Weshalb es nicht gleich ist, was wir essen

Karotten vom Baum... Die saturierten Wohlstandsmenschen schlagen sich die Bäuche voll mit Fleisch & Wurst und meinen, alles wäre wurscht, dabei ist gar nichts wurscht, selbst ihren Gott essen

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........ sie in kannibalistischen Akten auf. Gedanken zu den Fragen, warum man Gott nicht essen kann, weshalb die Natur kein Supermarkt mit Fleischtheke ist und wieso der Westen über seine Kultur nachdenken muss…

Eine Frage der Kultur

Es ist nicht gleich, was wir essen. Nicht gleich -- für uns selbst nicht und für andere nicht. Es geht nicht nur um ernährungsphysiologische Aspekte. Es geht um gesellschaftliche und soziale Fragen und es geht darum, dass wir Teil der Natur bzw. der Schöpfung sind. Und es geht um Kultur.

Tiere leben. Pflanzen leben auch.

Sündenfall ---- Warum der Apfel unschuldig ist und am Baum der Erkenntnis vermutlich Karotten baumelten:

Gewaltfreie Ernährung bedeutet das Leben der anderen zu achten. Tiere fühlen – wie wir Menschen auch, sie empfinden Schmerz, kennen Agonie. Alles Lebendige will leben und empfindet – auch Pflanzen. Gewaltfreiheit bedeutet nicht zu töten. Tiere dürfen nicht geschlachtet werden. Und auch alles an Pflanzen, das wachsen und leben will, ist nicht zum Verzehr gedacht. Tiere zu töten und sie zu verspeisen ist eine niedere und blutrünstige Tat und höchst verwerflich. Und selbst Pflanzen, Körner, Samen wollen blühen und aufgehen dürfen. Eine gewaltfreie Ernährung würde bedeuten, auch von Pflanzen nur das zu essen, was man essen kann - ohne den Pflanzen das Leben zu nehmen: Früchte und manche Sorten von Gemüse. Milch und Honig ist hingegen bei weitem nicht so problematisch wie viele Veganer/innen meinen, weil (wenn in Maßen genommen wird und nicht alles) kein Lebewesen dadurch verletzt oder getötet wird. Äpfel ja und Karotten nein. Und Tiere sind nicht dazu da, um als Steak und Currywurst auf dem Teller zu landen, sondern Tiere haben ein Lebensrecht und ein Recht auf körperliche Unversehrtheit wie Menschen auch.

„Fressen und gefressen werden.“ So ein Blödsinn!

Für mich ist die Ausrede der Fleischesser/innen, dass in der Natur das Prinzip herrschen würde: „Fressen und gefressen werden“ – kein Argument! Was für ein Schwachsinnsargument das ist, können sich Fleischesser selbst beantworten, wenn sie nur konsequent zu Ende denken würden, was es in der Konsequenz bedeuteten würde.

Keine Ausbeutung! Und ein striktes Tötungsverbot.

Tiere und Pflanzen sind der Spiegel der menschlichen Seele, wir sind Teil der Natur bzw. Schöpfung und alles steht in Beziehung. Diese Beziehung sollte nicht durch Ausbeutung und Blutvergießen bestimmt sein, sondern von Mitgefühl getragen werden. Die Natur ist durcheinander Brüder / Schwestern morden sich (Krieg) und Lebewesen gehen jagend, Zähne fletschend und beißend oder mit Waffen und Schlachtmessern aufeinander los, reißen sich, vergießen Blut und fressen sich (Fleischkonsum). Wann hört das alles auf? Wann wird Mitgefühl das Leben bestimmen? Wir brauchen ein striktes Tötungsverbot – wie es der Buddhismus kennt! Und eine Kultur des Mitgefühls.

Über den Garten und über die Liebe

Die Rückkehr in den Garten bedeutet für mich, dass Liebe und Frieden zurück in die Natur kommen.

