Wohl noch nie in ihrem langen politischen Leben ist Dianne Feinstein so heftig in die Schlagzeilen geraten wie in den vergangenen Tagen, als sie es wagte, sich öffentlich mit den Geheimdienst CIA anzulegen. Die 80-jährige Demokratin aus San Francisco sitzt seit 1992 im Senat, leitet dort seit fünf Jahren den Ausschuss für geheimdienstliche Angelegenheiten und ist eine der Macherinnen der Demokratischen Partei. Als Barack Obama im Juni 2008 als Präsidentschaftskandidat feststand und Hillary Clintons Anhänger, darunter Feinstein, die Niederlage schwer verkrafteten, lud die Senatorin zum Versöhnungsgespräch ein. Sie habe den beiden nur Wasser hingestellt und bequeme Sessel angeboten, wird überliefert. Die Kontrahenten schlossen Frieden.
So ist das v
ist das von Feinstein gepflegte Image: Unabhängig sein und immer einen „vernünftigen Mittelweg“ suchen. Sie sei „gleichzeitig herrisch und warm, charmant und einschüchternd“, meint der San Francisco Chronicle. Derzeit muss Feinstein besonders heftig strampeln, um den Mittelweg zu finden. Sie hat eine heftige Debatte um den noch unveröffentlichten Bericht ihres Komitees über CIA-Folter in der Regierungszeit von Präsident George W. Bush, ausgelöst. Vor Tagen hat Feinstein im Senat in einer 40-Minuten-Rede der CIA vorgeworfen, von ihrem Komitee benutzte Computer durchsucht und mehr als 900 Dokumente „elektronisch entfernt“ zu haben.Besonders empört war sie über eine Anzeige von CIA-Rechtsberater Robert Eatinger beim US-Justizministerium gegen Mitarbeiter des Geheimdienstausschusses, die angeblich Geheimdokumente entwendet haben sollen. Eben dieser Eatinger sei von 2004 bis 2009 Rechtsberater des Anti-Terrorismus-Zentrums der CIA gewesen, des Teils der Behörde also, der das vom Komitee untersuchte Verhörprogramm gemanagt habe, so Feinstein. Sein Name komme mehr als 1.600-mal im Berichtsentwurf ihres Ausschusses vor.Als Präsidentin des Board of Supervisors, der gewöhnlich die Stadt San Francisco regiert, hatte Feinstein gerade ihr erstes politisches Amt übernommen, als sie am 27. November 1978 erklären musste: „Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass Bürgermeister Moscone und Supervisor Harvey Milk erschossen worden sind.“ Die Verwirrung über diese sogenannten Rathaus-Morde war groß. Gab es eine Verbindung zum Massenselbstmord im Peoples Temple von Guyana keine zehn Tage zuvor? Viele Tote stammten aus San Francisco; der Temple galt in der Stadt als respektable Organisation mit Kontakten zu demokratischen Politikern. Die beiden Morde und der Massen-Suizid hatten nichts miteinander zu tun, wie sich bald zeigen sollte. Im Rathaus ging es um einen Konflikt zwischen dem Mörder, dem konservativen Supervisor Dan White, und den progressiven Moscone und Milk, bei dem Ex-Polizist White den Kürzeren gezogen hatte.Von San Francisco nach WashingtonEnde der siebziger Jahre, das war in San Francisco eine außergewöhnliche Zeit: Gegen den Widerstand des Establishments schufen Schwule und Lesben in der Stadt am Pazifik einen Ort, an dem sie offen leben konnten. Im Zentrum stand Harvey Milk, der 1977 in den USA als erster bekennender Schwuler in ein bedeutendes Amt gewählt wurde: Supervisor von San Francisco. 25.000 Menschen versammelten sich in der Mordnacht mit Kerzen, Joan Baez und der Gay Men’s Choir sangen. Dianne Feinstein sprach. Es sei für sie der schwerste Tag ihres Lebens gewesen, meinte sie in einem Fernsehinterview.Dianne Feinstein wurde danach zur Bürgermeisterin ernannt und 1979 von den Wählern bestätigt. Nachdem White im Mai 1979 zu lediglich sieben Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde, kam es in San Francisco zu Straßenkämpfen zwischen Bürgern und der Polizei. Feinstein wollte die Stadt „heilen“. Sie versuchte es, indem sie auf Lebensqualität sowie Law and Order gegen Kriminalität setzte, die historische Straßenbahn restaurieren ließ und einen Bau-Boom in der Innenstadt ermöglichte. Als Senator Edward Kennedy in den neunziger Jahren dem Präsidenten Jimmy Carter bei den Vorwahlen die Nominierung von links streitig machte und dabei San Francisco hinter sich hatte, schlug sich die Bürgermeisterin auf die Seite Carters.Sie profitierte davon, in San Francisco aufgewachsen zu sein, aus einer angesehenen Familie zu kommen und mit der Reputation einer Senatorin reüssieren zu können. Seit 1992 vertrat sie Kalifornien in Washington, zunächst um die restliche Amtszeit des ins Gouverneursamt gewechselten Senators Pete Wilson zu füllen. 1994 gelang gerade so die Wiederwahl gegen den republikanischen Ölmillionär Michael Huffington (Ehemann von Arianna Huffington, später Verlegerin der Huffington Post). Seitdem gewann Feinstein jedes erneute Votum für den Senat. Dank ihres Investment-Banker-Ehemanns Richard Blum gilt sie zudem als eine der reichsten Politikerinnen in Washington.Bei Wirtschaftsfragen ist Feinstein das, was in den USA als gemäßigt gilt, also auch für die Limitierung angeblich nicht mehr bezahlbarer Sozialprogramme. Sie plädiert für mehr Schusswaffenkontrolle und steht bei der nationalen Sicherheit loyal auf Seiten des Staates. 2010 verlangte sie, Wikileaks-Gründer Julian Assange solle der Spionage angeklagt werden. Edward Snowden hält sie für einen Verräter und die von ihm aufgedeckte NSA-Bespitzelung für legitim. Die NSA passe doch auf, dass kein Missbrauch betrieben werde, es existiere ja ein „System zum Beaufsichtigen“ des Dienstes, glaubt Feinstein. Barack Obama dürfte von ihrer Kritik an der CIA-Überwachung überrascht gewesen sein: Die Team-Playerin ist offenbar gekränkt. Und nun möchte sie eine Entschuldigung, wie sie selber sagt. Es wird sich schon ein Mittelweg finden.