Die heile Welt hinter der Spielkonsole

Kino In dem neuen Kinofilm "Ralph reicht's" legt sich ein Vertreter der Vergangenheit mit der Gegenwart an

Je aufwändiger und technisch fortschrittlicher der amerikanische Film auftritt, desto beschaulicher und wertkonservativer fallen die sozialen Zusammenhänge aus, in denen das Kino sich eingerichtet hat. Die Diagnose gilt schon länger für das Blockbusterkino mit seinen teuren Superhelden-Adaptionen und Crossmarketing-Produktionen, seit den Erfolgen der Digitalschmieden Pixar und Dreamworks trifft sie aber auch auf den Animationsfilm zu.

Hier hat sich in den vergangenen zehn Jahren das Marktsegment des „erwachsenen“, popkulturell versierten Familienfilms herausgebildet. Zwar sehen die Figuren dank erhöhter Rechnerleistung und 3D inzwischen so plastisch aus wie nie zuvor, doch das täuscht nicht darüber hinweg: Die Wertvorstellungen stammen im Grunde wieder aus Walt Disneys Zeiten. Die Regression versteckt sich nur hinter wohlfeiler, ironisch abgesicherterer Selbstreferentialität.

Alte Schule gegen modernste Technologie

Ralph reicht’s, die neueste Familienunterhaltung aus dem Hause Disney, thematisiert dieses Missverhältnis erfreulicherweise ganz unverhohlen. Rich Moores Film trägt noch einmal stellvertretend den Konflikt aus, den Hollywood und die Spiele-Industrie längst für sich entschieden haben: Low Resolution versus High Definition, die verpixelte Retro-Coolness von „Super Mario“ gegen den kinotauglichen Naturalismus der „Grand Theft Auto“- und „Fifa Soccer“-Spielkonsolengeneration. Nebenbei ist Ralph reicht’s auch ein Beleg dafür, dass die Baby-Boomer der achtziger Jahre es mittlerweile in Schlüsselpositionen der Werbe- und Unterhaltungsindustrie geschafft haben. Die Idee für den Film stammt aus Tron (1982), dem ersten komplett am Computer entstandenen Spielfilm, damit der Heilige Gral aller Videospiel-Nerds.

Randale-Ralph ist eine (fiktive) Videofigur aus der Frühzeit der Spielhallen: ein grobmotorischer Haudrauf im Stile von Donkey Kong, dessen einzige Aufgabe darin besteht, eine friedliche Hausgemeinschaft zu tyrannisieren. Sein Widersacher Felix ist der Gute in der klar konturierten Videospielwelt, der eigentlich gutmütige Ralph wird von den anderen Bewohnern hingegen geschnitten.

Viel Sinn für kuriose Details

Um der sich anbahnenden Identitätskrise zu entkommen, bricht er mit einem ungeschriebenen Gesetz der Spielewelt: Er „desertiert“ in den Ego-Shooter „Hero’s Duty“, der im Stahlbad eines Cyberkrieges noch echte Helden hervorbringt. Auf der Flucht strandet Ralph jedoch versehentlich in der bonbonfarbenen Süßwarenwelt des Rennspiels „Sugar Rush“, in der ihm ein anderer Außenseiter begegnet: die Rennfahrerin Vanellope, ein „Glitch“, also ein pixelnder Programmfehler. Dummerweise schleppt Ralph auch noch einen tödlichen Parasiten in die harmlose Jump-and-Run-Realität ein.

Für Game-Nostalgiker ist es natürlich eine frivole Vorstellung, dass sich ein technisch hochgerüsteter 3D-Erreger in einer altmodischen, zweidimensionalen Spielewelt einnistet. Moore, ein Veteran der MattGroening-Schule, erzählt diese historische Schlacht anspielungsreich und mit viel Sinn für kuriose Details.

Aber im Gegensatz zu Futurama oder den Simpsons, deren Anarchismus immer in einem Scheinfrieden mit der renitenten Wirklichkeit endet, sehnt sich Ralph reicht’s nach geordneten Verhältnissen. Superhelden, Monster, 2D-Bösewichte, Cyberkrieger und Prinzessinnen finden sich am Ende allesamt in ihren angestammten Rollen wieder. Und der Animationsfilm sieht einmal mehr aus wie eine bunte Version der amerikanischen Suburbia.

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