Es ist nicht gleichgültig, ob das, was wir essen, vorher atmete oder nicht, weil Menschen nehmen mit der Nahrung den Todeskampf auf (schon rein physiologisch betrachtet, all die Hormone, all das, was physiologisch in den Augenblicken des Sterbens und im Tod ablief ist im Fleisch – die Angst des Tieres, der Schmerz, das Leid - haben eine physiologische Seite). Und Tiere und Pflanzen haben eine Seele. Es ist nicht nur aus Sicht der Ernährungsphysiologie ein Irrsinn, Fleisch und Pflanzen (Ausnahme Früchte und Gemüse, das Frucht ist (und nicht überlebensnotwendiger Bestandteil der Pflanze (wie z. B. Wurzelgemüse)) zu essen, sondern auch herzlos und kalt:

Das Gehirn ist ein Stoffwechselorgan, überhaupt beruht Leben auf Stoffwechsel, damit auf Beziehung, diese Beziehung sollte auf Mitgefühl beruhen, nicht auf Blutvergießen. „Du bist, was Du isst“, sagte Garfield einmal, da ist was dran. Mord stößt die Menschen ab, aber Tiere und Pflanzen zu töten ist nicht weniger gruselig, nicht weniger grausam. Fleisch zu essen, ist aus Gründen der Selbstliebe, weil der Mensch sich nichts Gutes damit tut – weder physiologisch (Gehirnstoffwechsel etc.) noch seelisch (Verrohung), und aus Gründen der Nächstenliebe, weil Lebewesen gemordet werden, kaltblütig, verwerflich, unethisch. Wer buddhistische Meditation übt – z. B. das Zazen des Zen-Weges, weiß, dass eine vegetarische Ernährung mindestens zwei positive Seiten hat: es geschieht etwas auf physiologischen Ebene, der Körper, das Gehirn beginnen anders zu arbeiten, durch die vegetarische Ernährung entsteht ein anderes Körpergefühl, etwas wie Ruhe und Friede und Liebe kehrt in den Körper ein. Und in Verbindung mit der richtigen Haltung und dem Atem geschieht etwas wie Erwachen, das hat mit Herz-Geist zu tun.

Tanz und die Schleier fallen

Im Buddhismus ist der Mensch Teil eines Zusammenhanges einer sich wechselseitig bedingenden Wirklichkeit. Das heißt nicht, wie es viele westliche Rezipienten/innen meinen, dass der oder die Einzelne bedeutungslos wird und wie in einer großen Suppe verschwindet. Form ist Leere und Leere ist Form heißt es im Mahaprajnaparamita-Hridaya-Sutra (Herz-Sutra). Weder lässt sich das eine auf das andere noch das andere auf das eine reduzieren. Leere (sanskr. shunyata, jap. ku) bedeutet nicht Inhaltsleere oder ein negatives Nichts, sondern Erwachen ist, um bildlich zu sprechen - vielmehr so als würde ein schwerer Vorhang oder ein Schleier fallen, der uns von Herz und Geist trennt – etwas geht auf, öffnet sich. Dehiszenz. Um ein Sinnbild zu verwenden: Eine Tänzerin enthüllt sich, der schwere Stoff, mit dem wir Menschen uns eingewickelt haben, den wir fälschlicherweise für uns selbst hielten, fällt - das, was uns von anderen trennt, fühllos ist, fällt ----- und die fühlende Haut, Herz-Geist enthüllt sich. Die Tänzerin löst sich deswegen nicht in Nichts auf, ganz im Gegenteil.

tragen und halten

Dharma (sanskr.) das kommt von „tragen“ und „halten“ ist ein zentraler Begriff buddhistischer Religion und Ethik. Während in den westlichen Religionen und im philosophischen Idealismus alles in die Transzendenz abdriftet und im Materialismus alles in Immanenz erstarrt, gibt es im Buddhismus einen lebendigen Zusammenhang – alles trägt, hält und bedingt einander. Es gibt kein vollkommenes individuelles Erwachen, sondern das große Erwachen wird im Mahayana-Buddhismus in der Erlösung aller Lebewesen verwirklicht.

