Almut Klotz (1962-2013)

Nachruf Mit der Band Lassie Singers und ihrem Label Flittchen Records hat Almut Klotz die deutsche Popkultur den Feminismus gelehrt. Am Wochenende starb sie mit nur 50 Jahren
Almut Klotz, Sängerin, Labelchefin, Romanautorin, Chorleiterin und vieles mehr
Almut Klotz, Sängerin, Labelchefin, Romanautorin, Chorleiterin und vieles mehr

Foto: Robin Hinsch/ Saatsakt

Hallo, hier Almut. Bringst du uns die Karten dann zum Eingang?“, sagte die Stimme am Telefon. Eine Stimme, die man einmal gehört nie wieder vergisst. Eine Stimme mit einer Geschichte, gefühlt irgendwie immer schon verknüpft mit meiner eigenen Biografie. Es muss Anfang 2007 gewesen sein, als Almut Klotz im Ventil Verlag anrief, um die Organisation der Lesungen zur Leipziger Buchmesse im März abzuklären. Ich hatte gerade das Studium beendet und frisch im Verlag zu arbeiten begonnen, in dem zwei Jahre zuvor der Debütroman Aus dem Leben des Manuel Zorn von Almut und Rev. Christian Dabeler erschienen war.

Es war nicht der erste Anruf, den ich entgegennahm, aber der erste, der mich fast aus den Latschen kippen ließ. Diese Stimme… Irgendwann in den frühen Neunzigern war die Musik der Lassie Singers sogar in meine provinzielle Heimat vorgedrungen, um auf einer Party der Soundtrack zu meiner ersten Alkoholerfahrung zu werden – ich glaube, es lief „Hamburg“, aber sicher bin ich mir nicht mehr. Sicher bin ich jedoch, dass es einer der perfektesten Momente meiner Adoleszenz gewesen sein muss: Melancholisch und doch humorvoll ließen mich Almut Klotz und Christiane Rösinger im Geiste das provinzielle Nest gen Großstadt verlassen, während in meinen Adern die neu entdeckten Rauschmittel ihre Wirkung taten.

Etwas mehr als ein Jahrzehnt später fuhr ich als Verlagsrepräsentant zur Leipziger Buchmesse – und hatte Angst: Die Lassie Singers, Parole Trixi, Flittchen Records, Popchor Berlin, Roman … was hatte diese Frau eigentlich nicht großartiges vollbracht, und jetzt sollte ich, gefühlt kaum der Jugend entwachsen, in Leipzig meine Zeit mit Almut verbringen. So saß ich schließlich mit Herzklopfen in der Tram Richtung Messegelände. Alle, die das Glück hatten, Almut kennenlernen zu dürfen, wissen, dass diese Nervosität völlig unbegründet war: Selten habe ich einen herzlicheren Menschen getroffen. Almut hat mit ihrem Charme und Witz mein Fandasein ad absurdum geführt – und mich damit zu einem noch größeren Fan gemacht (und meine alten Lassie-Singers-Alben hat sie mir auch signiert).

Am Abend saßen wir in Christoph Leichs damaligem Leipziger Plattenladen Seemannsglück und warteten auf Gäste zu ihrer Lesung. Zum Glück kamen keine – irgendwer hatte vergessen, die Veranstaltung zu bewerben und auf der anderen Straßenseiten las Rocko Schamoni –, und so tranken, rauchten und redeten wir die halbe Nacht, über die Bedeutung von Sehnsuchstorten als Jugendlicher in der deutschen Provinz, Feminismus und Riot Grrrl, die Schwierigkeiten von Elternschaft als prekäre Kulturschaffende und sowieso: den trostlosen Kulturbetrieb in Deutschland, in dem eine Band wie die Lassie Singers niemals eine Chance hatte. Zu melancholisch, zu feministisch, zu sehr ihrer Zeit voraus? Eine Antwort fanden wir nicht. „War doch ein schöner Abend“, sagten Almut und Reverend als wir uns verabschiedeten. Manchmal ist es schöner, wenn niemand kommt.

Wir treffen immer mal wieder aufeinander, mal in Berlin oder Hamburg, mal bei Verlagsbesuchen in Mainz, aus der Ferne bleibe ich Fan, hoffe auf eine Lassie-Singers-Reunion, ein neues Buch, ein neues Album. Und wie so oft bringt es die schwierige Kulturarbeit mit sich, dass Kontakte einschlafen, so lange, bis es plötzlich zu spät ist. Und so bleiben nur die Erinnerungen eines Fans an eine Stimme und einen Telefonanruf, einen wunderbaren versoffenen Abend in Leipzig und das Wissen, dass Almut fehlen wird in diesem nun noch trostloseren deutschen Kulturbetrieb.

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 34/13 vom 22.08.2013

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