Biografie als Eigenkapital

Moral Alfred Andersch ließ sich von seiner halbjüdischen Frau scheiden. Warum steht das nicht in seinem Bekenntnisbuch?
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Weil das nun auch schon wieder fast 20 Jahre her ist, eine knappe Erinnerung: 1993, im Kontext der Christa-Wolf-Abrechnung, wurde Alfred Andersch von W. G. Sebald moralisch wie literarisch weggeputzt. Anderschs egoistische Scheidung 1943 von seiner nach Nazi-Kategorien „halbjüdischen“ Frau – als „Mischling“ wird Andersch sie gegenüber den Amerikanern bezeichnen –, habe weder 1952 Eingang in sein bekennerisch-autobiografisches Buch Kirschen der Freiheit gefunden, das mit Anderschs Desertion 1944 aus der Hitler-Wehrmacht als Höhepunkt endete, noch habe es ihn 1957 davon abgehalten, in seinem bis heute schulnotorischen Roman Sansibar oder der letzte Grund einen coolen Jungkommunisten, wie Andersch selbst einer gewesen sein will, ein