüchtigen Erdkloßes, der einmal mit dem marktradikalen Shem auf der Stirn belebt, einfach nicht mehr aufhören kann Geld zu scheffeln?

Unübersichtlichkeit als Voraussetzung für gute Geschäfte und den Betrug

Zwei Tatsachen müssten stattdessen an die erste Stelle der Betrachtung rücken, ginge es doch noch einigermaßen kritisch zu, im Ländle der bestkonditionierten Schnäppchenjäger.

Zunächst stimmen schon die komplexen Export- und Importwege und die hunderttausendfach verschachtelte EU-Agar-Industriestruktur sehr nachdenklich. Nur so, ist Vertuschung im großen Stile möglich, nur so, erwächst dem industriellen Handel die größte Macht. Der Direktverkauf an einen Hersteller und kurze, daher nachvollziehbare Zwischenhandelsketten, sie wären viel zu transparent für gute Geschäfte. Regulation widerspricht der freihändlerischen Geschäftsidee, der sich fast alle ökonomisch entscheidenden Leute verpflichtet fühlen. Jede Zwischenhandelsstation auf dem Wege der papiernen Wandlung, die nun das Pferd zum Rind umschaffte, hält die Hand auf und will mitverdienen.

Die Schleierwirkung der Verteilernetze und der Brokerei über mehrere Länderecken, gleicht nicht zufällig sondern notwendig, den Zuständen im Hoch- und Tiefbau der großen Bauwirtschaft mit feinsten Abstufungen vom Generalvertragler bis zu den Sub-Sub- und Ein-Mann-Unternehmen, der Immobilienwirtschaft, mit ihren Auftragsverwaltungen und Strohmännern, dem tausendfachen Betriebstöchterunwesen der Deutschen Bahn AG, dem komplex verschachtelten, aber in der Realität von vier- fünf Unternehmen gemanagten Energiemarkt, den Zuständen am Pharma-Markt und dem Wahnsinn der Medizin in den Händen von Betriebswirten und Business- Administratoren.

Überall da, müssen Schweigegelder, Gewinne, Boni und Provisionen, als Aufpreise an Firmeninhaber, Broker und Mitwisser, ebenso eingerechnet werden, wie das sehr aufwendige Marketing, um den erfolgreichen Etikettenschwindel durchzuführen und dauerhaft abzusichern. Qualitätsversprechen gibt heute praktisch jeder ab, der eine Dienstleistung oder ein Produkt, vom Premium- oder Alpha-Journalismus bis zum Mehrstern-Hotelbett verkaufen möchte. Praktisch jede Branche hat selbst erfundene Gütekritierien.

Was muss alles auf dem Weg der zahlreichen, dazwischen gehaltenen Hände bezahlt werden, damit 400g TK-Lasagne, die in den Fertigungsstraßen Europas täglich tonnenweise hergestellt werden, immer noch zwischen 1,99 € und 5,99 € / 400g kosten können? - Die realen, industriellen Herstellkosten für diese Menge, mit oder ohne Pferdefleisch, lassen sich in Zehner- Centbeträgen rechnen!

Ein intransparentes Netz an Importeuren und Exporteuren schafft europaweit genügend Spielraum, die nächste Schmuddelgeschichten noch ein bisschen geschickter zu lancieren. Was auf so komplexem Niveau funktioniert, das muss auch einen ordentlichen Gewinn abwerfen, ohne allzu viel dabei zu schwitzen, sonst würden sich daran nur Idioten beteiligen. Was beim Rindfleisch, getauscht gegen Pferdefleisch, bisher funktionierte, das geht auch in anderen Sparten der Branche nach dem gleichen Muster.

Nur der Zufall deckt zuweilen auf, wie zum Beispiel Grundnahrungsmittel künstlich teurer gemacht werden, indem der Handel selbsterfundene, oberflächliche Schönheitskritierien normiert, die zu einer Verknappung, das heißt Verteuerung, bestimmter Produkte führen. Äpfel, Birnen, Salate, Kartoffeln ohne Krankheiten oder andere Mängel, jedoch mit Normabweichungen, sind praktisch unverkäuflich, weil der Handel sie nicht abnimmt. Sie werden vernichtet, bzw. der „energetischen Verwertung“ zugeführt. Seltsame Haltbarkeitsdefinitionen und irre Vorstellungen von Natürlichkeit erklären ein Syntheseprodukt wie die ESL-Milch (extended shelf life) de facto zum EU-Frischmilchstandard. Dreist wird behauptet, der Verbraucher wünschte es so. Dabei blieb dem, von der Markteinführung der Synthesemilch, bis zur heutigen Marktbeherrschung, an keine Stelle und zu keinem Zeitpunkt eine reelle Wahl.

Die Gewinnspannen und Gewinnmöglichkeiten sind so groß, dass sie zahlreichen geschäftstüchtige Menschen, die z.B. leitend in der Fleisch- und Blut - Branche arbeiten, dazu verführt, hochkomplexe und möglichst undurchsichtige Vertriebs- und Handelswege aufzubauen.

Es sind sicher nicht die rumänischen Schlachtergesellen und Ausbeiner, nicht die Billiglohn- Portionierinnen und Verpacker, die sich die dubiosen Geschäftsmodelle ausdenken. Dazu braucht es Leute, die sehr gut rechnen können. Sie sind in der Lage, das Maß der behördlichen Kontrollen realistisch abzuschätzen oder aber, diese sogar zu beeinflussen. Um ohne allzu viele Nachfragen von Rumänien durch halb Europa zu kommen, braucht es auch eine politisch erzeugte Bürokratie, die sich in der Verfolgung der zahlreichen Verfehlungen ausreichend gegenseitig lähmt.

Ermittlungs- und Strafverfolgungsverfahren im Bereich der Verbraucherschutzes oder des Umweltschutzes erstrecken sich über Jahre, gar Jahrzehnte. Einer der Hauptverdächtigen im aktuellen Etikettenschwindel ist wegen Jahre zurückliegender Geschehnisse, gerade einmal erstinstanzlich verurteilt. Kaum jemand aus der Wirtschaft, außer den Kleinbetrieben und Scheinselbstständigen, die nur noch nicht wissen wollen, dass sie völlig Abhängige sind, hat je Angst vor dem Ordnungsamt oder anderen Kontrollbehörden gezeigt. Da liegen die Verhältnisse mittlerweile genau so, wie beim Hoch- und Tiefbau auf Großbaustellen.

Zweitens: Senkte denn der Anbieter von Tiefkühllasagne den Preis seiner Produkte wenigstens deutlich ab, um den Preisvorteil mit einem Sonderangebot teilweise an seine Kunden weiter zu geben? Nein, keineswegs! - Die Umdeklarierungen dienten einzig und allein dem Zweck, in der Handelskette einen höheren Anteil vom errreichbaren Gewinn in die eigene Tasche zu stecken, weil Pferdefleisch nun einmal derzeit zu einem Fünftel der Kosten auf dem Markt gekauft werden kann.

Der Hauptteil der kriminelle Energie lässt sich in Mitteleuropa und Westeuropa verorten. Da, wo es zwar hunderte, nein tausende EU- und Nationalrichtlinien, vom Lebensmittelrecht bis zur Gewerbeordnung gibt und auch ausreichend viele Kontrolleure im Dickicht der Normen zu Werke gehen, aber selbst schwere Beanstandungen, nach langwierigen juristischen Verfahren, nur zu lächerlichen Strafen führen. - Noch einmal Hundert beamtete Lebensmittelkontrolleure hier und dort, sie nutzen nichts, sie beruhigen nur das Gewissen und momentan die mediale Öffentlichkeit.