der Fächer, die Winde des Himmels und Vögel

Während der Westen Menschen in moralischer und in falsch verstandener christlich-religiöser Sicht als etwas wie Payback-Punkte-Sammler/innen ansieht, die irgendwann ihre Punkte einlösen für eine Art Prämie – ein mehr oder weniger großes Stück Himmel in Belohnungs-und-Snack-Format, ist Erlösung im Buddhismus sehr einfach und selbstverständlich gedacht, man/frau könnte es am ehesten mit den Worten der Bergpredigt in ein westliches Bild übersetzen: die, welche reinen Herzens sind, schauen den Himmel, bzw. Verwirklichen das Erwachen im Hier und Jetzt. Dieses Schauen ist mehr als ein Schauen, ist Berührung im Innersten umfasst im Buddhismus (und ich behaupte auch in der Bergpredigt) den Atem, den Grund des Atems und Haut und Haare und Fleisch und Blut, Herz-Geist – ist Innigkeit-Offenheit (ist immanent-transzendent). Das Karma-Denken im Buddhismus hat nichts zu tun mit dem Sünden-Strafgerichts-Denken im institutionalisierten MachtChristentum (Jesus Bergpredigt klingt hingegen sehr buddhistisch). Im Buddhismus ist es einfach so, dass, wer nicht reinen Herzens (jap. shin, Herz-Geist) ist und nicht in Verbindung ist mit seinem/ihrem Atem und dessen Grund und wer Unheilsames (sanskr. akushala) tut (z. B. Fleisch isst usw., aus Gier (lobha), Hass (dvesha), Verblendung (moha) handelt), verblendet sich selbst, schneidet sich selbst ab, ist wie ein Vogel, der die Weite und Winde nicht mehr spürt und die Luft vergisst, die ihn umgibt, aber die Luft - ein Sinnbild für die Erlösung, die alle Lebewesen trägt wie einen Vogel die Winde tragen, ist dennoch da und allgegenwärtig, nur nicht mehr wahrnehmbar für die Verblendeten. Das Einhalten der buddhistischen Regeln (Fleischverzicht…) und das Tun von allem Erlösungswirksamen (sanskr. kushala) und die Zazenübung (das Sitzen im Lotussitz) wird von Zenji Dogen von daher mit einem Fächer verglichen, ein Fächer macht sinnbildlich gesprochen die Luft durch die Bewegung des Fächers wahrnehmbar.

Ein/e Erwachte/r ist nicht gleichgültig gegenüber den nicht-erwachten Lebewesen, sondern fühlt Mitleid und ist bemüht um deren Erlösung. Solange Verblendung, Gier und Hass in der Welt sind, gibt es Leid in der Welt und immer neues Leid. Bodhisattvas begegnen den Lebewesen mit Mitleid und Liebe (sanskr. karuna). Das ist keine kitschige Liebe, sondern eine Liebe, die von Antlitz zu Antlitz (würden wir westlich mit den Worten Levinas sagen), buddhistisch formuliert von Herz-Geist zu Herz-Geist gelebt wird. Es sind immer Begegnungen jenseits von Konventionen und Institutionen, Begegnungen nicht der Macht, sondern der Liebe, Begegnungen, in den die Menschen selbst, die es unmittelbar betrifft und berührt, sich von Angesicht zu Angesicht begegnen, Bestätigung wie Kritik wird direkt von Mensch zu Mensch gelebt. Es gibt viele Koans und buddhistische Erzählungen, die vergleichbar sind mit dem Gespräch, das Jesus mit dem Zöllner führte. Liebe und der Glaube an Wandel ist der Weg. Das große Erwachen ist dann verwirklicht, wenn alle Lebewesen gerettet sind. Bodhisattvas sind zwar erwacht, gehen aber aus Liebe und Mitleid zu den anderen Lebewesen nicht ins endgültige und vollkommene Nirvana ein, ehe nicht alle Lebewesen gerettet sind, deshalb lautet eines der vier großen Gelübde der Buddhisten/innen: Alle Lebewesen gelobe ich zu retten. Ein buddhistischer Gelehrter formulierte einmal, während die Christen/innen Selbst- und Nächstenliebe sehr eng definieren und aus buddhistischer Sicht egoistisch auslegen, umfasst die buddhistische Selbst- und Nächstenliebe alles, die ganze Natur und alle Lebewesen, sie ist Selbst-, Nächsten- und Fernstenliebe.

Die westlich-kapitalistisch geprägten Kulturen beruhen auf Konkurrenz und Ausbeutung, die Natur, selbst Tiere sind Lieferanten von Rohstoffen und Ressourcen. Mitgefühl ist sowohl im sozialen Miteinander der Menschen in Konkurrenz- und Leistungsgesellschaften als auch mit Blick auf die Natur ein Ausnahmezustand.

So ein Durcheinander! So ein Saustall, ähm Menschenstall! ------ Oder warum es keine Ställe geben darf!

Das westliche „Fressen und Gefressen werden“ ist so primitiv. Die Natur ist nicht schlecht oder grausam, sie ist der Spiegel der Menschen und durcheinander geraten, genauso durcheinander wie die Menschen auch. Ein arger circulus vitiosus ist das: Die westlichen Menschen nehmen sich das, was eh schon im Argen liegt in der Natur, weil sie die Natur durch Ausbeutung durcheinander brachten und immer noch mehr durcheinander bringen, zur Ausrede für noch mehr Ausbeutung und Durcheinander. Das Fressen und Gefressenwerden kam nachträglich in die Welt. Hunde und Katzen von vegetarisch lebenden Menschen, die ihre Tiere auch vegetarisch ernähren, leben wunderbar ohne Fleisch und sind pumperls gsund.

