Schwarz-Gelb: Auf Gedeih und Verderb

Bundesregierung Die Debatte um den Mindestlohn spaltet die Koalition - wieder einmal. Trotzdem wird sie halten. Alles andere wäre ein machtpolitischer Super-Gau

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Schwarz-Gelb: Auf Gedeih und Verderb

Foto: World Economic Forum / Flicker (CC)

Nun sind es nicht einmal mehr acht Monate bis zur Bundestagswahl am 22. September dieses Jahres. Die Hauptstadtjournalisten wollen dennoch auf den letzten Metern, den Bruch von Union und FDP erkennen. Sollbruchstelle: soziale Gerechtigkeit.

Neuestes Streitthema ist ein von der CDU forcierter flächendeckender Mindestlohn. Die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (beide CDU) erhöhen den Druck auf die Liberalen, indem sie zügig eine Lohnuntergrenze nicht mehr nur noch branchenspezifisch einfordern. Für die FDP ist der Mindestlohn dagegen seit jeher antimarktwirtschaftliches Teufelszeug.

Christian Lindner (FDP) versucht derweil auszuweichen und führt als einen Teil sozialer Gerechtigkeit an, dass sich Bund und Länder einfach nicht mehr neu verschulden sollen. Das gehe zu Lasten künftiger Generationen. Das sei sozial ungerecht und da lägen Union und FDP nahe beieinander. Lindner will damit versuchen, abzulenken. Denn es ist nicht mehr zu übersehen, die Liberalen befinden sich zunehmend in der Defensive.

Die Union erkennt: Ohne soziale Gerechtigkeit geht es 2013 nicht

Nach der Niedersachsen-Wahl ist deutlich geworden, dass ein Lagerwahlkampf obsolet geworden ist. In Niedersachsen ist es zwischen CDU und FDP lediglich zu einem Stimmentausch innerhalb des sogenannten bürgerlichen Lagers gekommen. Die Union setzt sich seitdem offen von den Liberalen ab und öffnet sich für eine Koalition mit SPD oder den Grünen. Darüber hinaus müssen die Christdemokraten Stimmen im rot-grünen Wählermilieu abgreifen. Die Offensive um den Mindestlohn passt da gut ins Konzept.

Was bedeutet aber die zunehmende Distanz zwischen Union und FDP? Droht die Koalition im Bund wirklich noch vorzeitig zu zerbrechen? Mitnichten. Wenn Schwarz-Gelb vorzeitig beendet würde, hätte dieses Bündnis jede Chance auf eine Neuauflage verspielt, noch bevor die Neuwahl termiert würde. Das ist für die Union aber nicht einmal das größte Problem.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel aber auch für die Liberalen wäre eine Neuwahl der machtpolitische Super-Gau. Ein Ende von Schwarz-Gelb würde eine rot-grüne Mehrheit wahrscheinlicher machen. Damit verlöre Merkel trotz ihrer bisweilen hohen Popularitätswerte ihre Kanzlerschaft. Die Liberalen stünden ohne Bündnispartner da und wären ähnlich wie die Linke zur Opposition verdammt.

Auch wenn die Perfomance von Schwarz-Gelb über die fast vier Jahre sehr bescheiden ausfällt, ist noch keinesfalls ausgemacht, dass dieses Bündnis, wenn auch denkbar knapp, nicht einen erneuten Wählerauftrag erhält. Diese Minimalchance haben Merkel und die Spitzen der FDP im Kalkül. Das ist der Kitt, der die Koalition zusammenhält. Und sie wird halten. Schwarz-Gelb ist bis zum 22. September 2013 auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden.

Für die Union ist die Sache bis zur Bundestagswahl im Herbst klar: Sie will stärkste Fraktion werden und eine rot-grüne Mehrheit verhindern, alles andere wird dann Verhandlungssache sein.

Insgeheim hoffen viele im Koalitionsbündnis, dass Schwarz-Gelb keinen erneuten Wählerauftrag erhält, insbesondere Unionspolitiker sehnen sich nach einem Ende der Wunschkoalition von einst. Trotzdem halten beide Parteien die Illusion einer veritablen Koalitionsoption aufrecht. Für machtstrategische Optionen werden die Liberalen nämlich weiterhin gebraucht.

Und die FDP? Sie hat keine andere Wahl, als sich an die Union zu binden, programmatisch verarmt, hat sie die Chance verpasst, sich in Richtung SPD und Grüne zu öffnen. Eine Ampelkoalition, so viel ist heute schon absehbar, ist fast zu 100 Prozent ausgeschlossen.

Wenn diese Taktik aufgeht, gibt es eine ganz große Siegerin: Angela Merkel.

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Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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