Wenn nicht endlich in diesem Bereich spezielle polizeiliche und staatsanwaltliche Behörden aufgebaut werden, wie es sie für andere Berufskriminalität auf anderen großen Wirtschaftsmärkten längst gibt, bleibt alles wie es ist. So lange die Justiz nicht in der Lage ist, Täter auf Dauer aus dem Markt zu befördern, geht es da munter weiter. Ein paar DNA-Tests verstopfen nun erst einmal ein Einfallstor für den einfachen Fleischbetrug, aber sie ändern nichts an der grundsätzlichen Systematik des Wirtschaftsgebarens.

Das Erfolgsmodell: Markt ist, wenn größere Dreistigkeit siegt

Der eigentliche Hintergrund der ganzen Misere mit den Lebensmitteln liegt aber nicht in der Kriminalität, sondern in der Art des Marktes, der praktisch jedes Import oder Exportgeschäft zulässt. Bevor das billige und wohl meist gesunde Pferdefleisch als Rind in der Lasange gelangte, durchlief es mehrere Zwischenstationen. Es hätte, irgendwo dort im großen EU-Kühlhauslimbo Belgiens, der Niederlande oder unseres Nachbarn Frankreich, auch noch länger lagern können. Zertifizierte und zugelassene Betriebe stehen dafür immer zur Verfügung. Man hätte es von dort, je nach Marktdruck und Kontrollsituation, auch in andere EU-Länder verschieben können. Wofür wäre die große Kühlhauskapazität, die zwar energieintensiv ist, dafür aber sogar steuerbegünstigt betrieben werden kann, sonst auch gut?

Die falschen Grundprinzipien durften sich über Jahrzehnte frei entfalten und sie sind weiterhin politisch sehr erwünscht, weil die verantwortlichen Politiker der großen europäischen Volksparteien, wie die meisten Meinungsmenschen, weiterhin fest an das Prinzip der Vertragsfreiheit glauben, ohne ein Gespür dafür zu entwickeln, dass Märkte, egal welches Gut sie auch handeln, keine Ethik und Verantwortung kennen, wenn diese ihnen nicht extern vorgeschrieben wird. - Das gilt für Texte, wie für Lasagne aller Art.

Billig kann gut sein, stimmt der gesetzliche Rahmen

Billig kann gut sein, wir wissen es. Billig könnte tatsächlich noch viel günstiger sein! Auch das ist bekannt. - Würden unsinnige Größen- und Oberflächenormen, sowie die krankhafte Putzsucht fürs Marktregal endlich zugunsten von qualitativen Kriterien (Vitamin Gehalt, regionale Artenvielfalt, Geschmacksvarianten) abgeschafft, käme vieles noch günstiger zum Verbraucher.

Ein Drittel der erzeugten Grundnahrungsmittel landen nicht im Verkauf, weil sie optisch nicht den selbstgesetzten Handelsnormen entsprechen oder den erwünschten Preis, u.a. wegen der Ablaufdaten, nicht mehr erzielen. Ein weiteres Fünftel pfeffert der Verbraucher selbst in den Müll, weil er sich bei seiner alltäglichen Kaufroutine überschätzt und es sich das nicht eingestehen möchte.

Weil es nur noch um oberflächliche Qualitäten geht, führt diese bewusste Strategie ganz allmählich auch zu einer Ausdünnung des Angebots! Plötzlich konkurrieren mindestens drei foliert abgepackte Qualitätsstufen Golden Delicious oder Elstar (Apfel-Massensorten), nämlich konventionell, Bio nach EU-Standard und Bio nach Naturverbände-Siegeln, aber außer diesen, meist geschmackstoten, dafür aber oberflächenoptimierten Standard-Apfelsorten, liegt nichts geschmacklich Anspruchsvolleres in den neckischen Fruchtkörbchen der Supermärkte.

Es verhält sich damit, wie mit dem Eurovision Song Contest. Am Ende dürfen noch ein paar normierte Geschmacksvarianten (eher süß, ein klein wenig sauer) gegeneinander antreten, die zwar schön verpackt, manches Mal geradezu appetitlich daher kommen, aber gehaltlos und einfältig sind. Es gäbe geschmacklich und von den Inhaltsstoffen her, deutlich bessere Äpfel und Birnen für die Ladentheken der Republik. Die entwickeln aber weder die Farbe noch den Glanz, noch die Makellosigkeit der derzeitigen Massenware. Endlose Sortiervorgänge für die Massenware kosten viel Geld und die Art der Sortierung und Verteilung fördert schlecht bezahlte Jobs in der Agrarindustrie und im Einelhandel. - Niemand denkt darüber öffentlich nach.

