Der Sexismus von „Grand Theft Auto 5“

Differenzierungsnot Ist es scheinheilig, zu kritisieren, dass eine Frau das Wort "Schlampe" eintätowiert hat – während man ohne Gewissensbisse mit einem virtuellen Auto Menschen überfährt?
Ausgabe 39/2013
Der Sexismus von „Grand Theft Auto 5“

Foto: Rockstar Games

Die Videospielserie Grand Theft Auto, deren jüngste Folge GTA 5 vergangene Woche erschien,ist bestimmt nicht frauenfreundlich. Weibliche Charaktere, mit denen man mitfiebern oder von denen man sich beeindrucken lassen könnte, gibt es nicht. Frauen sind bei GTA dazu da, einem auf die Nerven zu gehen oder damit man sie – gegen ein Abendessen oder Geld – ins Bett kriegt. Wenn man dann bedenkt, dass man einmal eine Prostituierte aufsuchen und sie dann umbringen konnte, um sein Geld zurückzukriegen, nehmen die entsetzen Reaktionen sich nicht verwunderlich aus.

Mich langweilt das. Beim Spielen von GTA 5 fühlte ich mich wie beim Lesen eines Romans von Martin Amis. Ich bewundere die kalte Brillanz, die Kunstfertigkeit, die Vorstellungswelt – lieben aber werde ich diese Welt nie. Computerspiele unterscheidet von Büchern oder Filmen, dass die zweifelhafte Sexualpolitik und exzessive Gewalt eines einzigen Exemplars als Knüppel benutzt wird, mit dem auf alle eingeschlagen wird. Dabei erzielte GTA 5 bereits am ersten Verkaufstag erstaunliche 590 Millionen Euro Umsatz, ist also alles, bloß kein Nischenprodukt.

Angesichts von Spott und moralischer Panik sind die Gamer hyperempfindlich gegenüber Kritik. Deshalb ist es so schwierig auszusprechen, dass das Medium zwar spannend, aufregend und innovativ ist, es sich bei einzelnen Titeln aber oft um Reproduktionen von Widerwärtigkeiten und Vorurteilen handelt.

So hat der Romancier und Kritiker Tom Bissell den jüdischen Anwalt des Protagonisten der GTA-Version Sin City als „antisemitische Parodie einer antisemitischen Parodie“ beschrieben. In der neuen Version hat die Tochter eines der Hauptdarsteller das Wort „Schlampe“ eintätowiert. Ist es scheinheilig, so etwas zu kritisieren und kein schlechtes Gewissen zu haben, mit dem virtuellen Auto Menschen zu überfahren?

Ich finde nicht. „Das Ziel in Videospielen ist in der Regel, den Gegner zu schlagen, bevor er einen schlägt“, schrieb Simon Parkin im New Yorker. „Es geht um Reaktion, Geschwindigkeit und schnelle Planungsfähigkeit, beruhend auf dem Prinzip der Fairness – oder darauf, dass der Protagonist etwas entgegen jede Wahrscheinlichkeit schafft.“

Aus diesem Grund ist mir nicht wohl zumute bei der Folterszene, in der man mit einer Zange Informationen (und einen Zahn) aus seinem Gegner herausziehen muss. Gefallen an der Gewalt in einem „unfairen Kampf“ zu finden, ist etwas anderes, als schneller als der Gegner den Finger am Abzug zu haben. Hier wird die Verteidigungshaltung der Games-Fans problematisch. Deshalb muss der Diskurs über Spiele dringend differenzierter werden. Wir müssen die Darstellung von Gewalt in Videospielen und ihre Bedeutung in der Games-Welt ergründen – ohne sie als Symptom eines moralischen Verfalls anzuprangern. Gleiches gilt für Frauenfeindlichkeit.

Also ja, Grand Theft Auto 5 erregt Anstoß. Bewusst. Und ja, es ist problematisch in Bezug auf den Umgang mit Geschlecht, Hautfarbe und Sexualität. Und ja, technisch und künstlerisch ist das Spiel unglaublich. Dadurch unterscheidet es sich nicht von irgendeinem anderen Meisterwerk irgendeiner anderen Kunstform. Fans und Kritiker müssen beide aufhören, so zu tun, als sei das anders.

Grand Theft Auto 5 Rockstar North

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