Bekleidet

Sportplatz Früher war alles besser. Im antiken Olympia turnten die Athleten noch nackt, doch irgend jemand kam bald auf die Idee, sich beim Sport zu bekleiden. ...

Früher war alles besser. Im antiken Olympia turnten die Athleten noch nackt, doch irgend jemand kam bald auf die Idee, sich beim Sport zu bekleiden. Der ahnungslose Grieche, der sich als Erster einen Lendenschurz umband, wusste gar nicht, was er da anrichtete. Damit hatte nämlich der blutjunge Sport praktisch schon seine Unschuld verloren und es erhielt etwas zutiefst Unsportliches, ja Antisportliches Eingang in die heile Sportswelt: Die Mode.

Wie ein launischer Virus breitet sie sich aus und macht auch vor den Athleten selbst nicht Halt. Früher schienen sich zum Beispiel die Fußballer wenig Gedanken um ihr Aussehen zu machen. Haare vorn: kurz, hinten lang, Oberlippenbart, da sahen die Spieler noch genauso aus wie die Zuschauer. Und heute: Entfremdung, Millionärsfußball, alles nur wegen der Mode. Spieler mit Mut zur Hässlichkeit gibt es heutzutage nicht mehr, sie sind sozusagen aus der Mode gekommen. Jetzt sind die Männer L´Oreal-gepflegt wie Oliver Bierhoff. Unvergessen, unverziehen, wie dieser sich nach dem Golden Goal bei der EM und den stürmischen Umarmungen seiner Mitstreiter als erstes die Frisur ordnete.

Modische Farben scheinen einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf so manchen Sportereignisses zu haben. Als am letzten Wochenende die deutsche Mannschaft zur vernichtenden 5:1-Niederlage gegen England ins Münchner Olympiastadion einlief, trug sieTrikots, deren Farbe man in anderen Zusammenhängen als »british racing green« bezeichnet hätte. Geholfen hat es ihnen nicht (aber den Engländern). Real Madrid dagegen, der erfolgreichste Fußballclub Europas, tritt seit Jahr und Tag in den gleichen Trikots an, weiß bei Heimspielen, schwarz bei Auswärtsspielen. Während alle anderen Vereine jede Saison in neuen Kollektionen auflaufen, zeigen die Spanier zeitlosen Chic wie ein Armani-Anzug.

Bei allen Sportarten sind die Athleten mehr oder minder passive Opfer des Modediktates, nur beim Damentennis hat man überhaupt keine Berührungsängste. Da wirken die Spielerinnen an den neusten Sportkollektionen selbst mit, sie müssen die Sachen schließlich auch tragen auf dem Platz. Einzelne Modelle erregten dann aber durch gewagte Schnitte dermaßen die Aufmerksamkeit, dass sich Sportfunktionäre schon beschwerten, es werde mehr über die Décollétes der Williams-Schwestern berichtet als über ihre sportlichen Leistungen.

Die Hersteller von Sportmode sind seit den alten Tagen in Griechenland starke Konzerne geworden, die Milliarden umsetzen und davon profitiert komischerweise die Musikindustrie. Den letzten lukrativen Sponsorvertrag mit Adidas hat weder ein Tennisspieler noch ein Leichtathlet abgeschlossen, sondern Madonna. Blasphemie! Was ist das für eine Firma, die ihr Geld im Sport verdient und es dann für Musiker ausgibt? Man stelle sich nur vor, Steinway Sons würde die deutsche Nationalmannschaft unterstützen und großzügig mit Konzertflügeln ausstatten.

Für unsereins war Adidas noch der unzertrennliche Gegenpart zu Puma und die Entscheidung am Schuhregal war eine Gewissensfrage: Ist man lieber auf der sicheren Seite des schneidigen Weltkonzerns Adidas, der den ewigen Sieger Bayern München sponsort, oder unterstützt man den sympathischen Zweitliga-Schuhhersteller Puma?

In den USA weiß man nichts von moralisch überlegenen Puma-Schuhen, da kennt man nur »Ädiedäs«. Und dort wird der Vertrag mit Madonna auch nur als die logische Folge einer langen Entwicklung angesehen. Schon in den Achtzigern schrieben die Rapper von RUN-DMC nämlich mit »My Adidas« eine Ode an ihre Schuhe. In den Neunzigern zogen die Rocker von Korn nach mit ihrem Song »A.D.I.D.A.S.«, was »All day I dream about sex« bedeuten soll. Nun ist Madonna an der Reihe. Man darf gespannt sein.

Das hat natürlich alles überhaupt nichts mehr mit Sport zu tun und daran sieht man, was aus dem Sport geworden ist. Ein Fashion-Victim im wahrsten Sinne des Wortes. Man stelle sich nun einen Sport ohne Mode vor. Ein Traum, der olympische Geist wäre wieder hergestellt, und man würde wieder sporten, nackt wie im alten Griechenland. Andererseits: Was würden wir dann im Alltag anziehen? Bislang können wir Couch-Potatoes beim Erwerb von Sport-Sneakers, ein bisschen was vom Image des trainierten Profisportlers abstauben und im bequemen Jogginganzug sogar beim samstäglichen Lebensmittel-Einkauf irgendwie sportliche Bereitschaft signalisieren. Was wären wir irdischen Pykniker ohne Schweißbänder, Tennissocken, Boxershorts und Radlerhosen? Es lebe die Mode im Sport.

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