Was will François Hollande? Interessiert das, neben Merkozy?- II

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Was will François Hollande? Interessiert das, neben Merkozy? -Teil II

Prolegomena, einfach voraus gesprochen

Die „pressierte Politik“ war so erfolgreich, weil sie sich einfach medialisieren lies! Teil I dieses Beitrags zur Wahl in Frankreich und zum Programm des sozialistischen Kandidaten beklagte das mediale Desinteresse an den Aussagen und Vorschlägen des aussichtsreichsten Bewerbers (( www.freitag.de/community/blogs/columbus/was-will-franois-hollande-interessiert-das-neben-merkozy--teil-i ).

Dafür beschäftigte die Medien das Mehlattentat auf Hollande, Marine Le Pens noch fehlende Zulassung zum ersten Präsidentenwahlgang, Sarkozys Flucht an Angela Merkels breiten Busen, - Man weiß nicht recht, ob das von ihm oder von seiner Partnerin aus der Uckermark mehr erwünscht war.-, die erkennbare Ermüdung und leicht depressive Stimmung des ersten „L´homme pressé“ im Élysée. Was wissen wir von Frankreichs Politik, was von den Wahlmöglichkeiten der Franzosen? Rien, nichts! Schreiben wir es ruhig dick in unsere Blogs, jene adulten Poesiehefte des extremen Augenblicks.

L´homme pressé, ein mediales Paradigma

Moi je vais vite très vite
Ma carrière est en jeu
je suis l'homme médiatique
Moi je suis plus que politique
Car je suis un homme pressé“

Ich geh´ schnell, sehr schnell. Meine Karriere steht auf dem Spiel. Ich bin der Mann der Medien. Ich bin mehr als nur Politik, weil ich der Mann unter Dampf (Strom) bin“, sang die französische Band „Noir Désir“ in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. - Zweifellos ist gerade Sarkozy ein immer bewegliches, immer sonnengebräuntes Mustermodell dieses Sich- selbst Machers, der sich anschließend vom eigenen Theater rühren lässt. Er fand, ganz ungewollt, in den ebenso Grenzen überschreitenden Rockern, gute Porträtisten (Text und Clip auf ados.fr, musique.ados.fr/Noir-Desir/L-Homme-Presse-t1115.html ), meinte nicht nur L´ Monde (music.blog.lemonde.fr/2011/11/05/nicolas-sarkozy-lhomme-presse/ ).

In Deutschland heißt es, schon ganz postdemokratisch und fluide, auch ein wenig zynisch, die Parteien wollten letztlich das Gleiche, nur mit dem je eigenen Personal. Der regelmäßige, rein formale Rollentausch auf allen Ebenen, eingeübt, professionalisiert, rotiert Personen die sich häufig schon Jahrzehnte kennen. Die Programme der stets irgendwie staatsführenden Parteien passen zueinander. - Angela Merkel beschleunigte diesen Trend noch, indem sie einem pragmatischen Opportunismus frönt. Abweichler braucht es höchstens noch um kleine mediale Feuerchen der Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ein paar Stinker, ein paar Tinker, ein paar Zinker und ganz wenige Denker sind da gut. Letztere dürfen dann ruhig auch ein wenig grau- oder weißhaarig sein! Gemacht wird die Politik von einer großkoalitionären Kaste, die gar keine wirklichen Gegensätze kennt.

In Frankreich ist das nun durchaus völlig anders. Im Wahlkampfteam des Herausforderers wimmelt es nur so von gut ausgebildeten, jungen, alten und vor allem eigenwillig denkenden Mitarbeitern (m/w). Davor hätten manche andere große europäische Partei mächtig Angst, denn solche unkontrollierbaren Personen, die man nicht einfach verpflichten kann, sie sind viel schwerer zu steuern. - Es war auch schon zur letzten Präsidentenwahl so, nur kaum jemand bemerkte es. Da unterlag Ségolène Royal, mit neuen Methoden (z.B. Internetplattform Désirs d´avenir, Regionalkonferenzen, Regionalismus) und einem politischen Beteiligungsmodell, nur knapp dem derzeitigen Amtsinhaber.

Zwei Modelle französischer Politik

Es ringen also zwei ganz unterschiedliche Politikmodelle um die Macht in Frankreich. Ein regierendes, das zentralistisch und populistisch angelegt ist und so seine Akteure handeln lässt. Die können zu jeder Zeit ihre programmatischen Aussagen über Bord werfen, sind bereit, sich von Augenblick zu Augenblick auf der internationalen und nationalen Bühne weiter zu hangeln und scheren sich wenig um die Konsistenz ihrer Politik, solange die Macht erhalten bleibt; gegen ein völlig anderes Verständnis von Politik, das Dezentralität bevorzugt und sich mit einer, nun über fast zwei Jahrzehnte ausgebauten, regionalen und lokalen Basis eine neue Chance zum Wechsel erarbeitet hat. Die Franzosen haben eine Wahl! - Ganz entfernt erinnert das an den parteiintern tot getretenen Versuch der ehemaligen hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti.

