Zwei Männer schieben ein klappriges Wägelchen durch eine menschenleere, desolate Landschaft. Freunde sind sie nicht, sie haben nicht einmal sonderlich viele Gemeinsamkeiten – nur einen gemeinsamen Auftrag: die Landstraße mit gelben Mittelstreifen zu versehen. Manchmal müssen sie auch eine Straßenmarkierung in die Erde rammen. Ein ziemlicher Idiotenjob ist das, und die beiden Hauptfiguren geben sich anfänglich auch alle Mühe, diesem Eindruck zu entsprechen. Wie holt man sich zum Beispiel nachts einen runter, wenn der Arbeitskollege im Schlafsack direkt daneben liegt? Man flüstert einfach in regelmäßigen Abständen seinen Namen, um sicherzugehen, dass er schläft. Bis er aufwacht.
Lance (Emile Hirsch) und Alvin (Paul Rudd) sind e
dd) sind eine kuriose Zweckgemeinschaft und liegen sich darum permanent in den Haaren. Der eine denkt nur ans Vögeln oder Feiern, der andere hat sich den Job in der texanischen Einöde eigentlich ausgesucht, um ins innere Exil abzutauchen – weshalb er während der Arbeitszeit auf einem alten Kassettenrekorder Sprachkursen lauscht. (Für einen selbsterklärten Kulturalisten und Waldfreund kann es natürlich nur die deutsche Sprache sein.) Wenn Lance kurzzeitig die Musikhoheit erlangt, plärrt dagegen breitbeinigster amerikanischer Radiorock in die Stille.Soderberghs 2-für-1-MascheDie Prämisse der merkwürdig entrückten Buddy-Komödie Prince Avalanche klingt zunächst nach gepflegter, stilisierter Indie-Langeweile. Allerdings darf man hinter dieser Idee eine Strategie vermuten, wenn der Regisseur David Gordon Green heißt. In Deutschland ist Green kaum bekannt. Er hat im Jahr 2008 die ziemlich geniale, leider unterschätzte Kiffer-Komödie Ananas Express (2008) gedreht; danach ein paar Auftragsfilme, die hierzulande aus mal mehr (Bad Sitter), mal weniger (Your Highness) nachvollziehbaren Gründen kein Publikum gefunden haben.Prince Avalanche ist eine Rückbesinnung auf Greens Wurzeln als hoffnungsvoller Independentfilmer der Nullerjahre. Damals wurde das amerikanische Indiekino an Robert Redfords Sundance Institute wie an einem Reißbrett entworfen. Green aber drehte den Kinderfilm George Washington und erfand seine eigene Tonalität.Gleichzeitig setzt Prince Avalanche Greens Langzeitprojekt der Inversion amerikanischer Unterhaltungsformate fort. Im Gegensatz zu Steven Soderbergh, der sich mit seiner 2-für-1-Masche (zwei Filme für die Studios, einen für sich selbst) in Hollywood etabliert hat, versucht Green seit einigen Jahren, persönliche Filme zu realisieren, die er auch den Studios verkaufen kann.Entdeckung der FreundschaftPrince Avalanche wurde zwar in Guerilla-Manier an Hollywood vorbei gedreht. Abgesehen davon orientiert sich Prince Avalanche aber ähnlich wie der Krimi Ananas Express oder der Ritterfilm Your Highness an Unterhaltungsgenres, ohne gleich ins Sujet „Parodie“ abzudriften. Green ist vielmehr ein Auteur der Genre-Mimikry. Prince Avalanche zielt in seinem stoisch-verpeilten Erzählduktus auf das Genre der Bromantic Comedy ab. Filme über Kindmänner, die an ihrer eigenen Unzulänglichkeit verzweifeln und sich stattdessen mit ihren besten Freunden in eine Art verlängerte Adoleszenz flüchten. In bräsiger und regressiver Weise haben wir das in den jüngsten Kindsköpfe-Filmen mit Adam Sandler gesehen. Das hier ist eine leise Selbstfindungskomödie über zwei ungleiche Männer, die natürlich irgendwann ihre Freundschaft entdecken.Aber konsequenterweise eben nur, weil sie genug Zeit haben, um – sich selbst hoffnungslos entfremdet – über das Leben zu sinnieren und sich mit Kriegsbemalung durch den Wald zu jagen. Wir erfahren den Ort, Texas, und die Zeit, Sommer 1988. Eine Reihe von heftigen Flächenbränden hat ganze Landstriche in eine verkrüppelte Mondlandschaft verwandelt. Darüber hinaus erfährt der Zuschauer kaum etwas über Ort und Zeit.Die Welt außerhalb dieses Waldes ist vielleicht längst untergegangen. Zweimal treffen Lance und Alvin einen alten Trucker, der ihnen Schnaps besorgt. Das sind zwei amüsante Intermezzi, die wie aus einem Lynch-Film daherkommen. Ein anderes Mal begegnet Alvin im Wald einer alten Frau, die wie ein Geist in ihrem ausgebrannten Haus lebt, wo er für einen kurzen Moment die Sehnsucht nach einem gelebten Leben nachspielt.Die beiden Männer sind weitgehend auf sich allein gestellt. Prince Avalanche bedient sich der surrealen Atmosphäre der ausgebrannten Landschaft, um den Zuschauer immer wieder vom Konstrukt der Selbstfindungskomödie abzulenken. David Gordon Greens Film ist wie eine Miniatur, die in liebenswürdiger Eintönigkeit von der Unfähigkeit zweier Männer erzählt, ihr Leben in den Griff zu kriegen.Die Schauspieler Paul Rudd (mit adrett gestutzem Schnauzer) und Emile Hirsch haben das Drehbuch, das auf einer isländischen Komödie basiert, gemeinsam geschrieben und mit ihrem Regisseur Green spontan vor der imposanten Kulisse der texanischen Waldbrände gedreht.Am Ende kommt der Natur eine allegorische Qualität zu. Nach der Verheerung erwacht der Wald langsam wieder zum Leben – so wie Alvin und Lance.