Kanzlerinnenmehrheit verfehlt?

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In der Abstimmung zum zweiten Griechenlandpaket ist es passiert: Schwarz-Gelb versagt der Kanzlerin die absolute Mehrheit der satzungsmäßigen Mitglieder des Bundestags, gemeinhin als Kanzlermehrheit bezeichnet. Die Schwäche der Regierungskoalition ist ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu: Schwarz-Rot-Grün.

Am frühen Abend lief über die verschiedenen Eilmeldungsticker, die Kanzlermehrheit bei der Abstimmung um das zweite Griechenland-Paket sei verfehlt. In der Tat brachte es die Regierungskoalition nur auf 304 Ja-Stimmen, die symbolische Hürde liegt jedoch in dieser Legislaturperiode stets bei 311. Mit den Voten aus dem rot-grünen Oppositionslager bestand jedoch zu keiner Zeit Gefahr, dass das Rettungspaket scheitern könnte.

Was bedeutet jedoch das Verfehlen der Kanzlermehrheit für Angela Merkel und ihr schwarz-gelbes Regierungsbündnis? Der weitere Kratzer im schwarz-gelben Autolack ist zugleich ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu einer Umlackierung in schwarz-rot-grün. Mag das heutige Verfehlen der symbolischen Mehrheit der satzungsmäßigen Mitglieder des Bundestags in den kommenden Krisenstationen schnell wieder vergessen sein, so ist doch unübersehbar, dass sich hier ein neues Regierungsbündnis Bahn bricht.

"Scheitert der Euro, dann scheitert Europa"

Die Kanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung ein ums andere mal die Losung ausgegeben, scheitere der Euro als gemeinsame Währung dann scheitere Europa als ganzes. Bei zu vielen anwesenden Abgeordneten der Regierungsfraktionen zeichnet sich dies mittlerweile als stumpfes Schwert. Angela Merkel hat gar ihren Amtseid bemüht, um klarzustellen, dass sich ein Halt auf freier Strecke mit zu vielen Unwägbarkeiten und womöglichen Dominoeffekten auf weitere Südstaaten verbindet, sollte man die hellenische Republik aus der Euro-Zone ziehen lassen oder sie gar hinausschmeißen.

So groß die Kritik an der Troika, bestehend aus EU, EZB und IWF und ihrem (vermeintlichen?) Aufbaukurs in Griechenland auch sein mag, das Umschalten auf Totalblockade durch einige Unions- und FDP-Abgeordnete wird dem eingeschlagenen Weg nur abträglich sein können und stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum eine konstruktive Alternative dar.

Schwarz-Rot-Grün demonstriert Handlungsfähigkeit

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition wird diesen Tag politisch überleben, die Ausreden sind schon parat, es seien ja einige Abgeordnete durch Reisen und Krankheit lediglich verhindert gewesen die Kanzlermehrheit herbeizuführen. Und trotzdem sind die Vorzeichen nicht mehr zu übersehen: Schwarz-Rot-Grün hat eindrucksvoll Handlungsfähigkeit demonstriert und das informelle Regierungsbündnis wird auf Dauer immer enger zusammenarbeiten müssen, je mehr Risse sich im schwarz-gelben Lager auftun werden. Die Kanzlerin tut gut daran, alsbald Emissäre in Richtung Oppositionsparteien hinaus zu senden, um für den Fall der Fälle einen reibungslosen Koalitionswechsel zu arrangieren.

Die Krisensituation ist für Angela Merkel die ideale Gelegenheit ihre Machtarchitektur neu zu ordnen. Eine mögliche Kabinettserneuerung könnte dann auch Innenminister Friedrich, ein neuester prominenter Abweichler aus dem Bundeskabinett, zum Opfer fallen. Sicher wird derzeit nur eine Partei des Oppositionslagers, die SPD, in ein mögliches offizielles Regierungsbündnis eintreten können und dennoch ist unverkennbar wie stark CDU, SPD und die Grünen in dieser Krise zusammenarbeiten und eine informelle größere Koalition bilden.

Ob nun Schwarz-Gelb bis 2013 halten wird oder vorzeitig die Auflösung ereilt, der Bundestag wird unverdrossen in breiter Mehrheit das Krisenmanagement der Kanzlerin absegnen.

Die Kanzlerinnenmehrheit bestand heute aus 496 Stimmen.

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Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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