Der Bär ist los

Börsen Der Kursverfall an den Aktienmärkten reflektiert Einbrüche beim weltweiten Handel, er könnte der Vorbote einer weiteren globalen Finanzkrise sein
Ausgabe 07/2016
Die Turbulenzen an den Märkten sind womöglich nur das Vorbeben der großen Krise
Die Turbulenzen an den Märkten sind womöglich nur das Vorbeben der großen Krise

Foto: Thimothy A. Clary/AFP/Getty Images

Wenn die Kurse um mehr als 20 Prozent abstürzen, tanzt der Bär, lautet eine alte Börsenregel. Seit Anfang des Jahres erleben wir nun einen weltweiten Crash in Raten. Chinas Börsenkrise schickt die Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt. Nur in der vergangenen Woche hat es kurzzeitig eine leichte Erholung gegeben, für Tage stieg der Ölpreis auf über 30 Dollar pro Barrel. Sofort begann der Chor der Berufsoptimisten zu jubilieren. Es sind die gleichen Leute, die seit 2009 verkünden, die Krise sei vorbei. Die vierte große Depression in der Geschichte des modernen Kapitalismus wollen sie bis heute nicht wahrhaben.

Börsenbeobachter sind da weniger voreingenommen und deuten die derzeitigen Turbulenzen an den Aktienmärkten als Vorbeben, das die nächste Weltfinanzkrise ankündigt. Sie stellen diese Diagnose, weil der regierungsamtlich verbreitete Optimismus auf einer Geldflut zu Niedrigstzinsen beruht, ausgelöst durch eine expansive Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken.

Was beim momentanen Kursabfall ins Auge fällt, sind die Verluste bei den Bankwerten, wenn etwa der Aktienkurs der Deutschen Bank zeitweise um mehr als 40 Prozent nachgibt. Das reflektiert, wie sehr die Kreditpolitik der Geldhäuser auf tönernen Füßen steht, weil sich die Zinserwartung in engen Grenzen hält. Und die Weltkonjunktur nicht für Abhilfe sorgt.

Der Aufschwung in den USA ist höchst fragil, die Infrastruktur verrottet, die Industrie nur in wenigen Branchen international wettbewerbsfähig. China und Japan, die zweit- und die drittgrößte Ökonomie weltweit, stagnieren beziehungsweise schrumpfen. Für China als Schwellenstaat mit nach wie vor rasch wachsender Bevölkerung, einem Montblanc an ungelösten Problemen und höchst ehrgeizigen Umbauplänen sind selbst respektable Wachstumsraten von drei bis vier Prozent nicht genug. Japan steckt nach wie vor tief in einer Dauerdepression. Die unter Bezug auf den Premier Shinzō Abe als „Abenomics“ gefeierte neue Wirtschaftspolitik ist gescheitert. Es kommt hinzu, dass die Ökonomien Russlands, Brasiliens und Südafrikas durch die sinkenden Rohstoffpreise nicht eben florieren. Auch die Rückkehr des Iran ins Weltölgeschäft kommt eher ungelegen. Die Ölexporteure – besonders die amerikanischen Frackingchampions – drohen in einer Ölschwemme unterzugehen. Der Welthandel, bisher eigentlicher Motor der Weltwirtschaft, wächst erstmals seit Jahrzehnten deutlich langsamer als die Weltproduktion. Offiziell schwört noch alles auf den Freihandel und mehr Freihandelszonen, aber offene Handelskriege – etwa gegen die spottbillig produzierende und noch billiger verkaufende chinesische Stahlindustrie – sind längst wieder an der Tagesordnung. Und was geschieht, wenn die EU auseinanderbricht, worauf viele spekulieren? Nähern wir uns dann einer globalen Handelskrise wie in den 30er Jahren?

Insofern sind die Wachstumsraten in Nordamerika oder in bescheidenerem Maße in der EU auch ein Hinweis auf neue Spekulationsblasen, ermöglicht durch die Zentralbankpolitik des billigen Geldes. Was dazu führt, dass an den Aktienbörsen die heiße Luft zu entweichen beginnt, auch wenn an den Immobilienmärkten die Rallye noch munter weitergeht. Sollte die nächste globale Finanzkrise ausbrechen, werden die Regierungen diesmal nicht mehr viel in der Hand haben, um gegenzuhalten. Die Zentralbanken haben nun einmal ihr Pulver verschossen, selbst Negativzinsen wirken nicht.

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