Bye, bye Bankgeheimnis!

Schweiz Der Streit über das Steuerabkommen schlägt hohe Wellen. Aber Deutschland braucht den Vertrag nicht: Die Schweiz muss schon bald umfassende Informationen preisgeben
Wäre doch gelacht: Die Schweiz muss liefern!
Wäre doch gelacht: Die Schweiz muss liefern!

Foto: Rajesh Jantilal / AFP / Getty Images

Noch tobt die Debatte, ob das Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz ratifiziert werden soll und ob der Ankauf von Steuer-CDs dies torpediert. Doch nun stellt sich heraus: Deutschland benötigt die Vereinbarung gar nicht, um an das dort von seinen Steuerhinterziehern versteckte Geld heranzukommen. Denn hinter den Kulissen hat die Schweiz gerade – wenn auch widerwillig – neue Standards der OECD akzeptiert und muss künftig in Amtshilfe weit mehr Informationen liefern, auch an Deutschland.

Nicht nur in Berlin, auch in Bern sorgt der Streit über das Steuerabkkommen für rote Köpfe und immer neue Schlagzeilen. Bern verteidigt jeden Millimeter Bankgeheimnis und tut so, als könne ese mit dem Vertrag mit Deutschland ein weltweit neuartiges Geschäftsmodell ins Leben rufen. Die Hoffnung ist, damit wenigstens einen Rest des famosen Schweizer Bankgeheimnisses in die Zukunft zu retten.

Massiver Druck

Im Schatten dieses Streits aber hat die schweizerische Finanzdiplomatie unter massivem Druck der anderen OECD-Länder – allen voran USA, Frankreich, Italien und Deutschland – eine entscheidende Niederlage erlitten. Mit zähneknirschender Zustimmung der Schweiz beschloss der OECD-Rat in Paris am 17. Juli neue Standards für die internationale Amtshilfe.

Nicht genug damit, dass die Alpenrepublik in Zukunft Gruppenanfragen aus dem Ausland entgegennehmen muss – das bedeutet, dass die Schweiz internationale Amtshilfe nicht nur im Einzelfall gewähren muss, sondern für ganze Gruppen von Steuerpflichtigen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Wichtiger noch: Darüber hinaus verliert die Schweiz sogar das Recht, einem anfragenden Staat eine Auskunft zu verweigern.

Ersuchende und Ersuchte

Diese diskrete Weichenstellung der OECD gibt dem Schweizer Bankgeheimnis den Rest – auch, aber nicht nur Deutschland gegenüber. Im technokratischen OECD-Jargon geht es lediglich um eine Kompetenzverschiebung vom "ersuchten" zum "ersuchenden" Staat. Der "ersuchende" Staat, zum Beispiel Deutschland, wird zwar auch in Zukunft darlegen müssen, wozu er die Information benötigt und wieso diese für ihn "voraussichtlich erheblich" ist. Kommt es aber zum Dissens zwischen beiden Ländern, entscheidet künftig nicht mehr der ersuchte Staat, das heißt die Schweiz, darüber, ob die Auskunft "voraussichtlich erheblich" ist. Im Zweifel geht neu die Meinung des ersuchenden Staats vor.

Kurz: Die Schweiz muss, wenns ernst wird, jede, aber auch jede gewünschte Information liefern. Sie wird die Daten auf dem ordentlichen Amtshilfeweg so oder so herausrücken müssen, gruppenweise.

Juristisch gilt diese neue Auslegung von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens nicht mit sofortiger Wirkung. Die Schweiz muss – wie die andern Mitgliedsländer auch – die Neuerung erst noch in ihrem nationalen Recht umsetzen. Doch dabei steht sie unter erheblichem Druck: Tut sie es nicht schnell genug, wird sie vom „Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes“ zur Rechenschaft gezogen und von den G20-Staaten erneut auf die „graue“ oder „schwarze“ Liste der nicht kooperierenden Länder gesetzt werden. Nachdem die offizielle Schweiz dem neuen Standard widerwillig, aber vorbehaltlos zugestimmt hat, ist sie zu seiner Umsetzung auch völkerrechtlich verpflichtet.

Für dumm verkauft?

Noch übt sich die offizielle Schweiz in dieser Sache in vielsagender Geheimnistuerei. Bereits 2011 warnte die Berner Regierung das Parlament ausdrücklich vor dem drohenden Unheil, allerdings in umständlichem Amtsdeutsch: „Inhaltlich“, schrieb die Landesregierung in ihrer Botschaft zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes, „ist damit zu rechnen, dass die Neukommentierung auch Gruppenanfragen vorsehen wird. Zusätzlich wird sie voraussichtlich in Bezug auf die Kompetenz zur Prüfung der voraussichtlichen Relevanz von Informationen vorsehen, dass nicht mehr der ersuchte Staat über diesen Punkt entscheiden kann.“

Jetzt macht die OECD ernst, und die Schweizer Regierung verschweigt das Desaster – offenbar aus taktischen Gründen. Wird die Neuerung ruchbar, so könnte Deutschland merken, dass es durch das geplante Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz womöglich das Recht auf Identifikation und angemessene Besteuerung seiner Steuerhinterzieher für lange Zeit verlieren wird. Bern will Deutschland einmal mehr für dumm verkaufen.

Viktor Parma ist Journalist und Buchautor. Er arbeitet in Bern

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden