Die "Marinisation" der Rechten

Frankreich Mit 44 Prozent werden die Nichtwähler zur stärksten Partei. Das schadet der Demokratie mehr als die beiden Rechtsextremen im Parlament
Gespannte Gewinner: die jungen Sozialisten in Frankreich
Gespannte Gewinner: die jungen Sozialisten in Frankreich

Foto: Fred Dufour/AFP

Einen – wenn auch zwiespältigen – Erfolg hat Nicolas Sarkozy doch noch erzielt ganz am Schluss seiner politischen Karriere. In dem Maße, wie er die Themen des Front National (FN) im Wahlkampf übernahm, öffnete er seine Partei, die Union pour un Mouvement Populaire (UMP), für das, was die Zeitung Le Monde die „marinisation des esprits“ nennt – also die Durchdringung der Köpfe der Konservativen mit dem Geist von Marine Le Pen, der Chefin des FN. Nach 15 Jahren ziehen die Ultrarechten dank der partiellen Unterstützung durch die UMP im zweiten Wahlgang wieder mit zwei Abgeordneten in die Nationalversammlung ein. Eine Katastrophe ist das nicht.

Nur das Mehrheitswahlrecht verhinderte bislang, dass die Partei auch eine Stimme im Parlament bekam. Es ist der Anfang einer Normalisierung, dass eine Partei mit 15 bis 20 Prozent der Wähler auch eine Repräsentation in der Legislative bekommt. Die Wahlenthaltung (44 Prozent) macht die Nichtwähler zur stärksten Partei und schadet der Demokratie mehr als die beiden Rechtsextremen im Parlament. Sollte der neue Präsident François Hollande diese Lektion begriffen haben, müsste er jetzt das Wahlrecht ändern, für eine demokratische Verhältniswahl sorgen und damit eine schwere Hypothek der V. Republik beseitigen.

Schwere Bürden

Wie auch immer – Präsident Hollande und sein Premier Ayrault haben eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung und eine Mehrheit im Senat. Sie können allein regieren. Das heißt, auch ohne Mithilfe der Grünen, denen sie – zur Absicherung der Mehrheit – durch ein Stichwahlabkommen den Einzug ins Parlament mit rund 20 Abgeordneten geebnet haben. Les Verts bleiben in Frankreich also weiter Dekoration. Für die Mehrheitsbildung werden sie so wenig gebraucht wie die Linksfront (Front de gauche), die 13 Sitze errang und damit unter ihren Möglichkeiten blieb.

In der Schlussphase des Wahlkampfs dramatisierten boulevardisierte Medien eine SMS, mit der sich Hollandes Lebensgefährtin Valérie Thierweiler in den Kampf um den Parlamentssitz von Ségolène Royal einmischte. Diese gewann das Mandat zwar nicht und wird damit auch nicht Parlamentspräsidentin, aber den Wahlausgang hat das Manöver nicht beeinflusst.

Kein Biedermann

Die neuen Mehrheitsverhältnisse in Frankreich sind schon jetzt auch ein Erfolg Hollandes, der mit seinem Bekenntnis, er wolle ein „normaler“ Präsident werden, viel Hohn und Spott auf sich zog. Dabei wollte er sich nur von einem überaus exaltierten Vorgänger abheben.

Hollande ist weder ein Biedermann noch eine graue Maus, wie viele Medien – gerade in Deutschland – suggeriert haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird es auf dem EU-Gipfel Ende des Monats als Erste zu spüren bekommen. Doch auch Hollande wird es nicht leicht haben – der Reformdruck ist gewaltig, die Erwartungen an ihn sind hoch und die Kassen ziemlich leer.

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