Das sozialistische Angebot reagiert, angesichts der weiter wachsenden sozialen und gesellschaftlichen Konfliktpotentiale, nicht mit dem populären Ressentiment, und geht daher ein hohes Risiko ein, die Stammtische und die Vorurteilsbeladenen niemals gewinnen zu können. Die PS Frankreichs ist eine Partei, die sich dem Populismus hartnäckig entgegen stellt und die leichtfertige Verdammung der Multikulturalität ebenso ablehnt, wie die fast alltägliche Abmeierung des Europa-Gedankens. - Ein Thilo Sarrazin in den eigenen Reihen, er wäre unter französischen Sozialisten ebenso undenkbar, wie die neuerdings grassierende Sucht parteilich rosagefärbter, weißhaariger Umweltrenegaten, es den Klimaskeptikern mit Hütchen und Wackeldackel leichter zu machen.

Die Parti Socialiste de France ist erkennbar anders als ihre sozialdemokratische Schwester. - Diese schickt sich gerade an, wieder als Juniorpartner zu dienen, und verkörpert das sogar in der Auswahl ihrer männlichen Gemischtwarentroika an der Spitze. Die konnte vorher gut mit den Konservativen und noch viel besser mit einer Kanzlerin Merkel und möchte das nun erneut unter Beweis stellen.

Schließlich hat eine Jahrzehnte alte, „geheime“ große Koalition, seit den späten Schröderjahren die „Neue Soziale Marktwirtschaft“ etabliert. Derzeit ist man parteiübergreifend stolz wie Bolle, dass die ökonomischen Rahmendaten stimmen, jedenfalls deutlich besser sind als in jedem anderen Industrieland der Welt. - Auf die ziehenden Mühlsteine unter der schnell dahin fließenden, spiegelnden Wirtschaftswasserfläche mag man nicht gerne schauen.

Nun aber, was will François Hollande, was will die PS? - Teil Zwei

II Die Gerechtigkeit und das Recht wieder herstellen

Unter dieser anspruchvollen Überschrift geht es um ganz profane Dinge, nämlich die Steuerpolitik und die Erhebung der Steuern. Hollande verspricht eine große Steuerreform, die die Abgaben auf Arbeitseinkommen (Einkommenssteuer, l’impôt sur le revenu ) und die auf Kapitaleinkünften und Vermietungen, bzw. Pacht, künftig gleich stellt. La contribution sociale généralisée (CSG), also die allgemeinen Sozialabgaben, ca. 83 Milliarden Euro im Aufkommen, ca. 18% der gesamten Ausgaben für soziale Absicherungen und die Einkommenssteuer, möchte er in einer neuen, vereinfachten Steuererklärung (prélèvement simplifié sur le revenu (PSR) ) zusammen bringen, das klingt alles sehr verlockend und nach Entbürokratisierung.

Die Fallstricke lauern in der unterschiedlichen Berechnung der Steuern und Abgaben. Sozialabgaben werden proportional nach der Einkommenshöhe, mit einer Untergrenze und einer Obergrenze, erhoben, die Einkommenssteuer funktioniert als Progressivbesteuerung.- Amtsinhaber Sarkozy verfolgt neuerdings den Plan, -eher ist es eine populistische Eingebung-, alle Steuerfragen nach dem Modell des deutschen Nachbarn regeln zu wollen. Das kommt konservativer und marktliberaler Politik entgegen, die eine ausreichend große Anzahl an Ausnahmetatbständen, Abschreibungsmöglichkeiten und Lastenausgleichen in den Gesetzen und Verordnungen wünscht, mit denen sich die versteckte Senkung der tatsächlich gezahlten Steuerund die anhaltende, deutliche Minderbesteuerung sehr hoher Vermögenseinkommen ausreichend gut verschleiern lässt.

Das kann Hollande natürlich nicht vorschlagen! Es bleibt abzuwarten, wie letztlich die vereinfachte Veranlagung sämtlicher Einnahmen aussehen wird. Allzu viele Steuergeschenke kann sich der Steuervereinfacher mit Ansage, im Wahlkampf mit dem regierenden Steuerverkomplizierer aus ideologischer Absicht, nicht leisten.

