Auf Nummer sicher

ISRAEL Ehud Barak hat zwar die Wahl, aber noch lange nicht den Frieden gewonnen

Die Israelis haben eine eindeutige, kluge und gute Wahl getroffen; sie haben ihren Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in die Wüste geschickt und die Karten neu gemischt. Ehud Barak hat einen überwältigenden Sieg errungen. Aber der ist nicht sein Verdienst. Barak war und ist farblos. Netanyahu dagegen ist eine schillernde Gestalt, die jedoch sowohl Freund als auch Feind in Israel politisch enttäuscht. Er hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Seine reaktionäre und antisoziale Politik hat den Likud ruiniert und Israel in die politische Isolation geführt. Ex-Ministerpräsident Yitzhak Shamir nannte ihn zu recht einen »Engel der Zerstörung«. Da braucht ein politischer Gegner kaum noch eigene Argumente.

Nun ist zu hoffen, daß die rückwärtsgewandte Phase in der israelischen Politik zu Ende geht. Das aber heißt: Keine große Koalition. Barak wäre schlecht beraten, den Likud wieder an Bord zu holen. Der Chef der Arbeitspartei ist nicht auf die rechten und religiösen Kräfte angewiesen. Gleichwohl sollte er die orthodoxe Shas-Partei einbinden. Shas ist zwar eine religiöse Klientelpartei, leistet aber eine vorbildliche Sozialarbeit. Ihr Zugewinn dokumentiert dies. Israel hat sich mit dieser Wahl auch gegen den Fundamentalismus entschieden. Die religiösen Fundamentalisten haben keine Sperrminorität mehr. Ob dies ein dauerhafter Trend sein wird, muß sich weisen.

Netanyahus politische Karriere jedenfalls ist zu Ende. Als Premier war er ein Ideologe und verschlagener Taktierer - hatte aber außer Expansionismus keine politischen Visionen für Israel. Die Palästinenser durften von dieser Regierung nichts mehr erwarten. Selbst Washington war zu Netanyahu auf Distanz gegangen. Der israelische Ministerpräsident hatte Bill Clinton mehrmals öffentlich gedemütigt. Seine Verbündeten waren die religiösen Fundamentalisten Amerikas. Nun müssen auch die Republikaner in den USA ihre Strategie überdenken. Hatten sie nicht Clinton, den pro-israelischsten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, unter Druck gesetzt, die amerikanische Botschaft per Gesetz im Mai 1999 nach Jerusalem zu verlegen?

Barak muß jetzt Schadensbegrenzung nach allen Seiten betreiben - Israel zusammenführen und die Spaltung der Gesellschaft überwinden. Die Kluft zwischen Ashkenasim, Sephardim und russischen Einwanderern, zwischen Säkularen und Religiösen, zwischen »Linken« und »Rechten« und zwischen solchen, die einen Kompromiß von Israelis und Palästinensern wollen, muß er überbrücken. Netanyahu hatte diese Spaltung zu seinem politischen Vorteil vertieft. Barak muß das Image Israels in den USA und in Europa wieder aufbessern und die Wirtschaft ankurbeln. Die Arbeitslosigkeit hat unter Netanyahu rapide zugenommen. Die Frage für den Westen und für die Palästinenser ist jedoch die, ob es sich um einen fundamentalen Wechsel israelischer Innenpolitik handelt.

Sicherlich wird der Friedensprozeß wieder an Fahrt gewinnen. Ob es jedoch für die Palästinenser unter Barak besser wird, muß man abwarten. Auch Rabin und Peres haben sie nicht gerade verwöhnt. Zwar gab es keine schrille Rhetorik wie unter Netanyahu, dafür aber knallharte Politik. Vorsicht und Zurückhaltung sind deshalb angebracht. Die Palästinenser geben sich einer Selbsttäuschung hin, wenn sie meinen, zwischen den 45 Prozent der »Likud-Autonomie« und den 50 Prozent der Arbeitspartei für einen »Staat Palästina« bestünde ein fundamentaler Unterschied. Das Konzept der »Bantustanisierung« stammt von den »Friedenspolitikern« Rabin und Peres. Barak steht in deren Tradition. Hatte er nicht nach der Unterzeichnung des Interimsabkommens vom September 1995 gesagt: Israel würde weiterhin überall sein und alles bestimmen? Und nach der Rückkehr Netanyahus von der Unterzeichnung des Wye-River-Abkommens behauptet, daß der die Palästinenser besser ausgetrickst hätte?

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