Fazit

Zwei Merksätze gelten: Der Satz, „Der Konsument ist schuld.“, ist in einer vollentwickelten Marktwirtschaft nicht nur falsch, sondern eine bewusste Täuschung über die Macht der am Markt agierenden Bürger. Der Konsument oder Verbraucher, ist das letzte Glied der Kette, dem eine fiktive Macht nur zugeschrieben wird, um ihm beständig einzuflüstern: „Du bist bei uns König!“ - Aber, diese Macht darf sich, aus rein ökonomischen und ästhetischen Gründen, niemals wirklich realisieren. „König Kunde“ darf in der vollentwickelten Marktökonomie seine Herrschaft nie antreten, denn das wäre, sowohl für den Markt, als auch für diese Art der Gesellschaft, tödlich.

Der Verbraucher und Konsument hat meist gar keine Wahl. Die Produkte haben ein Wahl sich an ihm (Marktforschung, verfügbares Einkommen) zu beweisen. Heute liegt die ökonomische Schwierigkeit in der Realwirtschaft darin, überhaupt noch genügend Kunden zu finden die fleißig zahlen (daher z.B. das Gewerkschaftsdenken: „Gebt uns mehr Geld, damit wir mehr kaufen!“).

Die Talkshow, Erweiterung der Demokratie oder Konsum?

Der Publizist und bekennende TV-Talker Jakob Augstein setzt sich, durchaus gegen den Trend in der freien Presse, für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ein. Das ist gut so! - Tatsächlich sichern BBC, ARD, ZDF einen medialen öffentlichen Raum, der nicht einfach von den Marktverkäufern zu erobern ist, in dem also, -ideal gedacht-, zu Sachen, Werten und Personen verhandelt werden könnte, ohne einen Blick auf das Geschäft.

Leider vergisst Jakob Augstein, derzeit häufiger Teilhaber an so manchem Akt dieser „Erweiterung“, dass die Kriterien zur Teilhabe und die Ausgestaltung der medialen Formate, die er so idealisiert, ohne Not nach Kriterien der Werbung und des Marktes ausgehandelt werden.

Wenn er demnächst wieder einmal, in gemütlicher Runde, über die katholische Kirche, die neue Pille danach oder die Relevanz des Pferdefleischs für die Volksgesundheit mitdiskutiert, wenn unter Umständen mit TV- Pastor Fliege über Moral ganz grundsätzlich nachgedacht wird, wenn Bundestagspräsident Lammert und Altpräsident von Weizsäcker aus ihren Talk- Knautschecken heraus über „historische Aufführungspraxis“ am Theater und die Verderbtheit des Regietheaters ratschen, dann steht die Prüfung an, ob persönliche Anliegen und Interessen, begrenztes individuelles Wissen, die Schnelligkeit der Debatte, der begrenzte Zeitrahmen und der schielende Blick nach der Quote, wirklich zusammen fallen, mit einer, erst einmal nur behaupteten, Erweiterung der Demokratie. - Dafür nehmen einfach zu wenige Bürger am Spiel wirklich teil und es gehörte viel Mut dazu, dies zukünftig zu ändern.

Die Analogie zu den Verhältnissen auf dem Lebensmittelmarkt, der für Konsumenten so wenig transparent, frei und problemlos zugänglich ist und ihnen genau so wenig Mitsprache und vor allem Einsicht gewährt, fällt auf. Wie aber, könnte eine wirkliche Erweiterung der Fernseh- und Mediendemokratie durch die 150 bekannten, zirkulär auftretenden, sich demokratisch gebärdenden Talkshow-Gäste aussehen?

Christoph Leusch

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