Für jene, die mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen, wird Hollande nicht als Wohltäter in die Geschichte eingehen. Allerdings ist ein Steuersatz von 45%für diese Einkommen, ab dem ersten Euro über dieser Grenze hinaus, nicht gänzlich unerträglich. Zusätzlich sollen alle Abschreibungsnichen auf die persönliche Steuerlast, die über einer Obergrenze von 10.000 Euro liegen, abgeschafft werden.

Den Eltern schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher in weiterführenden Schulformen mit niedrigen bis mittleren Einkommen, -ihnen steht, nach der Zahl der Kinder, derzeit eine staatlicher Zuschuss von 280-310 Euro für jedes Schulkind zu-, verspricht der PS-Kandidat 25% mehr und eine gerechtere Berechnungsgrundlage.

Hollande möchte die Abschläge auf die steuerpflichtige Anteile an Nachlässen und Erbschaften für die 5% reichsten Steuerzahler reduzieren. Hier sollen die direkten Erben nur noch bis zu einer Obergrenze von 100.000 Euro steuerfrei bleiben. - Klagen bis zum EU-GH, wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, sind in dieser Frage zu erwarten.

Das soziale Feld, Wohnen, die nächsten Generationen, die älteren Arbeitnehmer, Gesundheit und Sterben

Hollandes Pläne für eine Rentenreform sehen vor, wieder zum einst regulären Rentenalter von 60 Jahren ohne Abschläge zurück zu kehren, sofern der Antragsteller 41 Beitragsjahre oder entsprechende Äquivalente vorweisen kann. - Das ist auf jeden Fall populär und sichert die Rente der derzeit älteren Generation mit langer, kontinuierlicher Beitragszeit. Aber für die zukünftigen Renten, bei denen mit wesentlich mehr Ausfallzeiten gerechnet werden muss, hat Hollande bisher keine Lösung.

Die Sozialisten halten das Gesundheitswesen für eine öffentliche Aufgabe. Folgerichtig möchte der Kandidat die Verbindung von privaten Dienstleistungsfirmen und den Krankenhäusern wieder auflösen, die die derzeitige Regierung so sehr propagierte. - In dieser Beziehung ist Frankreich bisher nicht so weit gegangen wie der Nachbar Deutschland, der derzeit seine öffentlichen Krankenhäuser und Neubau-Altenheime privaten Trägern mit Gewinnabsichten überlässt.

Frankreich plagen die „medizinische Wüsten“ in der Fläche. Welcher Arzt will in der Ardèche oder zwischen Pyrenäengipfeln Hausarzt oder Kliniker sein, wenn die Ballungsräume locken und das Abrechnungssystem das begünstigt? Die Lösung Hollandes: Für diese Gebiete sollen Ärzte wesentlich besser ausgestattete Globalbudgets erhalten und in jeder Mangelregion neue medizinische Zentren entstehen. Das wäre die französische Variante des Poliklinikmodells!

Die Rettungszeit für Notfälle, so verspricht er, soll am Ende seiner Amtszeit bei maximal einer halben Stunde liegen.

Wie in Deutschland, entstand auch in Frankreich eine für einfache Patienten undurchsichtige Abrechnungspolitik. Geht jemand zum Arzt, so erhält er eine Rechnung die er bezahlt. Von der Kasse erhält er aber keinesfalls den vom Arzt verlangten Betrag, sondern es werden eine Reihe Pauschalen abgezogen. So kommt es zum Paradox, dass jemand voll versichert sein kann, jedoch trotzdem ein Drittel bis zur Hälfte der Gesundheitskosten selbst tragen muss! Damit möchte Hollande Schluss machen. - Die Pläne sind sehr optimistisch und sie werden sehr teuer!

Mutig, im Vergleich zur derzeit gültigen Gesetzeslage in Frankreich und zur allgemeinen Haltung in Deutschland , möchte François Hollande die aktiven Sterbehilfe einführen. Jeder der an einer unheilbaren Krankheit leidet, die zu einem nicht mehr linderbaren, physischen oder psychischen Zusammenbruch führt, soll das Recht auf eine medizinische Unterstützung erhalten, um sein Leben aus freiem Willen und in Würde zu beenden.

Frankreich plagt eine weit verbreitete Wohnungsnot. Arme und die unterere Mittelschicht, junge Leute und Studenten finden keinen bezahlbaren Wohnraum. Für die Regionen mit den größten Mietpreissteigerungen und dem größten Mangel, soll es künftig eine Mietpreisbindung geben, die sich an der Erstbezugs- oder ersten Folgemiete orientiert. - Wieder eine wohlklingende Idee, die aber Härte in der Umsetzung verlangte, allerdings über die Bürokratie der Erhebung der Ausgangsmiete leicht zu verwässern wäre.