Die Friedensvision von Jesaja 11,6 ff., bei der Wolf und Lamm, Löwe und Kalb und alle in Freiheit und Frieden miteinander leben, ist vollkommen realistisch. Außerdem sollten die Menschen, die Tiere einsperren und in Ställe und Käfige zwingen, den Tieren ihre Freiheit zurückschenken. Tiere sind nicht mit dem Halsband und Strick um den Hals geboren, sondern freie Lebewesen – wie wir Menschen auch. Tiere können die Menschen besuchen und bleiben - solange die Tiere das möchten, aber kein Mensch hat das Recht, ein Tier einzusperren in Käfige und Ställe, zu jagen und gefangen zu nehmen, anzubinden an Leinen und Ketten.

Und!

Und es ist nicht gleichgültig, ob die Erde mit Blut getränkt ist oder nicht. Nicht gleichgültig, ob Kriege toben oder nicht. Nicht gleichgültig wie Menschen miteinander und mit anderen Lebewesen umgehen. Es ist nicht gleichgültig, ob die Natur zerstört wird oder nicht. Es ist nicht gleichgültig, ob Tag für Tag in Schlachthöfen zahllose fühlende Lebewesen niedergemetzelt werden und in den Bäuchen von saturierten Wohlstandsmenschen verschwinden oder nicht.

Kunst des Teilens

Wir leben sowohl physiologisch als auch mit Blick auf Herz-Geist in einem Zusammenhang – sind Teil voneinander. Keines der Teile ist reduzierbar auf ein anderes, aber auch kein Teil ganz ohne alle anderen. Jede noch so unscheinbare Blume ist mit ihrem Leben so wertvoll wie das Ganze. Jedes Lebewesen ist einzig und als Teil für das Ganze von unersetzlichem Wert.

ferner naher Garten

Rückkehr in den Garten und ich träume von Blumen, deren Gesicht wir vergessen haben, weil die Blumen, die wir kennen, wachsen auf Böden, die Blut durchtränkt sind, durchtränkt vom Blut der Kriege. Das Blutvergießen muss ein Ende haben! Frieden und ich träume von Blumen, die aus reinen Böden wachsen. Von Bäumen, die Früchte tragen, die wir nicht mehr kennen, Früchte der Liebe und des Friedens.

Rückkehr in den Garten und ich Träume von Brüdern und Schwestern, die sich Brüder und Schwestern sind.

Frieden und Sulamith findet ihren Liebsten. Die Kulturen und Religionen finden ihren Frieden in der Liebe zueinander, keine Kultur und keine Religion ist ganz für sich, erst gemeinsam werden sie ganz. Liebe ist ewig.

Der Tod kam erst nachträglich in die Welt. Sehnsucht nach dem Garten - und der Tod, wie wir ihn kennen, wird verschwinden und Leben wird zu Leben werden.

Frieden und ich träume davon, dass die Schlachthöfe der Schlachtindustrien geschlossen werden und ich träume davon, dass kein Tier mehr ein anderes auffrisst. Jesaja 11,6 ff.

Es kann alles wieder ganz schön werden, wenn die Menschheit nur mit dem Bledsinn aufhört, die Kriege verlernt, Schwerter zu Pflugscharen macht und die Liebe wieder entdeckt. Eine japanische Lehrerin, die ich tief verehre, erzählte einmal eine Geschichte aus ihrem Leben - als ihre Oma ihr das Kanji-Schriftzeichen für Mensch erklärte – sagte sie, ein Mensch hält den anderen, kein Mensch ist für sich alleine ganz.

So ist es mit der ganzen Schöpfung ein Lebewesen hält und trägt das andere. Unser Leben hängt an den kleinsten und unscheinbarsten Wesen, wenn die zerbrechlichen Wesen gehen, wenn die Blumen gehen, geht das Leben aller! Lasst die Blumen blühen! Die Blumen, das sind wir Menschen, das sind alle! Alle Lebewesen sind wie Blumen auf dem Feld und Vögel am Himmel. Schöne Grüße auch Daniela Waldmann

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