Fischköppe auf Kriegspfad

Gefahrengebiet Die Polizei hat den Ausnahmezustand über Hamburg wieder aufgehoben. Was bleibt ist ein aufgeladenes, politisches Klima
Ausgabe 03/2014
Gewalt abfedern, dachten sich die Hamburger, und veranstalteten am 10. Januar eine Kissenschlacht in der Innenstadt
Gewalt abfedern, dachten sich die Hamburger, und veranstalteten am 10. Januar eine Kissenschlacht in der Innenstadt

Foto: Patrick Lux/ AFP/ Getty Images

Hamburg ist – offiziell – wieder sicher. Die aufregenden Zeiten, in denen erst mit Gefahrengebieten, dann mit kleineren „ Gefahreninseln“, Bürgerrechte eingeschränkt wurden, die US-Botschaft Reisewarnungen für die Elb-Metropole aussprach und das Hotelgewerbe den Einbruch der Übernachtungszahl beklagte, sie sind vorbei – seit Anfang der Woche ist der über Hamburg verhängte Ausnahmezustand Geschichte. Was bleibt, ist ein emotional aufgeladenes politisches Klima, die Frage, wie es denn nun weiter geht mit dem Zentrum der Hamburger Autonomen, der Roten Flora, und ein politischer Scherbenhaufen, für den zu allererst Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Verantwortung trägt.

Auch wenn der vor allem seinen Innensenator Michael Neumann in dem Konflikt agieren ließ, so ist er als Regierungschef für dessen Pleiten, Pech und Pannen mit verantwortlich. Neumanns Liste der Versäumnisse ist lang: Zunächst agierte er ungeschickt in Bezug auf die in Hamburg gestrandeten Lampedusa-Flüchtlinge, denen er zuerst jede Zukunft in Hamburg absprach, bevor er sich um individuelle Bleibe-Lösungen bemühte. Es folgte ein misslungener Polizeieinsatz, in dem die Ordnungskräfte eine Demo mit hohem Gewaltpotenzial stoppten, und damit die Eskalation mit auslösten, weil sie eine Kreuzung auf deren Route nicht rechtzeitig geräumt hatten. Und es gab widersprüchliche Angaben über einen angeblichen Angriff vermummter Demonstranten auf das berühmte Polizeirevier Davidwache, die mehrfach korrigiert werden mussten. Zuletzt sorgte der Innensenator, der als möglicher Erbe des Bürgermeistersessels gilt, mit seiner Gleichsetzung von Verkehrskontrollen und Gefahrengebieten dafür, dass sogar die CDU-Opposition den SPD-Senat links überholte und dessen nassforschen Umgang mit Bürger- und Freiheitsrechten anprangerte.

Scholz sah all dem erstaunlich teilnahmslos zu, stärkte in sporadischen Interviews seinem Innensenator den Rücken und tauchte ansonsten weitgehend ab. Ungewöhnlich für einen Mann, der ansonsten dafür bekannt ist, zu jedem Thema eine ausgeprägte politische Meinung zu haben und gern in die Ressorts seines Senats autokratisch hineinzuregieren. Scholz‘ Leitsatz: „Wer Führung bestellt, wird Führung bekommen“, entpuppte sich dabei erstmals in seiner Amtszeit als substanz-arme Sprechblase.

Der Scholz-Senat agierte hilflos

Dabei nimmt der Bürgermeister selbst nur geringen Schaden: Die nicht in Abrede zu stellende Gewalt eines Teils der Demonstranten und die von den Medien dazu präsentierten Bilder (einige schon Jahre alt) haben dazu geführt, dass nach allen bekannt gewordenen, nicht repräsentativen Umfragen eine Mehrheit der Hamburger die Gefahrenzonen begrüßt und sich ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen die Militanz solcher „Chaoten“ gewünscht hat. Was nicht in Umfragen zu messen ist: Das weitgehend hilflose Agieren des Scholz-Senats in den vergangenen Wochen hat dazu geführt, dass die Stadt gespalten und ihr politisches Klima vergiftet wurde. Auch weil es längst keine informellen Gesprächsstrukturen zwischen rechter SPD und linker Szene mehr in Hamburg gibt, die zu Hafenstraßen-Zeiten noch sorgsam gepflegt wurden. So entstand ein Klima der Sprachlosigkeit, an dem Hamburg noch lange zu tragen haben wird.

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