Weiterhin geplant: Eine staatliche Unterstützung bei der Kautionssumme. Oft scheitert schon daran die Anmietung einer Wohnung! 2,5 Millionen Wohneinheiten über die ersten fünf Jahre der Präsidentschaft möchten die Sozialisten im Rahmen eines gestaffelten Sozialwohnungsbau-Programms erstellen. Gemeinden, die keinen Sozialwohnungsbau betreiben, sollen Strafabgaben zahlen. Vorschriften in der Stadt- und Kommunalplanung, sollen eine soziale Durchmischung bei der Anlage neuer Wohngebiete bewirken. Dabei würde ein Drittel der Wohnungen vorwiegend staatlich gefördert, ein Drittel staatlich bezuschusst und ein letztes Drittel frei verkäuflich erstellt.

Hollande möchte entschieden gegen prekäre Beschäftigung vorgehen. Dafür gehören Strafgelder für jene Firmen, die reguläre Arbeitsplätze durch prekäre ersetzen. Betriebe über 500 Arbeitnehmer sollen verpflichtet werden, jährlich über die Art und den Stand ihrer Beschäftigungsverhältnisse Auskunft zu geben.

In den Staatsbetrieben soll eine Lohnobergrenze eingeführt werden. Der Unterschied zum niedrigsten Lohn darf nicht mehr als das 20fache betragen.

Der Kandidat möchte die vermehrten Identitätskontrollen der Polizei nach der ungeschriebenen « délit de faciès » -Regel abschaffen. Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass die Stadtpolizei und die Gendarmerie Frankreichs Verdachtskontrollen vorwiegend nach Hautfarbe, Gesichtsformen, Sprache und Kleidung durchführt. Das hatte in den letzten Jahren in den Banlieues zu heftigen Reaktionen der Betroffenen geführt und die Einstellung zur Polizei vor Ort vergiftet. Weiterhin spricht sich Hollande für die Wiedereinführung von Kontaktbeamten mit Sprachkenntnissen aus, die ein Büro im jeweiligen Stadtteil unterhalten. -Das sind dann die segensreichen „Vertelsbuzze“, wie man bei uns in Rheinhessen sagen würde. - Sie wurden unter Sarkozy, zugunsten von mehr gut ausgerüsteten Einsatzgruppen und der militärisch auftretenden Gendarmerie, reduziert.

Leicht hingeschrieben, aber in Gesetzesform wäre es schon eine kleine Revolution: Homosexuelle Paare sollen nicht nur in den Ehestand treten können, sondern auch das Recht erhalten Kinder zu adoptieren. Eine weitere Absichtserklärung ist die tatsächliche Durchsetzung eines 6%igen Anteils der Arbeitsplätze für Menschen mit Handicaps in allen Arbeitsbereichen. Bisher konnten sich Firmen von dieser Verpflichtung relativ einfach freikaufen.

III Hoffnung für die Junge und die Ältere?

Was bietet der PS-Bewerber für den Arbeitsmarkt an? - Unternehmer und Gewerkschaften sollen sich, unter der Regie des Staates auf einen Sozialpakt einigen, der jedem erstmals eingestellten, jungen Mitarbeiter nach der Probezeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag sichert. Zusätzlich soll es 150.000 staatlich geförderte Einsteigerjobs für junge Berufanfänger geben. - Mittlerweile denkt die Parteichefin der PS, Martine Aubry, heftig wahlkämpfend, schon an 300.000.

Ein geschickter Schachzug Hollandes ist das Versprechen, die Besteuerung von Überstunden und Stunden ausserhalb der Regelarbeitszeiten für die kleinsten Betriebe (TPE) zu senken. Das verbessert die Chancen des kleinen und kleinsten Einzelhandels, gegen die übermächtigen Großmärkte.

Den angestrebtenSozialpakt wird Hollande dringlich nötig haben, wenn seine Arbeitsmarkt und Weiterbildungspläne erfolgreich sein sollen.

