Fukushima-GAU veränderte Tiere und Menschen

Atomkraft Nukleare Auswirkungen der anderen Art

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Die Atomkatastrophe in Japan traf das Land schwer. Mehr als Hunderttausend Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Wie traumatisch sich die Folgen des Super-GAUs auf die zurückgelassenen Hunde auswirken, zeigt eine Studie. Demnach sei die Katastrophe äußerst belastend für sie. Auf Seiten der menschlichen Betroffenen könne es ebenfalls zu psychischen Auswirkungen kommen. Eine weitere Veröffentlichung deutet auf Missbildungen bei Schmetterlingen hin. Spätere Generationen seien dabei weitaus stärker betroffen. Die Arbeiten erschienen in dem wissenschaftlichen Fachblatt Scientific Reports.

Einen Monat nach ihrer Rettung wurden die Hunde untersucht: Im Ergebnis wären sie deutlich weniger anhänglich und schlechter trainierbar als die Kontrollgruppe. Zudem verhielten sie sich weniger aggressiv gegenüber Fremden. Nach Überprüfung des Gesundheitszustandes erhielten die Fukushima-Hunde ein zwei- bis dreimonatiges Resozialisierungs-Training. Anschließend erfolgte eine erneute Beurteilung: Auch diesmal zeigten die Tiere eine sichtbar geringere Anhänglichkeit als die Vergleichsgruppe, schreiben die Forscher. Allerdings hätten sie nun erheblich weniger Trennungsängste.

Ferner wurden die Stresshormone der Hunde gemessen. Genauer: die Cortisol-Spiegel. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wären diese fünf- bis zehnmal höher. Selbst zehn Wochen nach ihrer Rettung. Insgesamt deuten die Ergebnisse auf größten Stress hin, denen die Tiere ausgesetzt waren. Die geringere Anhänglichkeit sowie Trainierbarkeit weise Ähnlichkeiten zu Symptomen auf, die Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen, einer psychischen Erkrankung, haben können.

17 Hunde, die die Folgen der Nuklearkatastrophe mit samt dem zugrunde liegenden Erdbeben und dem darauf folgenden Tsunami erlebten, bezogen die Forscher in ihre Studie ein. Hinzu kommen acht Hunde, welche die Kontrollgruppe darstellten. Besagte 17 Tiere erfuhren neben der plötzlichen Trennung von ihren menschlichen Familienmitgliedern eine schlagartige Änderung ihrer gewohnten Umgebung. Familienmitglieder seien für Hunde jedoch unverzichtbar, um normale Verhaltensweisen aufrecht zu erhalten.

Auch an die Menschen geht die Katastrophe nicht spurlos vorbei. Etwa 15 Prozent der japanischen Erwachsenen sollen Anzeichen von extremem Stress aufweisen, berichtet ein Autor in der Nachrichtensparte des Fachmagazins Nature. Das sei fünf Mal höher als üblich. In einem von fünf Fällen könne es sich gar um ein seelisches Trauma handeln. Ein ähnliches Verhältnis gäbe es unter den Ersthelfern bei den Anschlägen vom 11. September. Die Wissenschaftler hätten mehr als 90 000 Fragebögen ausgewertet, die die Evakuierten zuvor ausfüllten. Eine andere Umfrage belege, dass die Kinder der Betroffenen doppelt so hohem Stress ausgesetzt wären wie der Durchschnitt. Beantwortet wurden die Fragen von den Eltern.

Die zweite eingangs erwähnt Studie legt nahe, dass die bei der Nuklearkatastrophe freigewordene Strahlung zu missgebildeten Schmetterlingen führt. Ihr zufolge wären bei gut zwölf Prozent der untersuchten Tiere leichte äußerliche Veränderungen sichtbar. So hätten sie beispielsweise kleinere Flügel oder verformte Augen. Im Laven-Stadium wären diese Individuen der ausgetretenen Strahlung ausgesetzt gewesen. 144 erwachsene Exemplare wurden ungefähr zwei Monate nach dem Reaktorunfall gefangen.

Später züchteten die Wissenschaftler die Tiere aus der Familie der Bläulinge im Labor weiter. 18 Prozent der Nachkommen entwickelten deutliche Missbildungen. In der nächsten Generation wären es knapp 34 Prozent gewesen. Und das, obwohl eines der beiden Elterntiere aus einer gesunden Population stammte. Ein halbes Jahr nach der nuklearen Katastrophe fingen die Forscher erneut Schmetterlinge. Diesmal wiesen 28 Prozent Missbildungen auf. Bei den Nachkommen waren es 52, beziehungsweise in der Folgegeneration 60 Prozent, wie aus der Studie hervorgeht. Laut den Wissenschaftlern lassen ihre Erkenntnisse auf strahlungsbedingte Erbgutschäden schließen.

Ganz anders sieht das hingegen Timothy Jorgensen. Er ist Strahlenbiologe, Professor an der Georgetown Universität in Washington, D.C. und Vorsitzender des universitären Ausschusses für Strahlensicherheit. Jorgensen sieht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fukushima-GAU und Erbgutschäden als nicht bewiesen. Er wirft den Autoren Ungereimtheiten in ihrer Arbeit vor. Obendrein würden frühere, „umfassendere“ Veröffentlichungen sich nicht mit den neuen Ergebnissen decken.

Am 11. März ist die Katastrophe drei Jahre her. Bis heute treten radioaktive Stoffe aus. Evakuierungs- und Sperrzonen bestehen weiterhin. Die Aufräumarbeiten dauern an. Das Auswärtige Amt in Deutschland warnt „weiterhin ausdrücklich vor Aufenthalten in der engeren Region um das Kernkraftwerk Fukushima“. Mit einem erhöhten Krebsrisiko infolge der Strahlung ist in einigen, den am stärksten betroffenen Gebieten Japans, zu rechnen, schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Besonders bei den Kraftwerksmitarbeitern, Helfern direkt am Unfallort und den erst spät Evakuierten sei davon auszugehen. Für die Weltbevölkerung und alle anderen Japaner bestehe die Risikoerhöhung nicht. Gegenwärtig konnten keine strahlungsbedingten Todesfälle zweifelsfrei nachgewiesen werden, wie die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheitanmerkt.

Weitere Infos gibt es hier.

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Geschrieben von

cyberling

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