Das ZDF muss neutraler werden

Medientagebuch Das Zweite Deutsche Fernsehen ist nicht unabhängig genug, beschied das Bundesverfassungsgericht. Es läuft Gefahr, Staatsfunk zu werden
Ausgabe 13/2014

Überraschend ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Staatsvertrag des ZDF nun wirklich nicht. Die Richter befanden genau das nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, was die Beobachter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit Mitte der 1960er-Jahre konstatiert hatten – den starken Einfluss von Parteien und Regierungen. Denn je wichtiger erst das Radio, später das Fernsehen für die Meinungsbildung der Bevölkerung wurde, desto stärker hat die Politik ihren Einfluss in den Kontrollgremien ausgebaut. Das gilt vor allem für das ZDF, was in diesem Fall besonders absurd ist. Denn der Sender, der vor 51 Jahren am 1. April 1963 mit der Ausstrahlung seines Programms begann, verdankt seine Existenz ja dem ersten Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1961. Mit ihm hatten die Richter das Ansinnen des Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU), ein privat organisiertes, aber von der Bundesregierung kontrolliertes Fernsehen zu schaffen, verhindert.

Man kann es als Rache der Politik bezeichnen, dass das anschließend öffentlich-rechtlich verfasste Zweite Deutsche Fernsehen in seinen Aufsichtsgremien in hohem Maße mit Parteipolitikern durchsetzt wurde. Im Fernsehrat des ZDF sitzen seit 1963 beispielsweise auch Vertreter der Bundesregierung, obgleich doch Rundfunk (und dieser Begriff schließt Fernsehen mit ein) ausschließlich Ländersache ist. Und so war das ZDF von Anfang ein Sender, dessen Programm von der Politik mit Argusaugen betrachtet wurde. Nirgendwo sonst war der politische Einfluss vor allem auf die Auswahl des Führungspersonals so groß wie im ZDF. Die Folge war, dass nur im Ausnahmefall die Besten im Sender aufstiegen, sondern vor allem die, die in die Farbenlehre passten. Das ZDF verlor so manch fähigen Kopf, der mangels Aufstiegschancen das Weite suchte oder in seinem Engagement ermüdete. Es beförderte oft genug stattdessen mittlere Funktionäre, die mit den Politikern der jeweiligen Partei gut konnten.

Noch der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durch die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hamburg war das parteipolitische Interesse einbeschrieben. Denn die von der SPD geführten Länder klagten erst dann gegen den Staatsvertrag, als sich die konservative Seite aus CDU/CSU und FDP einmal nicht an die ungeschriebene Regel hielt, der nach unterhalb des stets konservativen Intendanten der Chefredakteur den Sozialdemokraten nahe zu stehen hat, wenn der Programmdirektor bei den christlichen Parteien seine politische Heimat hat. Angeführt vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) verhinderte die konservative Mehrheit im Verwaltungsrat die Wiederwahl des Chefredakteurs Nikolaus Brender, der damals als der SPD nahe galt, und mischte sich damit in den Einflussbereich der Sozialdemokratie ein.

Leider fällt das Urteil in seinen Ausführungsbestimmungen eher kleinteilig aus. Es will den Einfluss des Staates nur quantitativ beschränken. So soll die Zahl der direkt von Staat und Parteipolitik bestimmten Vertreter im Fernseh- wie Verwaltungsrat von 44 auf unter 33 Prozent reduzieren werden. In diesen Passagen des Urteils waltet ein gewisser „Realismus“, wie der Verfassungsrichter Andreas Paulus in seiner abweichenden Meinung konstatiert; da man die mittelbare und sublime Einflussnahme des Staates ohnehin nicht begrenzen könne, belasse man es bei einer quantitativen Korrektur. Tatsächlich klingt die Begründung des Urteils, weshalb auch Vertreter der Exekutive – beispielsweise Ministerpräsidenten – weiterhin Mitglied des Verwaltungsrates werden können, fadenscheinig. Anders sieht es bei der Entsendepraxis der gesellschaftlich relevanten Gruppen, Verbände und Vereinigungen aus: Sie dürfen nicht mehr wie bisher Politiker delegieren. Zudem konstatiert das Gericht bei diesen Gruppen eine gewisse Gefahr der „Versteinerung“. Es sorgt sich zurecht darum, dass in der traditionalen Auswahl dieser Gruppen „neue wichtig werdende gesellschaftliche Entwicklungen“ nicht erfasst würden. Aber nicht nur: Je einen Vertreter entsenden derzeit der Bund der Vertriebenen und die Vereinigung der Opfer des Stalinismus. Die Angehörigen der Ermordeten und Verfolgten des Nazi-Regimes sind nicht vertreten - wie schon 1963 bei Gründung des Fernsehrates.

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