Es sind keine leichten Zeiten für Russen wie Konstantin Jablozkij. Seit vergangenem Sommer gilt in Russland ein Gesetz, das die „Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“ unter Strafe stellt. Gerade hat Moskau dieAdoption russischer Kinder für jene Länder eingeschränkt, die gleichgeschlechtliche Ehen erlauben. Das sind die Folgen der konservativen Politik von Wladimir Putin. Unterstützung erhält der Präsident dabei von der orthodoxen Kirche, deren Patriarch die Homo-Ehe einmal als „Symptom der Apokalypse“ geißelte. Die große Mehrheit im Land lehnt gleichgeschlechtliche Beziehungen ab, nicht wenige halten Homosexualität für eine Krankheit. Schwule und Lesben wer
werden ausgegrenzt, schikaniert und manchmal sogar misshandelt.Konstantin Jablozkij möchte alledem etwas entgegensetzen. Der junge Mann mit den kurzen dunkelblonden Haaren und den wachen Augen ist schwul, das allein kann im russischen Alltag zu Problemen führen. Der 30-Jährige aber steht offen zu seiner Homosexualität. Und er tritt mutig an, die negative Stimmung in der russischen Gesellschaft zu verbessern.Vor Olympia in Sotschi hatte Jablozkij den Boykott der Spiele stets abgelehnt, und stattdessen ausländische Sportler ermuntert, Solidarität zu zeigen. Gemeinsam mit anderen Aktivisten warb er im Vorfeld auch bei IOC-Chef Thomas Bach für mehr Unterstützung. Während der Wettkämpfe war Kritik jedoch allenfalls im Hintergrund zu vernehmen.Nun hofft Jablozkij auf die sogenannten Open Games, die er und seine Mitstreiter organisieren. Es sind die ersten großen schwul-lesbischen Sportwettkämpfe in Russland. Vom 26. Februar, unmittelbar nach dem Ende der Spiele in Sotschi, bis zum 2. März sollen sich in Moskau gut 200 Sportler aus verschiedenen Ländern in Disziplinen wie Fußball, Schwimmen oder Basketball messen. Darüber hinaus sind Kulturveranstaltungen und Diskussionen über Menschenrechte geplant. Jablozkij möchte die Veranstaltung für „die größtmögliche Aufmerksamkeit der Medien“ nutzen, um „Vorurteile in der russischen Gesellschaft abzubauen“.Er selbst erlangte bei einer ähnlichen Veranstaltung Bekanntheit. Bei den Gay Games in Köln, im Sommer 2010, gewann der Eiskunstläufer die Goldmedaille. Das lenkte viel Aufmerksamkeit auf den Amateursportler und dessen sexuelle Orientierung. Selbst das Staatsfernsehen berichtete. Jablozkij, der nach eigenen Angaben seit der sechsten Schulklasse gehänselt wurde, wagte ein öffentliches Coming-out.Seltener BeistandReporter reisten damals bis zu seinem Elternhaus in Archangelsk, einer Industriestadt in Nordrussland. Seine Mutter habe es zwar geahnt, aber dennoch gehofft, dass er nicht schwul sei, erinnerte sich Jablozkij in Interviews. Anfangs sei es für sie schwierig gewesen, heute akzeptieren es die Eltern. Auch seine Freunde unterstützten ihn. Selbst auf der Arbeit – er unterrichtet an einer Moskauer Schule körperlich behinderte Kinder in Chemie – hielten die Kollegen weiter zu ihm. Das ist in Russland oft anders.Zwar habe er sich vor dem Wettkampf in Köln überlegt, das Land zu verlassen. Viele Homosexuelle hegen solche Pläne, sie wollen Asyl beantragen in, wie Jablozkij sagt, „zivilisierten Ländern“. Sein Ziel wäre wohl Südfrankreich gewesen. Doch diese Idee verwarf er schnell wieder. Zu sehr liebe er seine Heimat, daran könne auch schlechte Politik nichts ändern. Heute sei sein Leben besser, sagt er, „weil ich mich nicht mehr verstecken muss“. Nun will er soziale Verantwortung übernehmen und Ausgegrenzte unterstützen. Nach dem Erfolg in Köln gründete er mit anderen russischen Teilnehmern einen LGBT-Sportverband, für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle. Die Organisation will jungen Leuten ein soziales Umfeld bieten, in dem sie Freizeitsport treiben und sich gleichzeitig über Probleme austauschen können. Gut 850 Menschen aus fast 50 Regionen Russlands haben sich in den vergangenen Jahren angemeldet. Jablozkij ist Präsident der Organisation.Der Verband ist bei den russischen Behörden registriert. Probleme gab es im Alltag selten, erklärte Jablozkij noch vor wenigen Monaten – solange die Teilnehmer nicht groß auffielen. Wenn sie Sporthallen für Training oder Turniere suchten, rückten sie zunächst den Sport in den Vordergrund, erklärten erst später, wer genau sie sind.Zuletzt aber sind die Betreiber von Sportstätten vorsichtiger geworden, einige sagten für die Open Games ab. Mitte Februar meldete sich Witali Milonow zu Wort. Der Abgeordnete der St. Petersburger Stadtversammlung hat sich als Autor der umstrittenen Vorschrift einen Namen als Schwulenfeind gemacht. Er forderte die Moskauer Stadtverwaltung auf, die Open Games gleich ganz zu verbieten. Homosexuelle fühlen sich durch das Propaganda-Gesetz minderwertig und illegal, weiß Jablozkij. Einige Mitglieder sind seitdem aus seinem Verband ausgetreten. Sie haben Angst, dass sie bei Sportveranstaltungen fotografiert oder gefilmt werden und ihnen Stigmatisierung und Jobverlust drohen. Einige Sportler aus dem Ausland haben ihre Teilnahme an den Wettkämpfen in Moskau wieder abgesagt.Jablozkij und seine Mitstreiter fürchten derweil, dass die Behörden weiter gegen Homosexuelle vorgehen, sobald die Welt nicht mehr nach Sotschi blickt. Auch das wollen sie mit den Open Games verhindern. Die Leute sollten einsehen, dass LGBT keine Randerscheinung der Gesellschaft ist, erklärt Jablozkij. „Wir können Sport treiben, erfolgreich sein und Medaillen gewinnen“, sagt er. „Wir sind gewöhnliche Menschen.“