Unter den Gerechten der Völker

Keine Araber? Der amerikanische Schriftsteller und Historiker Robert Satloff suchte nach arabischen Äquivalenten zu Oskar Schindler und Raoul Wallenberg

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In arabischen Ländern ist wenig über die Shoah bekannt, sie wird oft relativiert oder geleugnet und ist nicht als Trauma vor allem der europäisch-stämmigen Juden anerkannt. Muslimen wird per se die Kollaboration mit den Nazis unterstellt, die Protokolle der Weisen von Zion und andere moderne Mythen scheinen unausrottbar, das palästinensische Trauma der Nakba wird nicht akzeptiert, sondern ist in Israel verboten. Muslime scheinen die Mißachtung der Menschenrechte der Palästinenser als eine Art Phantomschmerz zu empfinden, ein Schicksal, das sie zwar nicht selbst betrifft, dem Leid der Palästinenser gilt aber große Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Die Araber wurden für viele Israelis zu einer Art Ersatz-Nazis, zur tödlichen Bedrohung nach dem Versuch der Vernichtung durch die Nazis. Die Kluft zwischen muslimisch und christlich-jüdisch beeinflusster Welt scheint spätestens seit 9/11 unüberbrückbar.

In Yad Vashem wird den Gerechten unter den Völkern gedacht, denjenigen, die entgegen der Haltung der Mehrheit und unter großem persönlichem Risiko Juden vor Verhaftung und Vernichtung bewahrten. Dort ist unter den mehr als 24.000 Namen nicht ein Araber zu finden. Ungeachtet des Umstands, daß in vielen muslimisch dominierten Ländern über sehr lange Zeiten Juden ein wichtiger Bestandteil der jeweiligen Kultur waren, in einigen wenigen immer noch sind. Ungeachtet des Umstands, daß in Europa, in arabischen Staaten und überall auf der Welt ein Interesse an der Vernichtung der Juden im 3. Reich kaum vorhanden war, es aber überall Ausnahmepersönlichkeiten gab (und gibt).

Als seinen Beitrag zu Frieden, Völkerverständigung und Überwindung der durch 9/11 und den War on Terror noch vertieften Gräben machte sich Robert Satloff, Leiter des Washington Institute for Near East Policy (WINEP) auf die Suche nach dem einen Araber, der dem einen Juden das Leben rettete. Er suchte Äquivalente zu Oskar Schindler und Raoul Wallenberg und förderte dabei einen weitgehend unbekannten Bereich jüdisch-arabischer Geschichte zutage. Seine Suche führte ihn durch die Maghreb-Staaten, nach Frankreich, in die USA, wo jüdische und arabische Zeitzeugen und ihre Nachkommen leben, er forschte über deutsche, französische, italienische KZs in Algerien, Libyen, Tunesien, Marokko, die vor allem das Konzept Vernichtung durch Arbeit praktizierten, es gab mehr als 100 davon.

Als eine der Ausnahmepersönlichkeiten zu erwähnen ist König Mohammed V. von Marokko, der erklärte, in seinem Reich gäbe es keine Juden und Muslime. sondern nur seine marokkanischen Untertanen. Als ein Vichy-General ihm 200.000 Judensterne zu überreichen versuchte, entgegnete er, das sei nicht genug, es seien 20 zu wenig. Auf die Frage des Generals, warum genau 20, antworte er 'Weil meine Familie und ich genau 20 sind'.

In Algier war eine Reaktion auf die antijüdischen Vichy-Gesetze, daß die Imame von den Kanzeln ihrer Moscheen herab verboten, daß Muslime enteignetes jüdisches Eigentum verwalten, die Muslime in Algier hielten sich daran.

Selbst im von den Nazis unmittelbar okkupierten Tunesien erklärte der Bey von Tunis, Mohammed Al Muncef, er betrachte die Juden im gleichen Maß wie die Muslime als seine Kinder, er versuchte, die jüdischen Gemeinden zu schützen, ihre Verfolgung wenigstens zu verzögern.

Erwähnt werden beispielhaft auch Araber aus der Zivilgesellschaft, die Juden versteckten und retteten: Mohammed Balul El-Gadri, Hamza Abdul Jalil, Khaled Abdul Wahad.

'Er hat Herrn Nakasche versteckt, weil Juden und Muslime fast wie Brüder waren ... Für uns ist das eine Ehre. Ob Jude, Christ oder Muslim, wir sind doch alle Menschen.'

Der Film Gesucht wird ... der arabische Schindler ist noch ein paar Tage bei arte+7 zu sehen.

Gesucht wird ... der arabische Schindler

Das Bild der Synagoge La Ghibra stammt von Karl Heinz Paetzold [Public domain], via Wikimedia Commons

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