Das nationale Internet der Telekom

Spionage Die Vorschlag der Telekom, Datenverkehr aus Deutschland nur innerhalb der vermeintlich NSA-freien Grenzen laufen zu lassen, ist keine Lösung. Aber immerhin ein Appell
Ausgabe 43/2013

Die Enthüllungen Edward Snowdens haben die deutsche Wirtschaft äußerlich kalt gelassen. Obwohl viele Experten der Meinung sind, dass ein Großteil der geheimdienstlichen Überwachungsmaßnahmen nicht der Terrorbekämpfung, sondern der Wirtschaftsspionage dient, gab es kaum vernehmbare Proteste. Doch hinter den Kulissen rumorte es.

Am 1. Oktober fand im Bundeswirtschaftsministerium ein Geheimtreffen statt. Teilgenommen haben – laut Wirtschaftswoche – die Deutsche Telekom und andere Internet-Zugangsprovider, die ihren Kunden gern einen sicheren Informationsaustausch versprechen. Thema der Zusammenkunft: Wie kann man die Kommunikation besser vor dem Zugriff neugieriger Geheimdienste schützen? Da ein Großteil des globalen Datenverkehrs über Seekabel zu Serverparks in den USA geleitet wird, wo die Mails und ihre Anhänge dann problemlos von den Diensten abgefischt werden können, kam die Deutsche Telekom auf die Idee, das Internet national abzuschotten. Der für den Datenschutz zuständige Telekom-Vorstand Thomas Kremer schlug vor, den inländischen Datenverkehr nur noch über Internetknotenpunkte fließen zu lassen, die an keiner Stelle ins Ausland führen. Kein deutsches Byte solle mehr gezwungen werden, deutschen Boden zu verlassen. Um ihre rein-deutsche Lösung überzeugend bewerben zu können, nannte die Telekom sie gänzlich ungermanisch „National Routing“.

Der Spott aus der Szene über den plötzlichen „Techno-Nationalismus“ blieb nicht aus. Ob man die „erfolgreiche“ Abschottungspolitik Irans, Chinas und Russlands auf diese Weise kopieren wolle? Mit welchen erkennungsdienstlichen Methoden man den innerdeutschen vom internationalen Verkehr sauber abtrennen wolle? Ob sich BND und Verfassungsschutz wirklich daran hielten, deutsche Daten nicht an befreundete ausländische Dienste herauszugeben? Ob man die „innerdeutschen“ Netzknoten (Frankfurt, München) dann nicht mehr von US-Spezialfirmen aufgrund von alliierten Sonderrechten durchleuchten ließe?

Darauf weiß die Telekom natürlich keine Antwort. Und es gibt noch weitere Probleme. Die Deutschen könnten nur dann für mehr Sicherheit im innerdeutschen Datenverkehr sorgen, wenn die anderen großen Internetzugangsanbieter wie Vodafone oder Telefónica freiwillig mitspielen. Die aber fürchten einen „unverhältnismäßig hohen Mehraufwand“. Vodafone ist überdies nicht bekannt für übergroße Distanz zu Geheimdiensten. Es nützt also nichts, wenn ein T-Online-Kunde einem Vodafone-Kunden Baupläne von Hamburg nach Stuttgart schickt oder ein Freiburger Getränkehersteller sein Rezept per Googlemail nach Frankfurt mailt.

Dennoch geht der Vorstoß der Telekom über bloße Augenwischerei hinaus. Er verweist auf die Notwendigkeit einer politischen Reaktion. Die große Koalition hätte nun die Möglichkeit, ein IT-Sicherheitsgesetz zu verabschieden, das die in Deutschland operierenden Zugangsprovider zu nachprüfbarer Datensicherheit verpflichtet und den Geheimdiensten wirksame Zügel anlegt. Und zwar nicht nur den eigenen. Allerdings sollte man dabei den Fehler anderer Staaten vermeiden, die ihre Kommunikationssicherheit nur wieder in die Hände ihrer Innenministerien und damit in die Hände der Geheimdienste gelegt haben. Böcke waren ja als Gärtner noch nie gut geeignet.

Mehr von Wolfgang Michal auf carta.info


AUSGABE

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 30% Rabatt lesen

Geschrieben von

Wolfgang Michal

Journalist; Themen: Umbrüche & Entwicklungen

Wolfgang Michal

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden