Der Untertan - revisited in Düsseldorf

Ausstellung Was haben die DEFA-Filme Spur der Steine von Frank Beyer (1965) und Der Untertan von Wolfgang Staudte (1951) gemeinsam? Beide waren jahrelang ...

Was haben die DEFA-Filme Spur der Steine von Frank Beyer (1965) und Der Untertan von Wolfgang Staudte (1951) gemeinsam? Beide waren jahrelang verboten. Aber nur bei Spur der Steine trägt die SED-Führung Schuld. Dem Untertan verordneten Zensoren in Bonn Quarantäne. Erst 1957 durfte die Satire auf den wilhelminischen Spießer und seine Nachfolger in NS- und Nachkriegszeit in Westdeutschland öffentlich aufgeführt werden.

Eine Ausstellung im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut beleuchtet jetzt Entstehung und Rezeption des Filmes sowie der 1918 erschienenen Romanvorlage von Heinrich Mann. Das Konzept stammt vom Lübecker Buddenbrookhaus. Präsentiert werden Filmplakate, Kostümentwürfe, Hörbeispiele, Lesemappen und PC-Vorträge. Eine kommentierte Filmfassung erläutert das reiche stilistische Repertoire des Regisseurs Wolfgang Staudte, von dessen Nachlass im Düsseldorfer Filmmuseum die Ausstellung stark profitiert.

Warum aber überhaupt ein Filmverbot im Westen? Schließlich war Staudtes Sichtweise auf die Figur Diederich Heßling ("Wer treten will, muss sich treten lassen") und damit auf die Gründe für die "deutsche Katastrophe" (Friedrich Meinecke) so revolutionär nicht.

Diese Frage beantwortet die sonst sehr sehenswerte Ausstellung nur zum Teil. Politische Hintergründe wie Wiederbewaffnung oder KPD-Verbot werden nicht analysiert. Auch der Katalog von Michael Grisko konzentriert sich auf (allerdings hoch interessante) Einzelheiten. Im Zentrum stand demnach der "Interministerielle Prüfausschuss - West-Ost-Filmaustausch". Dieses Gremium im westdeutschen Innenministerium war ab 1953 zuständig für den "Filmaustausch mit der Ostzone" - also auch für den Untertan. Es tagte geheim. 1956 stufte der Prüfausschuss den Film nach langer Nichtbefassung, die einem Verbot gleichkam, als "zur gewerblichen Aufführung nicht geeignet" ein. Erst 1957 wurde Der Untertan freigegeben: nachdem die ursprüngliche Schlussszene - mit Ruinenlandschaft und Horst-Wessel-Lied - getilgt war.

Ironie des Kalten Krieges: Im neuen Vorspann hieß es, dass es sich beim Untertan um ein "Einzelschicksal" handele und nicht "um ein Sinnbild für die Geschichte des deutschen Volkes im 20. Jahrhundert". Sozialistischer Realismus einmal anders herum.

Für Ost-West-Polemik eignet sich die Ausstellung dennoch nicht. Zum einen, weil sie deutlich macht, wie auch die DDR das Thema Untertan propagandistisch genutzt hat. Zum anderen erkannten offenbar nicht wenige westdeutsche Filmkritiker die Qualität des DEFA-Films - wenn auch oft erst nach der Zulassung. So nannte ihn die FAZ "genussreich" und lobte seinen "souveränen Spott". Selbst Die Welt fand neben kritischen Anmerkungen, manches freundliche Wort. Negative Urteile fällten Filmpress ("Ein törichter Film") und Die Rheinpfalz ("Pure Schmähung"). Den harschsten Verriss lieferte wegen der Militarismuskritik des Streifens die Deutsche Zeitung: "Schließlich ist von den Offizierstypen jener Zeit das eine zu sagen, dass sie im Unterschied zu den GPU-Offizieren der DEFA-Ära noch nicht wussten, was ein Genickschuss ist." Noch 1961 weigerte sich das westdeutsche Fernsehen starrköpfig, DEFA-Filme auszustrahlen. Ungekürzt wurde Der Untertan im Westfernsehen erst 1971 gezeigt. Vermutlich wäre die innere Distanz im heutigen Deutschland kleiner, wenn der Kulturaustausch zwischen Ost und West weniger ideologisch funktioniert hätte - und Solo Sunny in Düsseldorf so bekannt wäre, wie es Fitzcarraldo in Frankfurt/Oder ist.


Der Untertan - Revisited. Vom Kaiserreich zum geteilten Deutschland. Noch bis zum 10. August im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut, im Anschluss im Lübecker Buddenbrookhaus. Der Katalog ist bei Bertz + Fischer erschienen und kostet 15,90 EUR

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