Ein Solitär ...

Nachruf I ... und unbeugsamer Aufklärer gegen den Zeitgeist

An der Freien Universität Berlin gab es 1965 einen spektakulären "Fall Kuby". Der Rektor der FU erteilte dem Publizisten Erich Kuby Hausverbot, weil der es gewagt hatte, die "Freiheit" im Namen der Freien Universität in Frage zu stellen: Indem sie ihr Selbstverständnis kalt-kriegerisch aus der Negation der unfreien Humboldt-Universität beziehe, könne sie selbst nicht frei genannt werden. Wie recht hatte er!

Aus dem "Fall Kuby" ging gleich darauf der "Fall Krippendorff" hervor, meine Entlassung als Assistent wegen öffentlicher Kritik an der Zensurpolitik des Rektors - mit damals 10.000 solidarisch demonstrierenden Studenten begann das Vorspiel zu "68". Für eine kurze, aber erregende Zeit erwuchs daraus dann eine tatsächlich freie Freie Universität, die zeigte, was demokratisch möglich sein könnte. Erich Kuby hat sich mit dieser Bewegung selbstverständlich solidarisiert und war dann auch einer der Berater der schwungvollen und phantasiereichen studentischen Anti-Springer-Kampagne.

Damals war er bereits ein bekannter Mann - einer, der wie kaum ein zweiter Publizist und Kolumnist die Restauration der Adenauer-Republik mit Scharfsinn, Geist und Leidenschaft bekämpfte. Als sein Glanzstück galt der Blick in den Korruptionssumpf, den die Affäre um die ermordete Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt (Rosemarie, des deutschen Wunders liebstes Kind / 1958) auf die sich neu formierende Klassengesellschaft freigab; der Mord wurde nie aufgeklärt. Die Verfilmung seines Buches (Das Mädchen Rosemarie) ist bis heute ein unübertroffener Klassiker und - leider - ein Solitär seines Genres geblieben. So wie Erich Kuby ein großer Solitär geblieben ist.

Mir ist nicht bekannt, ob er jemals Preise bekommen hat - er hatte sie zwar subjektiv nicht nötig, aber mehr als verdient. Ohne seine unkorrumpierbare journalistische Stimme hätte es die demokratische Chance der Bundesrepublik noch schwerer gehabt. Bis ins hohe Alter hat er sie erhoben, zuletzt als kritischer Zeitungskommentator für den Freitag, wo es ihm meist in Kraus´scher Nachfolge genügte, einfach zu zitieren, um die Vernebelungsstrategien der großen Blätter und Magazine vorzuführen.

Er tat das von Venedig aus, wohin er sich zurückgezogen hatte. Italien widmete er eine bitter brillante zeitgeschichtliche Monographie über (Nazi-)Deutschlands zynische Außenpolitik: Verrat auf deutsch. Wie das Dritte Reich Italien ruinierte (1982). Es ist das Beste, was man zu diesem noch nicht ganz abgeschlossenen Kapitel (der letzte Kriegsverbrecherprozess in Italien ging erst in diesem Jahre zu Ende - die deutsche Justiz mauerte) unbedingt wissen muss. Das also konnte er auch. So war er in vielen Genres als Meister zu Hause: Er recherchierte, dokumentierte Zeitgeschichte, schrieb politische Schlüsselromane und übte Tageskritik aus der prinzipiell radikal-ethischen Perspektive eines sensiblen Antifaschismus. Ein unbeugsamer Aufklärer gegen den Zeitgeist. Die deutschen Demokraten sind ihm viel schuldig. Wir müssen ihm dankbar sein.


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