Dem Pornograf ist nichts zu scharf: US-Flirt

Männersache Ein neues Bildgenre hat es in die Skandalecke geschafft. Immer mehr Prominente verschicken Fotos von ihrem Genital. Doch was, wenn die Botschaft den Empfänger verfehlt?
Ausgabe 33/2013
Dem Pornograf ist nichts zu scharf: US-Flirt

Foto: Keith Tsuji/AFP/Getty Images

Alles begann mit einem verschwommenen Foto. Gesendet wurde es im Sommer 2011 vom US-Abgeordneten Anthony Weiner. Er hatte es via Twitter an eine 22-Jährige versendet, sich jedoch bei den Privacy-Einstellungen geirrt. Das Bild gelangte an alle Follower. Es zeigte einen eregierten Penis unter grauen Unterhosen. Weiner war verheiratet und Amerika entrüstet. Der 46-Jährige musste zurücktreten.

Das Phänomen ist in den USA nicht neu. Einer Umfrage des Pew Research Center zufolge haben fast 20 Prozent der amerikanischen 18-Jährigen bereits „sexuell aufreizende“ SMS erhalten.

Dick Pic verschickt

Ich selbst bin Amerikaner, 22 Jahre alt und Teil der neuen digitalen Flirtkultur. Ich kann mich nicht mehr an die Zeit erinnern, als ich noch kein Handy besaß. Wenn ich irgendetwas erlebe, ist es wie ein Reflex, dass ich mich in den sozialen Netzwerken mitteile. Ich habe extrem viel per SMS geflirtet – manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Allerdings habe ich noch nie ein sogenanntes Dick Pic verschickt. Mein Medium sind nämlich Worte, nicht Pornografie. Aber ich gebe zu, dass man Menschen nicht verurteilen sollte, die digitale Vertriebswege nutzen, um sich gegenseitig aufzuheizen.

Der Rapper Kayne West singt in seinem Hit „Runaway“: „She found pictures in my e-mail / I sent this girl a picture of my dick.“ R&B-Sänger Chris Brown machte ebenfalls mit Dick Pics auf sich aufmerksam. Football-Star Brett Favre und NBA-Basketballer Greg Oden kamen aus dem gleichen Grund in die Presse. Psychologen äußerten in einem kürzlich in der New York Times veröffentlichten Artikel den Verdacht, die amerikanische Männlichkeit sei angeknackst. Dass Anthony Weiner für seinen Dirty Chat den Namen eines Superhelden – Carlos Danger – gewählt hat, ist in dieser Logik wohl ein Fall von Überkompensierung.

Eine neue App

Mit der digitalen Echtzeitkommunikation ist ein neues Bildgenre in die Welt gekommen. Eine neue App namens Snapchat erlaubt es sogar, Fotos zu verschicken, die beim Empfänger nur für zehn Sekunden zu sehen sind. Das wird den Dirty Photo Chat zusätzlich befeuern, aber die clevere Erfindung könnte uns in Zukunft die Peinlichkeit seiner Aufdeckung ersparen. Denn Dick Pics sind in einer pornografisierten und überkommunikativen Gesellschaft nicht wirklich ein Problem, aber Dick Pics, die ihren Empfänger verfehlen, werden es bleiben. Ob ich eines Tages selbst so ein Foto verschicken würde? Ich weiß es nicht, ich bin nie danach gefragt worden.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden