Die Mär vom kleinen Kuchen

USA Der US-Haushaltsstreit scheint durch einen Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern soweit eingedämmt, dass keiner neuer Government Shutdown droht
Ausgabe 52/2013
Die Mär vom kleinen Kuchen

Foto: Spencer Platt / Getty

Barack Obama hat Anfang Dezember den kapitalismusskeptischen Papst zitiert und das krasse soziale Gefälle in seinem Land angeprangert. Dadurch sei der amerikanische Traum gefährdet und das Image der USA belastet. Doch war von dieser Sorge nichts zu spüren, als die Washingtoner Politik Mitte Dezember neue Haushaltspläne schmiedete und dem Konzept Austerität light folgte.

Demokraten und Republikaner klopfen sich auf die Schultern. Man habe einen Durchbruch beim Streit um den Etat erzielt, heißt es. Nun drohe keine Stilllegung der Regierung mehr wie an jenen 16 Tagen im Oktober, kein Stolpern von einer Krise in die nächste. Obama lobt den Kompromiss als einen Schritt vorwärts, weil die staatliche Rentenversicherung Social Security nicht angetastet werde. Das ist erstaunlich. Denn noch vor Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, selbst der Präsident würde Rentenkürzungen zustimmen – im Namen des „großen Kompromisses“.

Trotzdem: Wenn auch nicht für Pensionäre, so ist der Etat-Deal für eine Million Langzeitarbeitslose eine Katastrophe. Kurz nach Weihnachten verlieren sie ihre Stütze. Das bestätigt den Eindruck, dass die Debatte um Steuererhöhungen für Wohlhabende und mehr Geld, um die Konjunktur anzukurbeln, gelaufen ist. Die Konsequenz sind bis 2016 gedeckelte Ausgaben bei einem erhöhten Militärbudget.

Mehr als 20 Prozent

Für den Appell zu mehr Gerechtigkeit hatten Obamas Redenschreiber sich streckenweise bei Occupy bedient: 1980 hätten die reichsten zehn Prozent der US-Bevölkerung ein Drittel des Gesamteinkommens erhalten, rechnete der Präsident vor, heute die Hälfte. Der typische Geschäftsführer verdiene inzwischen 273-mal so viel wie ein Arbeiter – 1980 habe es sich noch um das 30-fache gehandelt. Kinder aus dem obersten Einkommensfünftel der USA würden wohl Zeit ihres Lebens dort oben bleiben, so Obama, und die aus dem untersten Fünftel unten. Das Überwinden dieser Kluft sei die „entscheidende Herausforderung unserer Zeit“. Eigentlich hatte Obama auch eine Idee, wie das funktionieren könnte: Alle Amerikaner sollten von einer wachsenden Wirtshaft profitieren. Aber dann kam der lähmende neue Haushaltskompromiss.

Wie er zustande kam und abgesegnet wurde im Weißen Haus, hat viel mit der ungleichen Verteilung von politischer Macht in den Vereinigten Staaten zu tun. Der Durchschnittsbürger könne sich eben keine Lobbyisten leisten, räumte Barack Obama immerhin ein. So wird der Bürger zynisch und die Gesellschaft immer stärker polarisiert.

Obama regiert nun seit fünf Jahren – eine Zeit, in der die sozialen Gegensätze noch einmal gewachsen sind. Mehr als 20 Prozent der Kinder leben in Armut. Da kann man nicht mehr die Republikaner für verantwortlich erklären oder die Tea Party. Aber die Leidtragenden haben sich nicht zusammengeschlossen zu einer progressiven Bewegung. Zugleich ist die Hoffnung auf Obama noch nicht erloschen, auch wenn sich immer mehr Opfer des sozialen Kahlschlags erkennbar der Rechten zuwenden. Wer kann es ihnen verdenken, wenn Obama wirtschaftliche Ungleichheit anprangert und eine Politik betreibt, die genau das zementiert. Eine Gesellschaft wird eben nicht großzügiger, wenn die Angst grassiert, dass der zu verteilende Kuchen immer kleiner wird.

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