Das französische System der „Formation (professionelle) continue“ (der (berufliche)Weiterbildung und Weiterentwicklung) ist für uns schwer durchschaubar. Seit Anfang der 70er Jahre wurde es ausgebaut und stellt eine Art staatlich verordneter Sozialpartnerschaft für Berufseinstiege, Weiterbildung und Beförderung nach Qualifizierungsmaßnahmen, über die ganze Lebensarbeitszeit dar. Anders als in Deutschland, ist die Verzahnung staatlicher Maßnahmen und Vorschriften, innerbetrieblicher und gewerkschaftlich ausgehandelter Aktivitäten, viel enger und komplexer. Hollande beabsichtigt, mehr Sicherheit in die Karrierepläne (parcours professionnels) der Neuanfänger zu bringen und einen strukturierten Übergang für ältere Arbeitnehmer einzurichten, der nicht zu erheblichen Lohnkürzungen führt. Bei den Beschäftigten gilt es das erreichte Lohnniveau nach Qualifikationen zu halten. Derzeit droht da häufig die Abwärtsspirale nach einer Entlassung. Er möchte die Maßnahmen der Arbeitsagenturen und der Formation, immerhin etwas 30 Milliarden Euro/Jahr, stärker auf Problemregionen und prekäre Berufssparten konzentrieren.

Im Bildungssektor möchte die PS 60.000 Stellen über fünf Jahre schaffen. Vorrangig soll die Vorschule und die Grundschule gestärkt werden, sowie der Zugang zu Kindergärten und zur Frühbetreuung. Darüber hinaus, verspricht Hollande die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu halbieren (derzeit 6-8% landesweit, in Problemgebieten, bis 30%) und, das ist ein großes Wort, er bietet jedem schulentlassenen Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren, entweder einen nachholenden Abschluss, ein staatlich vermitteltes Berufspraktikum oder eine erste Arbeitsstelle im öffentlichen Sektor an.

An den Hochschulen sollen die Grundstudien entschlackt und die frühzeitige Spezialisierung verhindert werden. Das steht in gewissem Gegensatz zur Absicht, die Autonomie der Hochschulen zu verbessern und die demokratischen Elemente der Selbstverwaltung auszubauen. In den Studiengängen soll mehr Flexibilität herrschen, um auch Leistungen aus anderen universitären Bereichen angerechnet zu erhalten (passerelles).

Ein Generationenprojekt ist ganz sicher, die Energieversorgung Frankreichs maßgeblich zu verändern. Von derzeit 75% Anteil der Nuklearenergie an der Stromerzeugung möchte Hollande auf 50% im Jahr 2025 kommen und die erneuerbaren Energien ausbauen.

Die Umweltgüter, Energie, Wasser und Abwasser sollen künftig progressiv nach Verbrauch bezahlt werden. Solche Vorschläge dürften, wie bei uns, die Industrie und Gewerbe nicht gerade freuen und auch bei einigen Privatleuten für Unmut sorgen. Derzeit wird z.B. der Stromverbrauch der Haushalte versteckt subventioniert! Gerade einmal eine Million Wohnungen möchte Hollande mit einem Förderprogramm energetisch sanieren.

Sehr idealistisch klingt der Plan des Präsidentschaftsbewerbers, jeden Franzosen künstlerisch zu bilden. Ein wenig erinnert das an längst vergangene Zeiten bei uns, als es hieß „Kultur für alle“. Leichter umzusetzen ist die Rücknahme der gerade erhöhten Mehrwertsteuer auf Bücher und Eintrittskarten von 7% auf die ursprünglichen 5,5%.

HADOPI ( Haute Autorité pour la diffusion des oeuvres et la protection des droits sur l'Internet ), soll fallen, wenn der Sozialist in den Élysée einzieht. Ein neues Urheberrecht sichert dann, dass z.B. Carla Bruni-Sarkozy mehr Geld für ihre Liedchen bekommt, wenn sie ein Publikum erreichen, und die Rechtekäufer, Rechteverwalter und Rechtesammler, die bisher von den neuen Mediengsetzen profitierten, nicht mehr so einfach für Ausschnitte, Links und Vernetzung im Internet kassieren können. Wer siegt, die Künstler-Urheber oder die Anwaltsteams der Produzenten,Verleger, Medienhäuser?

Christoph Leusch

Zur Belohnung für so viel Text. Wunderbar, dass ihr durchgehalten habt und nun zum Klub der „Savants Allemands de France“ gehört:

Die Band Ogres de Barback stellt uns den kleinen Nicolas vor und einige eindrückliche Kollagen und Bilder zeigen Szenen einer Präsidentschaft.

www.youtube.com/watch?v=NlV4zCl3r3k

Nützlich: Die 60 Punkte als PDF. francoishollande.fr/assets/Uploads/Projet_presidentiel_Francois_Hollande.pdf

Wer sich für das Wahlkampfteam des Sozialisten interessiert, der schaue hier:

www.freitag.de/community/blogs/columbus/franois-hollande-und-seine-quipe-auf-den-stufen-zum-lyse

Demnächst folgt Teil III, Die Erneuerung der Demokratie

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