Der brave Soldat Mölders

Streit um einen "Traditionsnamen" Die Bundeswehr durchzieht ein Hauch von Meuterei

Mit seiner Entscheidung, dem "Jagdgeschwader 74" in Neuburg an der Donau seinen jahrzehntelang mit Inbrunst gepflegten Traditionsnamen "Mölders" abzuerkennen, hat Verteidigungsminister Struck eine herausragende Kultfigur der nationalsozialistischen Kriegspropaganda vom Sockel der Traditionspflege in der Bundeswehr gestürzt. Und damit - endlich! - einem sieben Jahre alten Beschluss des Bundestages Rechnung getragen, demzufolge Angehörigen von Hitlers "Legion Condor" nicht länger ehrendes Angedenken zu gewähren sei. Doch kaum war dies geschehen, formierte sich unter Führung eines rüstigen Luftwaffengenerals im Ruhestand ein Volkssturm der Ewiggestrigen, um für den Erhalt überkommener Wehrmachtstraditionen in der Bundeswehr zu kämpfen. Flankenschutz leistet der "Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik der CSU", der gegen die "völlig überflüssige Blitzaktion und Verbeugung nach ganz links" wettert und die Schrecken "grüner Bilderstürmerei in der Bundeswehr" an die Wand malt.

Zu Fragen und Bedenken gibt indes der Hauch von Aufruhr und Meuterei Anlass, der die Reihen der aktiven Luftwaffensoldaten der jetzigen Generation durchzieht. Nur mit Mühe konnte die Luftwaffenführung verhindern, dass sich das Jagdgeschwader mit einer Protestresolution gegen die Umbenennung an die Öffentlichkeit wandte. Irgend etwas scheint in Neuburg massiv schiefgelaufen zu sein mit der Sozialisation zum demokratischen "Staatsbürger in Uniform". Wie das Lokalblatt Neuburger Rundschau erfahren hat, soll der Namenszug von Werner Mölders in einem internen Geschwader-Appell von der Truppenfahne entfernt werden. Auf Wunsch des Verbandes ein Akt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, den Oberst Thomas Tillich wie folgt rechtfertigt: "Das ist, denke ich, wegen der Enttäuschungsbewältigung auch angebracht."

Warum, so ist zu fragen, wird mit ideologischem Furor ein Mann verteidigt, der sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er sich als Kampfpilot für das Spanien Francos und das nationalsozialistische Deutsche Reich verdingte? Und als solcher "heimtückisch, grausam und mit gemeingefährlichen Mitteln" - denn dies charakterisiert den Waffeneinsatz im Krieg gemeinhin - mit äußerster Perfektion massenweise Spanier, die nichts anderes taten, als ihre Heimat zu verteidigen, vom Leben zum Tode beförderte. Und der sich zu guter Letzt auch noch von den Diktatoren Franco und Hitler höchste Orden an die Brust heften und um den Hals hängen ließ.

Und warum erweisen sich die gläubigen "Mölderianer" als unbelehrbar, obwohl ein auf neuesten Forschungen basierendes Gutachten des Militärhistorischen Forschungsamtes der Bundeswehr in Potsdam vorliegt? Diese Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass der hochdekorierte Vorzeigeoffizier Mölders als Muster eines NS-konformen Soldaten galt, sich vorbehaltlos auf die Inszenierung seiner Person seitens der damaligen Propaganda einließ, keinerlei substantielle Distanz zum NS-Regime besaß und sich als der "gute Flieger und Menschenführer" nahtlos in das Kriegerideal des NS-Regimes einfügte.

Notorisch und hinlänglich bekannt sind die in der Bundeswehr herrschenden Defizite sowohl hinsichtlich der politischen Bildung im allgemeinen als auch der militärhistorischen Kenntnisse im speziellen. In der Tat besorgniserregend freilich muss stimmen, dass den unbeirrbaren Apologeten der unseligen Mölders-Tradition offenbar das Bewusstsein für den fundamentalen Unterschied fehlt, der darin besteht, ob man als Soldat für eine menschenverachtende Diktatur kämpft oder einer demokratisch legitimierten Regierung dient, die qua Verfassung auf Menschen- und Völkerrechte verpflichtet ist. Bei aller Skurrilität der jetzigen Debatte - eine Armee, die mit globaler Reichweite für Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft intervenieren will, sollte es sich nicht leisten, dass ihren Soldaten die kalten Handwerker der Hitler bis zuletzt ergebenen Wehrmacht als traditionswürdige Vorbilder angedient werden.

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.


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